Berlin. Laut einer Umfrage halten zwei Drittel das Senatsvorgehen für falsch. Die Grünen-Wähler sind besonders unzufrieden.

411 Tage ist es mittlerweile her, dass sich die Berliner mehrheitlich für die Offenhaltung des Flughafens Tegel ausgesprochen haben. Das Ergebnis des Volksentscheids, der parallel zur Bundestagswahl stattfand, war eindeutig: 56,1 Prozent der Wähler stimmten im September 2017 für einen dauerhaften Weiterbetrieb des City-Airports im Berliner Norden. Den rot-rot-grünen Senat hielt das Ergebnis dennoch nicht davon ab, an seiner Schließungsabsicht festzuhalten. Weil kein Gesetz zur Abstimmung stand, bestätigte die Regierungskoalition im Abgeordnetenhaus den Senatsentschluss, setzte sich damit über den erklärten Willen des Volkes hinweg.

Jetzt zeigt sich: Das Gros der Berliner ist unzufrieden über diesen Schritt. Das belegen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Demoskopieinstituts Insa, die der Berliner Morgenpost exklusiv vorliegen. Demnach halten es fast zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten für falsch, dass der Senat den Volksentscheid ignoriert, nur 24 Prozent finden das Vorgehen richtig, die Übrigen machten keine Angaben oder sind unentschlossen. Unter den befragten Frauen ist die Unzufriedenheit demnach größer als unter den männlichen Teilnehmern der Umfrage: So gaben 68 Prozent der Frauen an, dass sie den Senatsentschluss für falsch halten, bei den befragten Männern sind es mit 60 Prozent etwas weniger.

Beachtlich ist ferner die Aufschlüsselung der Umfrage-Teilnehmer nach ihrer Parteipräferenz. So findet sich auch unter den Wählern der Koalitionsparteien SPD, Grüne und Linke keine Mehrheit, die das Vorgehen des Senats befürwortet. Größte Zustimmung für die vom Senat beabsichtigte Schließung signalisierten noch die Anhänger der Linkspartei und der SPD, sie finden die Entscheidung der Koalition zu 40 beziehungsweise 38 Prozent richtig.

Bei den Grünen-Anhängern sind es nur 25 Prozent. Auf der anderen Seite gaben 69 Prozent der Grünen-Wähler an, sie fänden es falsch, dass der Volksentscheid nicht umgesetzt wird – 53 Prozent der SPD- und 48 Prozent der Linken-Wähler sehen es genauso. Wenig überraschend sind die hohen Werte unter den Anhängern der Oppositionsparteien, insbesondere unter denen der FDP, die an vorderster Front für die Offenhaltung Tegels gekämpft hatte. 84 Prozent der FDP-Wähler finden es nicht richtig, dass Rot-Rot-Grün TXL trotz des Votums schließen will, bei den AfD-Anhängern beläuft sich der Wert auf 79 Prozent. Unter den CDU-Anhängern signalisierten 67 Prozent der Befragten ihre Unzufriedenheit mit dem Senatsentschluss.

„Der Unmut über das Agieren des Senats ist noch größer als die Zustimmung für den Weiterbetrieb Tegels beim Volksentscheid vor einem Jahr“, sagte Insa-Chef Hermann Binkert. „Die Taktik der Regierung scheint folglich nicht aufzugehen.“ Dass besonders die Grünen-Anhänger die Entscheidung des Senats für falsch halten, führt Binkert darauf zurück, dass die Öko-Partei sonst für mehr direkte Demokratie einsteht: „Die Grünen-Wähler mögen es offenbar nicht, wenn die Regierung Volksentscheide ignoriert.“

Auffällig ist auch, wie wenig die Anti-Tegel-Kampagnen der Koalitionsparteien bei den eigenen Wählern verfingen. Der Umfrage zufolge stimmten beim Volksentscheid 61 Prozent der Grünen-Wähler und 58 Prozent der SPD-Wähler für die Offenhaltung. Unter den Linkspartei-Anhängern waren es 44 Prozent. Für FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja ein Zeichen dafür, dass die Berliner erkennen, wie notwendig die TXL-Offenhaltung sei. „Der Senat verkennt in seinem derzeitigen Aktionismus und seiner Ignoranz demokratischer Realitäten, dass die BER-Eröffnung 2020 überhaupt nicht sicher ist“, sagte er. „Berlin braucht Tegel – nicht erst im Falle erneuter Eröffnungsverschiebungen – damit müssen wir uns frühzeitig beschäftigen und TXL ertüchtigen.“ Dazu Senatssprecherin Claudia Sünder: „Der Senat hat sich differenziert mit dem Volksbegehren auseinandergesetzt. Im Ergebnis haben wir jetzt eine Beschlusslage und an die hält sich der Senat.“