Verwaltungsgericht

Berlin muss Diesel-Fahrverbot auf mehreren Straßen einführen

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Fahrverbot in Berlin – das müssen Diesel-Fahrer jetzt wissen

Auch Berlin muss Fahrverbot einführen – das müssen Diesel-Fahrer jetzt wissen

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Berlin muss in mehreren Straßen ein Diesel-Fahrverbot einführen. Dies hat das Verwaltungsgericht entschieden.

Berlin. In Berlin wird es im kommenden Jahr an mehreren Straßen Fahrverbote für alte Diesel-Fahrzeuge geben. Das hat das Verwaltungsgericht am Dienstag angeordnet. Die Fahrverbote gelten in erster Linie für Streckenabschnitte in der Innenstadt. Die Richter verhandelten eine Klage der Deutschen Umwelthilfe, die ein flächendeckendes Fahrverbot in der gesamten Umweltzone forderte. Diese Forderung hielt das Gericht allerdings für überzogen.

Nach Auffassung des Gerichts sieht das bisherige Konzept des Senats keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung des gemittelten Jahresgrenzwertes für Stickstoffdioxide von 40 µg/m3 vor. Der Senatsverkehrsbehörde muss jetzt für insgesamt 15 km Straßenstrecke auf 117 Straßenabschnitten prüfen, ob Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zur Einhaltung des Grenzwertes erforderlich sind.

Vor allem Mitte ist betroffen

Darüber hinaus hat der Vorsitzende Richter Hans-Ulrich Marticke angeordnet, dass auf mehreren Straßen in der Innenstadt zwingend ein Fahrverbot erlassen werden muss. Es handelt sich dabei um insgesamt elf Straßenabschnitte an der Leipziger Straße, Reinhardtstraße, Brückenstraße, Friedrichstraße, dem Kapweg, Alt-Moabit, der Stromstraße und Leonorenstraße. Das Fahrverbot soll dabei nicht nur für Diesel-Pkw, sondern auch für Diesel-Lkw gelten. Eine Ausnahmeregelung etwa für Handwerksbetriebe soll dabei nach Auffassung der Richter möglich sein. Für den Erlass der Fahrverbote hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts dem Senat eine Frist bis zum 31. Märt 2019 gesetzt. Zudem müsse das Land Berlin die Ausweitung der Fahrverbotszonen prüfen.

Marticke sagte zugleich, ein Diesel-Fahrverbot für die gesamte Umweltzone, die große Teile der Innenstadt umfasst, sei allerdings nicht zwingend erforderlich. Denn an vielen Orten in der Umweltzone würden die Grenzwerte eingehalten.

Geklagt hatte wie in vielen anderen deutschen Städten die Deutsche Umwelthilfe, die ursprünglich ein Diesel-Fahrverbot in der Berliner Umweltzone durchsetzen wollte. Nur mit einem Verbot in einer Zone ließen sich Ausweichverkehre auf andere Straßen vermeiden, in denen dann die Belastung steige.

Die Frage ist nun, ob die Entscheidung den Kurs der Bundesregierung in der Dieselkrise verändert. Die große Koalition hatte sich nach langem Ringen auf neue Maßnahmen geeinigt, um Fahrverbote zu verhindern. Neue Kaufanreize sowie technische Nachrüstungen zielen auf 14 besonders belastete Städte wie München und Stuttgart. Vor allem bei den Nachrüstungen sind aber noch viele Fragen offen.

Umweltschützer: Urteil ist „Ohrfeige“ für große Koalition

Nach dem Berliner Urteil zu Diesel-Fahrverboten haben Umweltschützer den mühsam ausgehandelten Koalitionskompromiss zu Umtauschprämien und Nachrüstungen kritisiert. „Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige für Verkehrsminister Scheuer und Umweltministerin Schulze“, erklärte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Ihr Diesel-Kompromiss hatte nicht mal eine Woche Bestand.“ Solange die Autoindustrie nicht gezwungen werde, Hardware-Nachrüstungen für alle schmutzigen Diesel in allen Städten anzubieten, blieben Verbote die einzig wirksame Maßnahme, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Der Berliner Grünen-Chef, Werner Graf, sagte zu dem Urteil: "In Berlin führt kein Weg mehr an Fahrverboten vorbei. (...)Solange Diesel-Autos 60 Prozent der Berliner Stickoxide ausstoßen, wird das aber nicht reichen." Bundesregierung und Autoindustrie seien in der Pflicht zu handeln. Die Kosten für die Hardware-Nachrüstung der Diesel-Fahrzeuge dürften nicht an den Verbrauchern hängen bleiben. "Wir müssen die Hersteller zur Kasse bitten", so Graf. Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte schnelle Rechtssicherheit. Berlin müsse die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rasch anerkennen und die Verbote erlassen.

Die SPD forderte nach dem Berliner Urteil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf, mehr Druck auf die Autobauer zu machen. „Es ist nicht akzeptabel, dass die Automanager immer noch die technische Nachrüstung von Diesel-Pkw und deren Finanzierung verweigern“, kritisierte Bundestagsfraktionsvize Sören Bartol. Scheuer müsse schnell die rechtlichen Vorgaben für Nachrüst-Sets klären und die Förderung des Bundes auf den Weg bringen.

Die Berliner FDP-Fraktion forderte, Fahrverbote auf einzelnen Strecken so weit wie möglich einzugrenzen. Fahrverbote belasteten „viele Pendler, Handwerker und Gewerbetreibende und auch Menschen mit geringem Einkommen, die sich dann neue Fahrzeuge anschaffen müssten“, erklärte der FDP-Politiker Henner Schmidt. Die Verbote müssten deshalb „so weit wie möglich auf die wenigen ‚Hotspots‘ mit hohen Stickoxidwerten begrenzt werden“, so Schmidt.

Berliner Wirtschaft: Fahrverbote bringen mehr Schaden als Nutzen

Aus Sicht der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg könnten Fahrverbote in Berlin zu etlichen Problemen führen. „Streckenbezogene Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge bringen mehr Schaden als Nutzen. Vor allem für die Wirtschaft“, erklärte Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck . Der Ausweichverkehr werde mehr Staus und Abgase produzieren. „Wir fordern den Senat auf, gegen dieses Urteil Berufung einzulegen“, sagte Amsinck.

Die Industrie- und Handelskammern in der Region verlangten, der Senat müsse Rücksicht auf die Wirtschaft nehmen. „Lokale Fahrverbote kann die Stadt verkraften, solange der Lieferverkehr gesichert und die Durchfahrtverbote zeitlich begrenzt bleiben“, teilte Berlins IHK-Präsidentin Beatrice Kramm mit. Die IHK verwies darauf, dass auch viele Pendler zwischen Berlin und Brandenburg betroffen sein könnten. Der öffentliche Nahverkehr sei schon heute überfordert, die Parkplätze am Berliner Stadtrand seien überfüllt.

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( hhn/dpa )