Leistungsbericht

Berlins Rechnungshof will Druck auf Behörden verstärken

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Joachim Fahrun
Die neue Präsidentin des Landesrechnungshofes, Karin Klingen, will die Berliner Behörden früh beraten und so eingreifen – vorbei die Zeiten des „zahnlosen Tigers“

Die neue Präsidentin des Landesrechnungshofes, Karin Klingen, will die Berliner Behörden früh beraten und so eingreifen – vorbei die Zeiten des „zahnlosen Tigers“

Foto: Maurizio Gambarini

Die neue Präsidentin Karin Klingen möchte nachweisen, wie Ämter und Landesbetriebe auf ihre Kritik reagierten – oder eben auch nicht.

Berlin. So ein Rechnungshof ist eine verschwiegene Behörde. Das gilt auch für die obersten Kassenwächter des Landes Berlin. Eigentlich sprechen sie nur einmal im Jahr, wenn sie ihren Jahresbericht vorlegen. Die Berichte beleuchten meist aber nur Vorgänge, die in der Vergangenheit liegen. Die Verschwendung von Steuergeld ist dann in der Regel schon längst passiert. Auch dieser Zeitverzug macht den Landesrechnungshof in den Augen vieler Finanzpolitiker zu einem „zahnlosen Tiger“.

Die neue Präsidentin Karin Klingen, die Ende Juni das Amt von der in den Ruhestand getretenen Marion Claßen-Beblo übernahm, möchte nun den Druck auf die Behörden erhöhen, den Erwartungen des Rechnungshofes zu entsprechen und ihre Praxis zu ändern. Sie möchte zum Jahresende einen Leistungsbericht vorlegen. Darin will sie aufzeigen, was als Folge der Prüfberichte geschehen ist und ob die beschriebenen Missstände tatsächlich abgestellt wurden. Außerdem möchte sie erreichen, dass sie den Jahresbericht direkt im Abgeordnetenhaus vorstellen darf.

Klingen selbst muss dem Verdacht entgegentreten, zu schonend mit der Verwaltung umzugehen. Vor ihrer Wahl im Juni stand sie unter Druck, weil sie direkt aus der Zentralabteilung der Senatskanzlei in den Rechnungshof wechselte. Bei ihrer Wahl fehlten einige Stimmen der rot-rot-grünen Koalition.

Rechnungshof soll zu aktuellen Themen beraten, anstatt nachträglich Fehler bemängeln

In den vergangenen Jahren haben die Prüfer bereits ihre Arbeitsweise geändert. Mehr als früher sind sie als Berater der Behörden unterwegs, schalten sich also schon früher in die Vorgänge ein, die am Ende teuer zu werden drohen. Es geht auch weniger um Verschwendungen etwa im Rahmen einzelner, aus dem Ruder geratener Bauvorhaben, sondern eher um ineffiziente Strukturen in Behörden oder Betrieben.

Präsidentin Klingen hält es für sehr wichtig, dass der Rechnungshof Verwaltungen zu aktuellen, wichtigen Themen berät und nicht nur nachträglich sagt, was falsch gemacht wurde. So tauschen sich die Experten des Rechnungshofes auch mit den Beamten der Senatsfinanzverwaltung aus, um zu klären, wie man künftig mit der ab 2019 vorgeschriebenen Schuldenbremse umzugehen hat. Das Thema hat Klingen zu einem ihrer Schwerpunkte der kommenden Monate erklärt. Denn die Frage, unter welchen konjunkturellen Bedingungen vielleicht doch eine Schuldenaufnahme erlaubt ist, ist keineswegs trivial.

Allerdings herrscht beim Landesrechnungshof die gleiche Not wie in anderen Berliner Behörden. Von den 240 Stellen sind nur gut 200 besetzt. Vor allem die überall begehrten IT-Experten und Bauingenieure sind schwierig zu finden. Der Berliner Landesrechnungshof ist auch größer als der in den meisten anderen Bundesländern. Das liegt an der Fülle der Prüfaufgaben in einem Stadtstaat. Die Berliner untersuchen Bauvorhaben in einzelnen Bezirken ebenso wie die Ausgaben der Landesregierung und das Handeln der Landesunternehmen mit ihren Milliarden-Budgets. Um weitere Unterstützung zu gewinnen, denkt die Präsidentin jetzt darüber nach, in Kooperation mit Universitäten auch Doktoranden zu beschäftigen. Oder durch eine Jobrotation mit dem Bundesrechnungshof frische Kräfte ins Haus zu holen.

Kritik an hohen Gehältern und IT-Projekten

Die Berichte der Rechnungsprüfer fallen für die untersuchten Landesbetriebe oder Dienststellen wie zu erwarten nicht immer positiv aus. In seinem Bericht von 2018 rügte der Rechnungshof zu hohe Gehälter bei den Berliner Wasserbetrieben oder dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Ein Dauerbrenner ist die Kritik an großen IT-Projekten in den Behörden. Zuletzt bemängelte der Bericht 2018 die Steuerung, Organisation und Sicherheit beim Computereinsatz in der Humboldt-Universität.

Auch die Sozial- und Bildungspolitik wird immer wieder unter die Lupe genommen. Oft geht es darum, ob Erfolgskriterien definiert sind, ehe soziale Träger Geld erhalten. Zuletzt stand die Frage im Fokus, wie die Behörde kontrolliert, ob die Anbieter von Praxislerngruppen an Sekundarschulen, so etwas wie Nachhilfestunden, die teilnehmenden Schüler tatsächlich besser machen und zum Schulabschluss führen. Die Antwort der Prüfer: Es gebe keine Erfolgskontrolle. Die Bildungsverwaltung sagte zu, eine Förderrichtlinie zu erarbeiten.

Neben den öffentlichen Jahresberichten gibt der Rechnungshof auch jährlich einen vertraulichen Teil heraus. Darin fand sich kürzlich eine Generalabrechnung mit der Struktur der Berliner Arbeitsmarktförderung, die seit vielen Jahren von immer den gleichen Anbietern organisiert wird. Auch die Boni für leitende Mitarbeiter des Klinikkonzerns Vivantes wurden bemängelt.

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