AfD-Wähler zurückgewinnen

Berliner Student will Angela Merkel herausfordern

| Lesedauer: 6 Minuten
Gudrun Mallwitz
Student Jan Philipp Knoop will für den Parteivorsitz der CDU kandidieren

Student Jan Philipp Knoop will für den Parteivorsitz der CDU kandidieren

Foto: Marion Hunger

Jan-Philipp Knoop kündigt seine Kandidatur gegen die CDU-Chefin an. Der 26-Jährige will AfD-Wähler zurückgewinnen.

Ein junger Mann mit weißem Hemd und dunklem Sakko, der Gesichtsausdruck ernst und entschlossen. Fast ein wenig trotzig. So präsentiert sich Jan-Philipp Knoop auf seiner Facebook-Seite. Neben dem Foto steht in großer Schrift: „Ich kandidiere für den Parteivorsitz der CDU.“ Das Wort Kandidiere leuchtet signal-gelb. Auch sein Lieblingszitat hat er auf die Homepage gestellt: „Seine Pflicht erkennen und tun, das ist die Hauptsache.“ - Friedrich der Große. Der Jurastudent aus Berlin-Schöneberg glaubt, seine Pflicht erkannt zu haben: Der 26-Jährige will im Dezember auf dem Bundesparteitag in Hamburg gegen die seit fast zwei Jahrzehnten amtierende Bundesvorsitzende Angela Merkel antreten. Er sagt: „Ich will mit meiner Kandidatur ein Zeichen setzen, dass es so nicht weiter gehen kann mit Frau Merkel und der CDU.“ Als unabhängiger Kandidat, der nicht schon 20 Jahre Posten besetzt, stehe er für eine glaubhafte Erneuerung.

Seine Ankündigung kommt nur wenige Tage nach dem politischen Beben in der Union. Der junge Berliner – vielleicht nur einer von vielen noch folgenden Brinkhaus, der als Nobody gegen Volker Kauder, den langjährigen CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag kandidierte?

Brinkhaus war im Gegensatz zu Knoop politisch aktiv

Ralph Brinkhaus hat vor ein paar Tagen das Unglaubliche vollbracht und löste ein Urgestein ab, Knoop, seit vier Jahren in der Partei, sieht sich selbst noch weit davon entfernt. Noch hat niemand den jungen Berliner vorgeschlagen, wie es die Statuten der Partei verlangen. Er müsste dafür vom Kreisverband Tempelhof-Schöneberg nominiert werden, heißt es. In den Partei-Statuten findet er dazu nichts.

Der Merkel-Herausforderer gehört keinem Gremium an. Weder auf Bundesebene, noch auf Landesebene. Nicht einmal auf Kreisebene. Sein bisheriges Amt: Beisitzer im Ortsverband Kleistpark. Der gebürtige Berliner drängt dennoch ganz nach oben. Wir treffen ihn in seinem Kiez nahe der S-Bahn Yorkstraße. Hier wohnt er mit seiner Freundin und Boxerhund Shaq, benannt nach einem ehemaligen amerikanischen Basketballspieler. Jan-Philipp Knoop wirkt lässiger als auf dem Facebook- und Twitter-Foto. Anzug trägt er trotzdem, ungewöhnlich in der mit Graffitibesprühten Gegend um den Crellemarkt. Eigentlich stammt Knoop aus dem gut bürgerlichen Steglitz-Zehlendorf. Dort machte er am Walther-Rathenau-Gymnasium in Grunewald Abitur, dort trat er 2014 in die CDU ein. Der Vater Chefarzt, die Mutter leitet an der Charité Studien für Organspende. Die Eltern leben in Berlin und auch auf Mallorca.

Vor zwei Jahren zog er nach Schöneberg, vorher studierte er in Passau Jura, im nächsten Jahr will er an der Freien Universität (FU) sein erstes Staatsexamen ablegen. Die politische Grundhaltung habe er vom Vater, sagt er. Der Merkel-Kritiker stuft sich als rechtskonservativ ein. „Auf alle Fälle konservativer als die Kanzlerin.“ Er hat in der Bundeswehr gedient und ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht – und für eine andere Flüchtlingspolitik. „Dass Merkel 2015 tausende von Flüchtlinge war aus humanitären Gründen in Ordnung“, meint Knoop. „Doch dann hätte man auf die Sicherheitsbehörden hören und die Kontrolle über die Situation bekommen müssen.“ Inzwischen habe der Bürger kein Vertrauen mehr in die Staatsgewalt. Die Grenzen müssten effektiver gesichert werden, fordert er als Konsequenz.

Ihn wundert es nicht, dass immer mehr Wähler zur AfD abwandern. Diese will er zurückgewinnen. „AfD-Wähler haben berechtigte Sorgen, wir müssen den Menschen wieder mehr zuhören“, sagt er. „Und wir dürfen im Dialog keine moralische Barrieren aufbauen.“

Er klingt schon wie ein erfahrener Politiker

Für einen, der so gut wie keine politische Erfahrung hat – außer, dass er einige parteiinterne enttäuschende Sitzungen besucht hat – hört Knoop sich wie ein erfahrener Politiker an. Seine Erfahrungen sammelte er vor allem im Internet. Seit Mai ist er auf Facebook aktiv, die Resonanz habe ihn selbst überrascht. „Die Menschen haben ein enormes Bedürfnis nach Austausch“, sagt er. „Die CDU als letzte Volkspartei muss endlich darauf reagieren.“ So habe er der Berliner Parteichefin Monika Grütters angeboten, die Foren der bei 20 Prozent dahindümpelnden Hauptstadt-CDU zu organisieren und auch online ein Forum zu bieten. Zurück gekommen sei ein kühles Schreiben aus der Landesgeschäftsstelle. „Man weiß nicht, wo man sich einbringen kann“, kritisiert Knoop. Wie behäbig es bei der angeblich so modernen Partei zugeht, zeigt für ihn auch, dass auf der Homepage seines Ortsverbandes unter dem Grußwort des Vorsitzenden immer noch die Weihnachtswünsche für 2016 stehen.

Inzwischen kommt ziemlich viel Gegenwind. „Ich wurde von Mandatsträgern zur Mäßigung aufgefordert“, erzählt er. Anlässlich des Besuchs des türkischen Staatspräsidenten in Berlin twitterte er trotzdem am Donnerstag: „Der Kniefall vor Erdogan ist schändlich.“ Immerhin habe sich der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger mit ihm getroffen, sagt Knoop. „Ihm hat meine konservative Einstellung gefallen“, glaubt er. Der Landesverband will sich auf Anfrage der Berliner Morgenpost nicht zu den Ambitionen des jungen Berliners äußern. Zurückhaltend reagiert auch die Bundes-CDU im Konrad-Adenauer-Haus. Es stehe jedem Mitglied offen, sich zu bewerben.

Doch Knoop wirkt entschlossen, wie auf dem Facebook-Bild. Er scheint es ernst zu meinen: „Meine Generation kennt keine andere Kanzlerin als Angela Merkel“, sagt er. „Das muss sich ändern.“

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