Am Sonntag startet in der ARD „Babylon Berlin“. Wir blicken auf das Berlin der Zwanzigerjahre. Teil 4: Der Verkehr.

Sehnsuchtsort Berlin. Ende der Zwanzigerjahre leben 4,3 Millionen Menschen in der Stadt. So viele wie noch nie. Und täglich strömen neue Zuzügler aus allen Teilen Deutschlands in die Hauptstadt der jungen Weimarer Republik.

Angereist wird damals fast immer mit der Bahn. Die großen Fernbahnhöfe sind die Eingangstore zur Stadt. Berlin verfügt über mehr als ein halbes Dutzend. Sie stammen meist noch aus den Anfangszeiten der Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts, als private Kapitalgesellschaften die neuen Schienenwege aufbauen ließen. Um die Feuer und Ruß speienden Lokomotiven von den Menschen fernzuhalten, durften die Endstationen nur am Stadtrand gebaut werden.

Und so gibt es im Berlin der Zwanziger einen Görlitzer, einen Potsdamer und einen Hamburger Bahnhof, auch ein Stettiner (heute Nordbahnhof), ein Schlesischer (Ostbahnhof), ein Lehrter (heute Hauptbahnhof) und ein Anhalter Bahnhof sind auf dem Stadtplan verzeichnet. Die Namensgebung machte es den Fahrgästen leicht, denn sie verriet ihnen, wohin die Reise gehen wird und von wo die Züge kommen. Nur wer in Berlin umsteigen will, dem stand ein beschwerlicher Zwischenweg bevor.

Doch die meisten Reisenden wollen gar nicht weiter. Sie wollen nach Berlin, eine Stadt, die Arbeit, Brot und ein kleines Stück persönliches Glück verhieß. Um die Bahnhöfe herum entstehen große, oft billige Wohnquartiere, die Stationen liegen nicht mehr am Rand sondern mitten in der Stadt.

Anders als heute sind die Bahnhöfe damals keine schlichten Zweckbauten aus Stahl und Glas, sondern Kathedralen einer neuen Zeit. So auch der Anhalter Bahnhof in Kreuzberg, der zwischen 1874 und 1880 als Endstation der Berlin-Anhaltinischen Bahn errichtet worden war. Auf sechs Gleisen fahren von dort aus auch Züge in Richtung Schweiz, Österreich und Italien ab.

Die Berliner nennen ihn daher das „Tor zum Süden“. Ab 1928 können die Reisenden durch den „längsten Hoteltunnel der Welt“ auf direktem Weg das „Excelsior“ erreichen, mit gut 600 Zimmern damals das größte Hotel Berlins. Auch Kommissar Gereon Rath, aus Köln nach Berlin versetzt, kommtam Anhalter in der deutschen Hauptstadt an. Und ist fasziniert von den zahllosen Hotels und Vergnügungslokalen rings um den Bahnhof. Dort tobt ein Leben, wie er aus seiner rheinländischen Provinz nicht kennt.

Stadtschnellbahn tritt Siegeszug an

In den Zwanzigerjahren kommt in Berlin ein ganz neues Verkehrsmittel auf die Gleise, wie es in der Art noch keine andere Großstadt der Welt vorweisen konnte: Die Stadtschnellbahn oder S-Bahn, wie es ab 1930 kurz heißt, tritt ihren Siegeszug an. Statt der alten, von Dampflokomotiven gezogenen Zügen übernehmen moderne schnelle Elektrotriebwagen die Aufgabe, die Berliner und die Umland-Bewohner in großer Zahl zu befördern. Die erste Strecke mit einer 750-Volt-Gleichstromschiene wird im August 1924 zwischen dem Stettiner Vorortbahnhof und der Niederbarnimer Kleinstadt Bernau im Norden Berlins in Betrieb genommen.

In der dann folgenden „Großen Elektrisierung“ wird bis 1933 fast das gesamte Netz der Ring- und Vorortbahnen auf das neue System umgestellt. Eine gigantische Aufgabe, die mit einem Tempo gelöst wird, wie es heute nicht mehr vorstellbar ist. Allein 1928 werden in Berlin 115 Kilometer Gleise elektrifiziert. Von 1928 bis 1932 werden zudem rund 1200 neue Trieb-, Steuer- und Beiwagen, die berühmten „Stadtbahner“, gebaut und in Betrieb genommen.

Die Züge bieten Platz für bis zu 1000 Fahrgäste,sie sind bis zu 120 Kilometer pro Stunde schnell und fahren etwa zur Weltausstellung 1930 im Abstand von nur eineinhalb Minuten zum Ausstellungsgelände am Westkreuz. Die S-Bahn gibt damit den neuen Lebenstakt für Berlin vor, alles geht rasend schnell, trotzdem pünktlich und zuverlässig. In wenigen Minuten können ganze Stadien mit Besuchern gefüllt werden. Ein Mythos, von dem die Berliner S-Bahn bis heute lebt.

Kommissar Raths Arbeitsplatz in „Babylon Berlin“ ist die „Rote Burg“, das berühmt-berüchtigte Polizeipräsidium am Berliner Alexanderplatz. Der Platz ist Mitte der Zwanziger eine riesige Baustelle. Im Untergrund entsteht der wichtigste U-Bahnhof der Stadt. Gleich drei Linien werden sich dort einmal treffen, Schächte für weitere Netz-Erweiterungen werden mit angelegt (etwa für eine Strecke bis nach Weißensee, die bis heute nicht realisiert ist).

Die U-Bahn wird schon bald die Straßenbahn als wichtigstes Verkehrsmittel der Stadt ablösen. Auch ihr Markenzeichen sind kurze Fahrtakte und neuer Komfort. Zwischen 1923 und 1931 erlebt das System das größte Wachstum in ihrer Geschichte.Es entstehen etwa die Linie C, die Nord-Süd-Verbindung zwischen Seestraße und Tempelhof (heute Teil der U6) oder die neue Strecke von Kreuzberg nach Neukölln. Der Clou: Das gleichfalls in dieser Zeit errichtete Karstadt-Kaufhaus am Hermannplatz bekommt von der U-Bahn einen eigenen unterirdischen Zugang. Auf den schwankenden Bau-Gerüsten wird der unter Höhenkrankheit leidende Rath seine erste Verfolgungsjagd in Berlin aufnehmen müssen.

Lesen Sie am Freitag: Nervös und kreativ – Kunst und Kultur in den Zwanzigerjahren.

„Babylon Berlin“ ARD, 30.09., 2015 Uhr

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