Berlin. Ab 2022 sollen jährlich 2000 Lehramtsabsolventen die Universitäten verlassen, fast doppelt so viele. Aber es gibt erhebliche Engpässe.

Berlin fehlen qualifizierte Lehrer. Rund 900 der 2700 der zum aktuellen Schuljahr neu eingestellten Kräfte haben noch nicht einmal ein Fach studiert, das an den Schulen der Hauptstadt unterrichtet wird. Um das zu ändern, sollen Berlins Universitäten die Lehrkräfteausbildung stark ausweiten: Bis 2022 soll sich die Zahl der Absolventen mit Master oder Staatsexamen von aktuell unter 1000 auf rund 2000 Uni-Abgänger mit fertigem Lehramtsmaster mehr als verdoppeln. Nach einer Anhörung von Vertretern der vier Universitäten im Wissenschaftsausschuss des Parlaments aber werden nun Zweifel laut, ob diese ambitionierten Ziele zu erreichen sind.

Die größten Probleme bereiten demnach die Zahl der verfügbaren Räume, fehlende Professoren sowie eine drohende Verschlechterung der Lehre. „Der Aufwuchs wird schwierig, weil es den Universitäten schon jetzt zum Teil an Räumen mangelt“, sagte Professor Uwe Gellert, der an der Freien Universität (FU) Direktor der Dahlem School of Education ist. Es gebe zu wenige Seminarräume, viele seien zu klein. „Selbst Vorlesungssäle werden inzwischen schon zu klein, sodass wir Vorlesungen parallel per Video in andere Hörsäle übertragen. Das sind keine idealen Voraussetzungen.“

70 Millionen Euro zusätzlich für die Lehrerausbildung

Professorin Eva Inés Obergfell, Vizepräsidentin für Lehre und Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), ergänzte: „Die Fächer sehen zu Recht die Gefahr einer Absenkung der Qualität der Lehrkräftebildung.“ Besonders das Praxissemester sieht sie, genauso wie ihr Kollege Professor Ulf Schrader von der Technischen Universität (TU), kritisch. Eigentlich sollen die Studenten dabei mehrmals von Betreuern in ihren Schulen besucht werden. Dafür aber reichten die Personalkapazitäten nicht aus. Und auch davon abgesehen sei die Betreuungsrelation zwischen Studenten und Professoren schlecht – „und wir werden hier nicht besser mit dem Aufwuchs“, so Obergfell. Schwierig sei auch die Besetzung der neu geschaffenen Professuren, weil es oft zu wenige Bewerber gibt. Für das Grundschulfach Mathematik etwa, so Gellert, habe sich an der FU zunächst niemand beworben.

Das Ziel deutlich höherer Absolventenzahlen hat der Senat mit den Unis in den Hochschulverträgen für die Jahre 2018 bis 2022 festgelegt. Bereits seit Anfang des Jahres steht fest, dass das Land den Hochschulen für diesen Zeitraum rund 70 Millionen Euro zusätzlich für die Lehrerausbildung zukommen lässt, wie in der Ausschusssitzung auch Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) betonte.

Mitte August legten die Unis Konzepte vor, wie sie mit dem Geld umgehen wollen

Insgesamt wollen sie 28 neue Professuren für Lehramtsstudiengänge sowie 130 Stellen im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter und studentischen Hilfskräfte schaffen. Die Zahl der Studienplätze soll so nach und nach steigen, ebenso die der fertigen Master-Absolventen auf 2000 pro Jahr ab 2022.

Aktuell sind die Unis davon noch weit entfernt. Wie eine Senatsantwort auf eine schriftliche Anfrage der CDU-Abgeordneten Hildegard Bentele zeigt, die der Morgenpost vorliegt, war die Zahl der Abgänger mit Lehramtsmaster zuletzt sogar rückläufig (siehe Grafik). 2017 schlossen 736 mit einem Master of Education oder Staatsexamen ab, 2016 waren es 757. „In einigen Fächern sank die Zahl gar auf null“, so Bentele. „Grundschullehramt-Studenten etwa mit einem Master und Fachausbildung in Biologie haben im vergangenen Jahr gar nicht die Unis verlassen.“

2016 waren es immerhin noch drei, 2015 noch sieben. Und auch unter den fertigen Sekundarschul-Lehrern gibt es nicht nur Zuwächse: Die Zahl der Absolventen im Fach Arbeitslehre etwa ging um zwei Drittel auf zehn zurück. Bentele kritisiert, dass die Unis erst jetzt ihre Konzepte zur Nutzung des Geldes vorgelegt haben. „All die angesprochenen Probleme werden also nun erst angegangen“, sagt sie. „Wir sitzen in der Falle. Ich bezweifle stark, dass die avisierten 2000 Absolventen zu schaffen sind. Zu lange hat Berlin unter der SPD nicht gehandelt, jetzt kriegen wir die Quittung.“ Krach nahm die Kritik zum Teil an. „Der Ausbau der Lehrkräftebildung wurde in den letzten 15 Jahren verschlafen“, sagte er. „Deswegen müssen wir jetzt aufholen.“ Anders als Bentele ist er jedoch zuversichtlich. „Bei der Raumsituation wissen wir, dass es angespannt ist“, sagte er. Die FU bekomme deshalb etwa ein neues Seminargebäude, die HU eine neue Sporthalle. Die Betreuungssituation könne zwar besser sein, gleichwohl sei die Quote der Absolventen pro Anfänger im Bundesvergleich hoch.

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