Berlin. Der Rundgang „Reif für die IFA“ soll bei Besuchern jenseits der 60 die Neugier auf Technik wecken.
Station Nummer eins: Hörgeräte. Barbara Meisner verdreht die Augen. Eben noch hat die frühere Reiseleiterin gefragt, wo sie denn auf Europas größter Funktechnikmesse ein „Smart Home“ besichtigen kann. Eigentlich wollte die Seniorin hier Bekanntschaft schließen „mit der Wohnwelt, wie sie meine Enkel in 30 Jahren erleben werden“. Und jetzt das: Hightech für Schwerhörige. Der Rundgang „Reif für die IFA“, ein tägliches Angebot für alle, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, startet mit einem Klischee. Ist die IFA noch nicht reif für Senioren wie Barbara Meisner?
Am Stand des dänischen Herstellers GN wartet die erste Probe. Und da zeigt sich: Selbst in Hörgeräten steckt jetzt smarte Elektronik. Unter dem Namen „Resound“ vermarktet GM filigrane Technik, die sich unauffällig ans Ohr heften lässt – und dort per Bluetooth-Verbindung zum Smartphone Anrufe einspielt. Genau in der Lautstärke, wie sie der Träger des Hörgeräts braucht. Da horcht Barbara Meisner auf. Und merkt gleich an: „Ich gehöre aber noch nicht zur Zielgruppe.“ Aus Sicht von Steffi Ramlow, die das Gerät vorführt, hat Schwerhörigkeit nur bedingt mit dem Alter zu tun. Sie sagt: „Jeder, der an Hörverlust leidet, sollte etwas dagegen tun.“ So wie Elektronikhersteller Vorurteile gegenüber Senioren haben mögen, so können auch Senioren falsche Vorstellung vom Nutzen der Technik haben.
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Nächste Station: Der Stand von Qardio, einem jungen Unternehmen aus San Francisco. Hier können sich Senioren den Blutdruck messen lassen. Dabei sieht die Manschette am Arm so aus, wie diejenige beim Hausarzt. Doch die Werte leuchten auf dem Smartphone auf. Qardio will den deutschen Markt aber vor allem mit Geräten erobern, die äußerlich einer Badezimmerwaage gleichen. Sie erfassen viel mehr als den Zustand ihres Nutzers und können sogar feststellen, ob eine Schwangerschaft vorliegt. Die Messergebnisse werden auf Wunsch direkt an einen Arzt verschickt. „Muss der Arzt dafür nicht auch die passende Technik besitzen?“, fragt Rundgangs-Teilnehmerin Christine Heblinski. Die junge Frau am Qardio-Stand nickt. Wenn die Daten ankommen sollen, muss sich der Arzt für 600 Euro die passende Software kaufen.
Von der Zukunftsmusik in Sachen Medizin führt die Tour zu einem Klassiker der seniorengerechten Technik: dem Seniorenhandy. Am Stand des österreichischen Herstellers Emporia finden sich tatsächlich mehrere Apparate mit riesigen Knöpfen. Selbst hier geht der Trend allerdings zum Smartphone. Dort sind eben die Tasten auf dem Bildschirm so groß abgebildet, dass niemand mehr danebendrücken kann.
Emporia verkauft nicht nur eigene Geräte, sondern auch eine Software, mit der sich die treffsichere Bedienoberfläche auf anderen Smartphones darstellen lässt. „Oft verschenken ja Enkel und Kinder ihre ausgedienten Geräte an die ältere Generation“, begründet Sprecherin Christina Landl. Das können Christine Heblinski und Barbara Meisner gut nachvollziehen.
Beide Seniorinnen sind ständig in sozialen Netzwerken unterwegs. Während Heblinski per Videokonferenz mit ihrer Tochter in Sydney Kontakt hält, holt sich Meisner, die langjährige Reiseleiterin, die weite Welt auf die Couch. „Technik nimmt den Alter seinen Schrecken“, stellt sie fest. „Man kann im Bett liegen, Dvořák hören und online mit anderen Menschen Backgammon spielen.“
Nachdem die Gruppe bei den Herstellern Metz und Panasonic noch die neuesten Flachbildschirme inspiziert hat, ist der Rundgang zu Ende. Der Erkenntnisgewinn war am Ende doch größer als der Ärger über Rentnerklischees, zeigt sich Meisner versöhnt. Trotzdem macht sie sich jetzt daran, auf der IFA ein „Smart Home“ zu finden. Die Enkel sollen doch wissen, wie sie eines Tages leben werden.
Der Rundgang „Reif für die IFA“ startet bis zum 5. September täglich um 10 Uhr am Südeingang der Messe.
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