Berlin. Etwa zehn junge Linksextreme marschieren am Dienstagvormittag in den Dienstsitz der Berliner Justizverwaltung - ein prächtiges Gebäude in der Salzburger Straße in Schöneberg. Erst verteilen die teils Minderjährigen in der Vorhalle mit dem Marmorboden und den gläsernen Schwingtüren einige Flyer: „Solidarität mit Nero und Isa“, steht darauf.
Dann fragen sie eine Pförtnerin nach dem Büro des Beamten R. Dieser ist als Referatsleiter des Referats IIIa zuständig für die Situation Inhaftierter in den Berliner Gefängnissen. Als die Linksextremen, die sich als „Soligruppe für Isa & Nero“ bezeichnen, an der verschlossenen Tür ankommen, klopfen sie. Nach einiger Zeit öffnet R. Welche Worte dann genau fallen, ist unklar.
Linksextreme drohen dem Referatsleiter zurückzukehren
Die Gruppe soll dem Beamten gedroht haben: Man kenne nun sein Gesicht. Laut einem Bekennerschreiben auf der Internetplattform Indymedia erklärten sie ihm, dass sie „Kenntnis von den Bedrohungen und Drangsalierungen von unserem Freund Nero“ haben. Weiter heißt es in dem Bekennerschreiben, dass sie auf R. „zurückkommen werden um ihn eindringlicher an seine Schreibtischtäterschaft zu erinnern.“
Sebastian Brux, Sprecher der Justizverwaltung, bestätigte der Berliner Morgenpost am Mittwoch, dass es den Vorfall gegeben habe. Zu weiteren Details wollte er sich nicht äußern. Auch die Polizei bestätigte einen Einsatz: Als die Beamten eintrafen, waren die Linksradikalen aber verschwunden. Klar ist: Die Justizverwaltung hat Strafanzeige gegen die Eindringlinge gestellt. Denn der Vorfall ist nicht der erste dieser Art.
Um was geht es? „Nero“ und „Isa“ sind die Szene-Spitznamen zweier Männer aus dem Umfeld der Rigaer Straße. „Nero“ sitzt seit mehr als einem Jahr in der JVA Tegel. Der Mann, der „Isa“ genannt wird, sitzt ebenfalls in Tegel und wohnte seit Jahren im besetzten Haus in der Rigaer Straße 94. Der 41-Jährige soll nach Erkenntnissen von Ermittlern eine Art „Ein-Mann-Sicherheitsdienst“ für das Haus sein. Bei seiner Festnahme Ende März waren 350 Beamte im Einsatz – aus Angst vor Ausschreitungen.
"Isa" soll in der Rigaer Straße einen Mann verprügelt haben
Der Vorwurf: Er soll am 11. März vor einer Bäckerei an der Rigaer Straße einen 54-Jährigen zusammengeschlagen und wenige Tage später einen Polizisten angegriffen haben. Bei der Attacke wurden dem Opfer mehrere Knochen gebrochen. Auf linken Blogs wird der Fall so dargestellt: „Isa“ sei nicht der Täter, sondern das Opfer, das sich gewehrt habe. Ein Urteil wird im September erwartet.
Seit dem Prozessstart vor dem Amtsgericht kam es zu mehreren Einschüchterungsversuchen. Das Auto einer Schließerin aus dem Gefängnis, in dem „Isa“ einsitzt, wurde abgebrannt. Ein SPD-Büro wurde mit Steinen beworfen. Journalisten, die über den Polizeieinsatz berichtet hatten, wurden auf der Internetseite Indymedia als „Staatsschutz-Journalisten“ beschimpft. Für sie wurde ein „Kiezverbot“ in Friedrichshain ausgesprochen. Ähnliche Erfahrungen mussten Nachbarn machen, die seit Jahren an der Rigaer Straße wohnen. Sie wurden auf Plakaten als „Denunzianten im Kiez“ beschimpft, weil sie „Isa“ an der Bäckerei beobachteten und die Polizei riefen.
Tatsächlich muss die häufiger wegen Gewalttaten in die Rigaer Straße einrücken: In einer Statistik, die der Berliner Morgenpost vorliegt, verzeichnet die Innenverwaltung für die Rigaer und die Liebigstraße seit 2010 insgesamt 288 Gewaltdelikte, die der linksradikalen Szene zugeordnet werden. Die Zahlen veröffentlichte die Innenverwaltung auf eine Kleine Anfrage des SPD-Innenexperten Tom Schreiber, der sich seit Jahren mit der Rigaer Straße beschäftigt. Dafür erhält Schreiber, der sich ebenso gegen Rechtsextremismus engagiert, Drohungen aus der linksextremen Szene und gilt als gefährdete Person.
Innenexperte sieht "Linksterrorismus"
Die Vorfälle in der Justizverwaltung wertete Schreiber kritisch. „Das ist staatsgefährdend und überschreitet eine Schwelle“, sagte Schreiber der Berliner Morgenpost. „Für mich ist das Linksterrorismus.“ Der Vorfall müsse in der Koalition thematisiert werden: Schließlich werde die Justizverwaltung von einem Grünen-Justizsenator geführt. Teile der Grünen hätten aber wiederholt Verständnis für die Rigaer Straße geäußert. „Wie weit soll dieses Verständnis noch gehen?“, fragte Schreiber.
Dass Berliner Verwaltungen zum Ziel von Linksextremen werden, ist nicht neu. Auch die Innenverwaltung an der Klosterstraße wurde schon von Linksextremen aufgesucht. Damals ging es um den besetzten Oranienplatz. Seitdem stehen vor der Verwaltung Objektschützer der Polizei. Auch in der Justizverwaltung werde nun „nochmals die Sicherheit in unserem Haus besprochen“, sagte Sprecher Brux.
Nach "88"-SMS: Polizisten sollen vor U-Ausschuss aussagen
„Kadterschmiede“ weiter geöffnet