Prozessauftakt

Prostituierte aus Berlin entführt und gefügig gemacht

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Hans H. Nibbrig
Prostituierte (Symbolbild)

Prostituierte (Symbolbild)

Foto: dpa

Zwei Frauen und drei Männer stehen in Berlin vor Gericht. Sie sollen mehrere Prostituierte aus Berlin verschleppt haben.

Berlin. Nachschub bei der „Ware Mensch“ organisiert das Rotlicht-Milieu üblicherweise, indem junge Frauen aus Osteuropa mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und hier zur Prostitution gezwungen werden. Die drei Männer und zwei Frauen, die seit Freitag im Landgericht Moabit auf der Anklagebank sitzen, hatten offenbar eine bessere Idee. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sollen sie Prostituierte entführt haben, um sie andernorts für sich arbeiten zu lassen. Bedient haben sollen sich die aus Bulgarien und dem Kosovo stammenden Angeklagten dabei auf Berlins berüchtigtsten Straßenstrich rund um die Kurfürstenstraße.

Würde es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Mitglieder einer Berliner Zuhälterbande handeln, die auf diese Weise ins Revier einer rivalisierenden Bande eindringt, wäre vermutlich eine blutige Auseinandersetzung im Milieu die Folge. Doch in diesem Fall blieb alles ruhig, offenbar interessierte niemanden das Schicksal der sechs jungen, teils minderjährigen Frauen, die dem Kidnapping zum Opfer fielen. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass die Opfer nicht in Berlin blieben. Fünf Frauen landeten im ostwestfälischen Bielefeld, eine weitere in Frankreich.

Die Entführungen zwischen November 2017 und Februar 2018 sollen nach dem stets gleichen Muster abgelaufen sein. Die Kidnapper, in der Regel zwei Männer und eine Frau, sprachen die ausgewählten Opfer an ihren „Arbeitsplätzen“ an und lockten sie ins Auto, mit der Ankündigung, sie zu einem gut zahlenden Freier zu bringen. Doch statt einer kurzen Spritztour um die nächste Ecke ging es für die allesamt aus Osteuropa stammenden Frauen auf die lange Fahrt Richtung Westen.

Frauen wurden bedroht und misshandelt

Am Zielort angekommen, soll der Anklage zufolge alles weitere so verlaufen sein, wie es im Rotlicht-Gewerbe mit seinen brutalen und menschenverachtenden Regeln üblich ist. Die Frauen wurden mit Drohungen gefügig gemacht, häufig bekräftigt durch Misshandlungen und Vergewaltigungen, für die einige der Angeklagten verantwortlich gewesen sein sollen. Drei Opfer traf es dabei besonders hart. Eine vierte Frau konnte hingegen gleich ihren ersten Freier überreden, ihr zur Flucht zu verhelfen. Und zwei weitere Opfer wurden im Februar befreit, bevor sie überhaupt ihre Dienste anbieten mussten. Denn die Polizei war der Bande da längst auf der Spur.

Zum Prozessauftakt am Freitag schwiegen alle fünf Angeklagten zu den Vorwürfen. Jetzt müssen daher die Aussagen der Zeugen Aufklärung darüber bringen, wie die angeklagten Taten tatsächlich abgelaufen sind. 15 Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt, denn der Prozess ist auch eine organisatorische Herausforderung. Fünf Angeklagten, zehn Verteidiger, zwei Sachverständige und drei Dolmetscher drängeln sich im Verhandlungssaal. Der Prozess wird am Montag kommender Woche fortgesetzt, das Urteil soll Ende November erfolgen.