Berlin. Karsten Homrighausen ist Nachfolger von Wilfried Gräfling im Amt des Landesbranddirektors. Kein leichter Job.
Mit der Frage muss Karsten Homrighausen gerechnet haben: Warum Berlin? Die Antwort kommt dann buchstäblich schneller als die Feuerwehr. Ja, er habe natürlich auch Freunde und Verwandte in der Hauptstadt, aber vielmehr sei es eine Ehre, an der Spitze der ältesten und größten Berufsfeuerwehr Deutschlands zu stehen. Denn: „Ich sitze lieber ganz vorne in der Lok als in Waggon Nummer fünf.“
Selbstbewusste Worte von einem Mann, der künftig eine große, aber auch problematische Behörde führt. Am Dienstag wurde Homrighausen als Berlins neuer Feuerwehrchef vorgestellt, Innensenator Andreas Geisel (SPD) ernannte ihn am Vormittag. Bei der Pressekonferenz erschien Homrighausen bereits in Uniform. Er sei „ein Mann des Einsatzes“, lobte der Senator. Er kenne sich mit Rettungsdienst und Katastrophenschutz aus – und habe strategisches Geschick.
Homrighausen will die Feuerwehr zukunftsfähig machen
Vor allem Letzteres wird Homrighausen brauchen. Denn der 50-Jährige soll die arg gebeutelte Berliner Feuerwehr wieder auf Vordermann bringen, ihm unterstehen 4200 Mitarbeiter der Berliner Feuerwehr sowie 1500 Einsatzkräfte freiwilliger Wehren, die in den vergangenen Wochen alles andere als zufrieden waren und dies auch zeigten. „Ich will die Feuerwehr zukunftsfähig machen, mit allen nötigen Entwicklungen und sie als Arbeitsplatz wieder attraktiver machen“, kündigte Homrighausen an. Masterprojekt ist das Konzept „Feuerwehr 2030“, das er vorantreiben soll.
Homrighausen, der mit Frau und drei Kindern nach Berlin zieht, leitete mit der Einsatzabteilung der Branddirektion Stuttgart zwölf Jahre die größte Berufsfeuerwehr Baden-Württembergs. Bereits mit 14 Jahren startete die Karriere in der Freiwilligen Feuerwehr, in der Homrighausen noch heute Mitglied ist, wie er betont, auch wenn er nicht mehr aktiv sein kann. Auf Nachfrage erzählt der Doktor der Chemie eine Anekdote, die ihn bis heute geprägt hat: Es war Anfang der 90er-Jahre, als er und sein Team zu einem Wohnungsbrand gerufen wurden. Sie konnten ein Mädchen nur noch tot bergen.
Dies habe ihm gezeigt, wie wichtig es sei, dass die Einsatzkräfte nach Bedarf auf psychosoziale Notfallseelsorge zurückgreifen könnten. Ein Feld, in dem die Berliner Feuerwehr eine „hohe Forschungsintensität“ habe. Zum anderen habe es ihm gezeigt, dass „die Feuerwehr schnell vor Ort sein und die richtige Ausrüstung haben muss“, damit so etwas wie mit dem toten Mädchen gar nicht erst passiere.
Gewerkschaften kritisieren nicht eingehaltene Zusagen
Das ist trotz aller Kritik laut Senator Geisel in Berlin gegeben, „die Berliner Feuerwehr ist leistungsfähig“. Und doch ist die Unzufriedenheit bei den Einsatzkräften schon lange unüberhörbar. Unterbesetzung, schlechte Bezahlung, überalterte Einsatzfahrzeuge: Über Wochen hatte die Feuerwehr unter dem Motto „Berlin brennt“ vor dem Roten Rathaus gegen die Zustände demonstriert. Im April wurde dann ein Kompromiss geschlossen, doch die Gewerkschaften kritisierten zuletzt die Umsetzung, etwa dass Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die Erhöhung der Feuerwehrzulage blockiere. Inzwischen habe Kollatz den entsprechenden Gesetzesentwurf unterzeichnet, er müsse jetzt noch vom Parlament verabschiedet werden, so Geisel. Und überhaupt sei viel für die Feuerwehrleute getan worden. Man habe die 44-Stunden-Woche eingeführt, was in Deutschland einmalig sei. Dazu Zwölf- statt 24-Stunden-Schichten, was den Krankenstand erheblich reduziert habe: von 22 Prozent auf 15 bis 16 Prozent. Zudem würden die Überstunden der letzten vier Jahre bearbeitet, sieben Millionen Euro Nachzahlungen stünden hier aus. Dazu käme die Bestellung etlicher neuer Fahrzeuge, knapp hundert Rettungs- und Einsatzwagen sowie zwölf neue Löschfahrzeuge.
Ob das für die von Homrighausen versprochene Zukunftsfähigkeit reicht, muss sich zeigen. Bevor Geisel ihn am Dienstag vorstellte, verlor er noch ein paar – von den üblichen Floskeln abweichende – Worte an dessen Vorgänger. Wilfried Gräfling, der das Amt zwölf Jahre innehatte, sei nicht immer stromlinienförmig gewesen, habe aber trotz aller Kritik in den letzten eineinhalb Jahren eine Menge abgearbeitet und sich immer vor seine Mitarbeiter gestellt. Er wünsche ihm jetzt vor allem viel Gesundheit. Gräfling war vor einiger Zeit an Darmkrebs erkrankt.