Berlin. Die Männer könnten wahrscheinlich auch gut in einer Curlingmannschaft spielen. Unermüdlich fahren sie mit ihren Wischern über die frisch asphaltierte Fahrbahn und reiben eine Flüssigkeit in den Belag. Es handelt sich um Epoxidharz. Es soll die kleinen Luftbläschen schließen und die Straße komplett wasserdicht machen.
Denn zuvor ist der Asphalt luftig „wie Mousse au Chocolat“, erklärt Wolfgang Pilz, Projektleiter bei der Bundesbaugesellschaft Deges, die für die Sanierung der Rudolf-Wissell-Brücke auf dem Berliner Stadtring verantwortlich ist. Für diese Art der Fahrbahn, wie sie Pilz und seine Männer gerade bauen, gibt es einen – wenn auch etwas sperrigen – Namen: „Hohlraumreiches Asphalttraggerüst mit nachträglicher Verfüllung“, kurz „HANV“. „Nicht zu verwechseln mit dem Hanf, den man backen oder rauchen kann“, stellt Pilz klar.
1200 Tonnen Asphalt auf 9000 Quadratmeter Beton
Es ist die aktuell größte Baumaßnahme in der Hauptstadt. Nachdem letztes Jahr die Fahrbahn Richtung Norden gemacht wurde, ist in diesen Sommerferien der Abschnitt Richtung Süden dran. Knapp ein Kilometer Strecke braucht eine neue Decke, 9000 Quadratmeter, 1200 Tonnen Asphalt. Die 1961 eröffnete Brücke, benannt nach dem ehemaligen SPD-Politiker Rudolf Wissell, ist die längste Brücke Berlins.
Seit zwei Wochen laufen die Arbeiten. Zunächst wurde der alte Asphalt, rissig und porös wie er war, abgetragen, wobei die sogenannte Kugelstrahltechnik zum Einsatz kam. Dabei wird der Beton unter der Asphaltdecke aufgeraut, damit der neue Asphalt sich besser mit dem Untergrund verzahnt.
Auf dem Betonuntergrund fanden die Arbeiter 200 Schadstellen, unter anderem durch eingedrungenes Wasser, das Schlaglöcher verursachte. Diese Fläche wurde glatt gefräst, bevor nun der Asphalt aufgetragen werden kann. Drei Schichten, insgesamt 4,5 Zentimeter dick und zu Beginn 138 Grad heiß.
30 Männer pro Schicht im Einsatz
Die Arbeit auf der Brücke ist hart, gnadenlos brennt die Sonne am Freitagvormittag auf die Arbeiter. Rund 30 Männer sind pro Schicht im Einsatz, gearbeitet wird rund um die Uhr. Dazwischen gibt es immer wieder „technologische Pausen“ von bis zu acht Stunden, wie Ingenieur Pilz sagt, damit die Materialien trocknen können.
Straßenbauer Rene Wiskoski, dessen Firma für die Asphaltierung zuständig ist, machen die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz in 16 Meter Höhe nichts aus. „Klar ist es etwas mollig hier, aber der Job ist gemütlich.“
Motivation der Baufirmen müsste groß sein
Sieben Millionen Euro zahlt der Bund für das Projekt, insgesamt sieben Wochen hat die Deges für die Sanierung Zeit. Spätestens eine Woche nach Ende der Ferien soll alles fertig sein. Die Motivation der Baufirmen sollte groß sein, denn vertraglich wurde ein Bonus-Malus-Regelung beschlossen: Bei Verzögerung gibt es Kürzungen, ist man schneller fertig, eine Prämie.
„Wir kommen gut voran, das Wetter spielt mit“, sagt Pilz. Anders als im verregneten Sommer letztes Jahr. Trotzdem wurde die Deges damals auf der Fahrbahn Nord zwei Wochen früher fertig – ein Erfolg, von dem das Land Berlin bei seinen Infrastrukturvorhaben nur träumen kann.
Künftig soll die Bundesbaugesellschaft weitere Vorhaben auf den Bundesfernstraßen in Berlin übernehmen, etwa auf der A111 oder am Dreieck Funkturm. Seit 2014 ist Berlin Gesellschafter bei der Deges und kann Aufträge an diese direkt vergeben, ohne sie auschreiben zu müssen.
Ab 2023 – so zumindest die Hoffnung der Senatsverkehrsverwaltung – wird die Deges dann mit dem Neubau der Wissell-Brücke starten können. Statt einer führen dann zwei Brücken über die Spree. Die alte, marode Brücke wird peu à peu abgerissen, ein logistischer Kraftakt, will man den Verkehr am drittmeist befahrenen Autobahnabschnitt Deutschlands nicht komplett lahmlegen.
Einen Eindruck von den Einschränkungen, die auf sie zukommen, können sich die Berliner aber auch jetzt schon machen. In Richtung Süden steht aktuell nur eine, in der Gegenrichtung zwei statt drei Spuren zur Verfügung. Die Auffahrt Spandauer Damm in Richtung Nord ist gesperrt, zudem werden aus Wedding kommende Lkw über 3,5 Tonnen umgeleitet: über die Beusselstraße zur Anschlussstelle Saatwinkler Damm, wo sie auf die A111 fahren müssen, um von dort auf die A100 zu gelangen.
Autofahrer wegen Baustelle nicht mehr so aggressiv
Trotzdem halten sich die Staus laut Verkehrsinformationszentrale insgesamt in Grenzen, zum Ferienstart wurden jedoch längere Wartezeiten vermeldet. Doch insgesamt, so Pilz, laufe es aktuell flüssiger als im vergangenen Jahr, „die Umfahrungsmöglichkeit werden besser genutzt“. Dicht werde es vor allem zwischen 7 und 10 Uhr sowie ab 14.30 Uhr.
Einen netten Nebenaspekt hat der Ingenieur noch ausgemacht: Die Autofahrer sind nicht mehr so aggressiv.
Freie Fahrt
Wieder drei Spuren: Während es auf der Baustelle Wissell-Brücke noch einen guten Monat Einschränkungen gibt, ist ein anderer Abschnitt der Stadtautobahn seit dem gestrigen Freitag wieder voll befahrbar. Zwischen der Anschlussstelle Schmargendorf und der Anschlussstelle Innsbrucker Platz war die A100 seit dem 5. Juli auf nur auf einer Spur passierbar, die Einfahrt zur Anschlussstelle Detmolder Straße zudem gesperrt. Wie die Senatsverkehrsverwaltung mitteilte, enden die Arbeiten planmäßig.