Berlin. Am Mittwoch hat die Berliner S-Bahn die Qualitätsoffensive “S-Bahn Plus“ vorgestellt. Ein Programm für mehr Pünktlichkeit und Service.

„Achtung, Türen können automatisch öffnen!“ Auf diese Durchsage sollten sich S-Bahn-Kunden ab Montag einstellen. Dann startet die S-Bahn Berlin ein Verfahren, das es in der Hauptstadt so noch nicht gegeben hat. Bei Einfahrt des Zuges in einen S-Bahnhof werden sich – anders als bisher – Türen nicht nur einzeln auf Knopfdruck, sondern alle gleichzeitig öffnen.

Damit will die S-Bahn erreichen, dass sich nicht vor einzelnen Türen dicke Menschentrauben bilden und die Fahrgäste insgesamt schneller ein- und aussteigen. Das wiederum könnte die Haltezeit des Zuges verkürzen und damit dessen Pünktlichkeit im dicht getakteten Fahrplan verbessern.

Erprobt werden soll das „Zentrale Öffnen der Türen“ während des Berufsverkehrs sowie auf allen Stationen zwischen Ostkreuz und Hauptbahnhof. Die Ost-West-Trasse wird von gleich fünf S-Bahnlinien genutzt, die Züge fahren teils im Abstand von 90 Sekunden. Schon die Verspätung einer Bahn reicht aus, um den Fahrplan den gesamten Tag durcheinander zu bringen.

Bahn will 32 Millionen Euro investieren

Der Pilotversuch ist einer von insgesamt 180 „Bausteinen“, mit denen die S-Bahn die Zahl der Störungen und Verspätungen in ihrem Netz kurzfristig verringern will. Unter anderem sollen die teils veralteten Züge technisch aufgemöbelt, Anzeigen auf Bahnsteigen erneuert sowie Kabel und Signale modernisiert werden, wie der Bahn-Bevollmächtigte für Berlin, Alexander Kaczmarek, am Mittwoch ankündigte. In das Qualitätsprogramm „S-Bahn Plus“ will der Bahnkonzern nach eigenen Angaben rund 32 Millionen Euro investieren. Auf der Aufgabenliste, die bis 2025 abgearbeitet werden soll, steht auch eine Ausbildungsoffensive, um vor allem Lokführer zu gewinnen.

Nahverkehrskunden in Berlin und Brandenburg klagen bereits seit Langem über Zugausfälle und Verspätungen bei der S-Bahn Berlin. So war es der 100-prozentigen Tochter der Deutschen Bahn (DB) im Vorjahr nur in drei von zwölf Monaten gelungen, die vertraglich zugesicherte Pünktlichkeitsquote von 96 Prozent einzuhalten. Auch im ersten Halbjahr dieses Jahres fuhren nur 94,5 Prozent aller Züge ohne Verspätung, das liegt noch unter dem Vorjahresmittel von 94,7 Prozent. Wobei die S-Bahn eine Fahrt erst als verspätet wertet, wenn sie vier Minuten oder mehr vom Fahrplan abweicht.

„Mit unserer Leistung sind wir nicht immer zufrieden und haben daher noch einmal alles auf den Prüfstand gestellt“, sagte dazu S-Bahn-Geschäftsführer Peter Buchner. „Das Ergebnis ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog, von dem wir uns deutliche Verbesserungen in allen Bereichen versprechen.“

S-Bahnhof Neukölln bekommt Überwachungskameras

Mehr tun will die S-Bahn dabei auch für das Sicherheitsgefühl ihrer Fahrgäste. So soll etwa der S-Bahnhof Neukölln mit Überwachungskameras ausgestattet werden. Bislang werden im S-Bahn-Netz nur große Stationen wie Hauptbahnhof oder Südkreuz videoüberwacht. Die Kamera-Bilder sollen 48 Stunden gespeichert und bei Bedarf von der Polizei zur Aufklärung von Straftaten abgerufen werden.

Der verkehrspoltische Sprecher der SPD, Timo Schopf, lobte die angekündigte Qualitätsoffensive der S-Bahn. „Endlich ist in den Geschäftsbereichen der DB der Gedanke gereift ist, dass sich die vielfältigen Probleme nur gemeinsam und in enger Abstimmung lösen lassen.“ Schopf begrüßte auch, dass die auch angekündigten Durchfahrten ohne Halt vom Tisch seien. Die S-Bahn wollte damit die Pünktlichkeit auf der besonders störanfälligen Ringbahn verbessern, verzichtete nach heftigen Fahrgast-Protesten nun aber auf diesen ab Ende Juli geplanten Test.

Auch der Fahrgastverband Igeb begrüßte die Pläne von DB und S-Bahn. Igeb-Vorsitzender Christfried Tschepe betonte aber auch, dass das Qualitätsprogramm in seinen Augen nicht weit genug geht. Noch immer behinderten beispielsweise Nachkriegsprovisorien wie die vielen eingleisigen Strecken den Betrieb. „Das größte Problem der Berliner S-Bahn, Deutschlands S-Bahn mit den meisten Fahrgästen, ist die unzureichende Streckeninfrastruktur“, teilte Tschepe mit.

Einige Beispiele des Programms im Überblick

An den Bahnhöfen

  • Mehr Personal und Reinigungseinsätze an Bahnhöfen
  • Bauliche Aufwertung von 17 Bahnhöfen (Schwerpunkt Zugangsbereiche), Wandgestaltung an weiteren Stationen
  • Erneuerung von Fahrgastinformationsanlagen
  • Zusätzliche Sicherheitskräfte als Pilotprojekt an Bahnhöfen wie Warschauer Straße und Alexanderplatz, ergänzend zu
  • fünf S-Bahnwachen und mobile Unterstützungsgruppen
  • Bahnsteig-Endtüren sollen das unberechtigte Betreten von Gleisanlagen verhindern. Der Pilot startet am Ostbahnhof.

Im Zug

  • Zusätzliche Triebfahrzeugführer
  • Zentrales Öffnen der Türen in der Hauptverkehrszeit auf wichtigen Bahnhöfen (Test ab 23. Juli zwischen Ostkreuz und Hauptbahnhof)

Im Netz und an der Energieversorgung

  • Ausbau der vorausschauenden Instandhaltung
  • Modernisierung und Ausbau von IT, Energieversorgung, Netztechnik
  • Kürzere Wartungsintervalle bei der Infrastruktur
  • Ausbau der Energieversorgung durch 22 zusätzliche Gleichstromunterwerke
  • Errichtung einer zentralen Schnittstelle für alle 14 elektronischen Stellwerke zur schnelleren Störungsermittlung
  • Austausch von 915 störanfälligen Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik

Am Fahrzeug

  • Erneuerung von Türrelais zur deutlichen Reduzierung von Türstörungen bei der Baureihe 481
  • Vorziehen von Maßnahmen zur Vermeidung hitzebedingter Zugausfälle (aufwändige Belüftungseinrichtung für Technikschränke in der BR 481)

Außerdem bereits laufende Maßnahmen (im Rahmen der Verkehrsverträge):

  • Beschaffung neuer Fahrzeuge (BR 483/484) und Anpassung der Werkstatt Grünau (900 Millionen Euro)
  • Bis 2023 umfassende technische Überholung der Baureihen 480, 485 und 481 (250 Millionen Euro).

Investitionen

  • S-Bahn Berlin GmbH: mindestens 1,4 Millionen Euro
  • DB Netz AG: ca. 20 Millionen Euro
  • DB Station&Service AG: 11 Millionen Euro
  • DB Energie GmbH: 230 Millionen Euro (öffentliche Mittel)
  • Insgesamt fließen bis 2023 im Rahmen der Verkehrsverträge rund 1,1 Milliarden Euro in die S-Bahnflotte (Ertüchtigung alter Baureihen und Beschaffung von Neufahrzeugen).

Mehr zum Thema:

S-Bahn stoppt Pilotprojekt: Keine Durchfahrt an Bahnhöfen

S-Bahn hält zwei Wochen lang nicht am Bahnhof Zoo