Berlins rot-rot-grüner Senat will die Suche nach Unterkünften für wohnungslose Menschen vereinfachen. Ziel ist, eine Datenbank aller Schlafplätze, Wohnungen und Obdachloseneinrichtungen in der Stadt aufzubauen, mit deren Hilfe eine zentrale Stelle die Zuweisung von Obdachlosen vornimmt. Idealerweise sollen die Bezirksämter später „per Knopfdruck“ sehen, wo es in der Stadt Kapazitäten gibt, wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Dienstag sagte.
Das Computersystem ist Teil einer neuen gesamtstädtischen Steuerung zur Unterbringung von Wohnungslosen, die Breitenbach in den kommenden zwei Jahren erarbeiten möchte. „Wir wollen Arbeitsprozesse, Strukturen und entsprechende IT-Verfahren entwickeln, damit wir Menschen, die wohnungslos sind oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind, eine Unterkunft zuweisen können, die ihren Bedürfnissen entspricht“, sagte sie.
Allzu bald wird das neue System jedoch keine Abhilfe schaffen, zunächst müssten die Einrichtungen katalogisiert werden, vorab ist ein Testlauf geplant. „Wir gehen davon aus, dass es mindestens bis 2020 dauert, bis wir einen Endbericht haben“, so Breitenbach. Erst danach lasse sich das neue Computerprogramm real in der Praxis einsetzen.
Bis zu 10.000 Obdachlose leben auf Berlins Straßen
Aktuell gibt es weder eine Übersicht aller Unterkünfte in den Bezirken noch eine genaue Zahl derer, die in ihnen unterkommen müssen. Laut Sozialverwaltung leben derzeit knapp 37.000 Menschen ohne festen Wohnsitz in Notunterkünften, darunter etwa 6500 anerkannte Asylbewerber. Insgesamt handelt es sich um 20.576 Haushalte, ein Fünftel davon mit Kindern. Hinzu kommen Obdachlose, die direkt auf der Straße leben – oder in den Parks und Grünanlagen Berlins kampieren. Sie werden bislang nicht gezählt, Experten gehen aber von 4000 bis 10.000 aus.
Für die Unterbringung all dieser Menschen sind in Berlin die Bezirke zuständig. Weil es aber nicht genügend Unterkünfte gebe, bereite diese Aufgabe den Kommunen große Probleme, sagte Breitenbach. „Sehr viele der statusgewandelten Geflüchteten bleiben deshalb jetzt in den Unterkünften des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)“, so die Senatorin.
„Andere Wohnungslose kommen oft in vertragslosen Einrichtungen oder Hostels unter.“ Bei letzteren gebe es häufig aber Probleme, was die Qualitätsstandards und die Kosten angeht: Die Einrichtungen böten nicht selten ausschließlich ein Dach über dem Kopf, Betroffene lebten bisweilen in „elenden Unterkünften“. Gleichzeitig erhöhten die Träger die Preise für die Unterbringungen. Breitenbach: „Auch aus diesem Dilemma wollen wir mit der gesamtstädtischen Steuerung herauskommen.“
Drei-Schritte-Plan für ein Zentralregister bis 2020
Konkret plant ihre Verwaltung drei Schritte. Zunächst soll ein theoretisches Konzept mit den Bezirken erarbeitet, das neue Computerprogramm entwickelt werden. Im Anschluss will Breitenbach den Testlauf wagen: Die Bezirksämter sollen erste digitalisierte Daten zu Einrichtungen und Heimen in dem Zentralsystem abrufen können, um so auszuprobieren, ob die Software funktioniert. Im letzten Schritt werde alles in die Realität übertragen, sodass 2020 die zentrale Steuerung anläuft. „Am Ende wollen wir ein Portfolio von Einrichtungen haben, die bestimmte Qualitätsstandards erfüllen“, sagte Breitenbach. Das heiße auch, dass alle Träger auf den Prüfstand kommen – erfüllen sie die Anforderungen nicht, werden sie nicht ins Zentralregister aufgenommen.
Die Berliner Stadtmission, die viele Einrichtungen für Obdachlose und Wohnungslose betreut, findet die Pläne gut. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Stadtmissionssprecherin Ortrud Wohlwend der Berliner Morgenpost. „Gerade die Überprüfung der Träger halten wir für wichtig, weil es in Berlin Einrichtungen gibt, in denen die Betroffenen nur leben, aber sonst keine Hilfe bekommen.“ Gleichwohl mahnte sie, dass es grundsätzlich mehr Geld brauche, um das Angebot an Unterkünften auszubauen. „Wir benötigen in der Stadt viel mehr kleinere Einrichtungen, und zwar aufgeteilt auf alle Bezirke“, so Wohlwend. „Jeder Mensch muss einzeln betrachtet werden, ist ein Betroffener etwa in Mitte heimisch, sollte geprüft werden, ob ein Heim in Zehlendorf dann eine gute Option ist.“
Seit Längerem leben auch viele polnische Obdachlose in Berlin, Schätzungen zufolge sind es bis zu 2000. Um sie besser zu betreuen, arbeiten seit Kurzem auch zwei polnische Sozialarbeiter in Berlin, bezahlt werden sie aus dem polnischen Staatshaushalt. Die Zusammenarbeit laufe gut an, sagte Breitenbach. Gleichzeitig betonte sie, dass die Spielregeln für den Umgang mit den Wohnungslosen von Berlin bestimmt würden.
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