Berlin. „Nirgends in diesem Land gibt es einen Ort, an dem man den Inhalt des Wortes Exil an einzelnen Schicksalen entlang darstellen kann. In einem Exilmuseum könnten sich die jüngeren Deutschen ein Bild machen. Es wäre Erziehung zur Anteilnahme.“ Das schrieb Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller bereits 2011 in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Inzwischen hat sich eine private Initiative zur Aufgabe gemacht, ein solches Exilmuseum in Berlin aufzubauen. Längere Zeit war geplant, es in einer Stadtvilla an der Fasanenstraße 24 (Charlottenburg) zu etablieren, dem heutigen Sitz des Käthe-Kollwitz-Museums. Nun wurde bekannt, dass die in Gründung befindliche Stiftung Exilmuseum Berlin inzwischen einen Neubau präferiert. Wunschstandort der Stiftung ist eine Freifläche hinter der Portalruine des Anhalter Bahnhofs. Im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg begegnet man dem Projekt mit großer Sympathie.
Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt habe, desto klarer sei geworden, dass die Räume an der Fasanenstraße angesichts des Umfangs der Aufgabe für das Exilmuseum nicht ausreichen würden, erläuterte Bernd Schultz die Planungsänderung. Der Kunsthändler und Mitbegründer der Villa Grisebach ist stellvertretender Vorsitzender der Stiftung. Nachdem sich die Nutzung einer anderen Immobilie zerschlagen habe, sei die Idee für einen Neubau entstanden. Das Museum soll ein Ort sein, der den Inhalt des Wortes Exil begreifbar macht und so ein Zeichen gegen Totalitarismus und Inhumanität setzt. Im Zentrum der Ausstellung sollen die Schicksale einzelner Menschen stehen. Das Exil nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 soll exemplarisch in den Mittelpunkt gestellt, zugleich der Blick für die Fluchtschicksale heutiger Zeit geweitet werden.
Ein authentischer Ort mit der Aura des Transits
Der Standort am Anhalter Bahnhof sei ideal, sagte Schultz der Berliner Morgenpost. Er besitze eine Aura und sei authentisch. Von diesem Zentralbahnhof aus seien in der Zeit des Nationalsozialismus Zehntausende ins Exil gegangen und ins Ungewisse aufgebrochen. Diesen Aufbruch symbolisiere die Portalruine. Zudem sei der Anhalter Bahnhof von Museen und Institutionen umgeben, zu denen eine thematische Verbindung bestehe. Dazu gehörten das Dokumentationszentrum der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, die Topographie des Terrors, die davon erzähle, wovor die Emigranten flüchten mussten, und der Martin-Gropius-Bau als erfolgreiches Ausstellungshaus.
Präzise handelt es sich bei dem ins Auge gefassten Standort um eine Freifläche zwischen dem Lilli-Henoch-Sportplatz und der denkmalgeschützten Ruine. Planungsrechtlich gilt sie zwar als Grünfläche, tatsächlich handelt es sich aber um einen rund 4300 Quadratmeter großen, wenig einladenden Schotterplatz.
Vertreter der Stiftung haben ihr Projekt im bezirklichen Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Die von Florian Schmidt (Grüne) geführte Bauabteilung formulierte bereits eine Änderung des Bebauungsplanes, damit aus der Grün- eine Museumsfläche werden kann. In diesem Aufstellungsbeschluss steht ebenfalls, der Standort „eignet sich aufgrund seiner Historie und der Lage besonders für die Errichtung eines Exilmuseums“. Weiter heißt es, geplant sei ein Bau mit etwa 5000 Quadratmeter Geschossfläche. Die Ausgestaltung des zukünftigen Baukörpers sowie die Planung der Außenflächen würden im Rahmen eines Architektenwettbewerbes geklärt. Als Ausgleich für den Verlust der Freifläche schlägt das Bauamt vor, den südlichen Teil des Askanischen Platzes als „Grünanlage mit Platzcharakter“ umzugestalten. Die Änderung des Bebauungsplanes wird nun in Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlung erörtert.
Es gebe noch keinen Entwurf, wie das Museum aussehen könnte, bestätigte Bernd Schultz. Die Bezirksverordneten sollten keinen Anlass haben, sich bevormundet zu fühlen. Bekomme die Stiftung das Baurecht, würden Architekten zu einem Wettbewerb eingeladen. Der könne dann in den kommenden zwölf bis 18 Monaten ausgelobt werden. Klappt alles, rechnet Schultz mit einer Eröffnung des Museums zwischen 2023 und 2025.
Das Exilmuseum soll über die Stiftung finanziert werden. Eine wesentliche Rolle spielt dabei Bernd Schultz, der private Mittel in Millionenhöhe als Anschubfinanzierung in das Projekt steckt. Ende Oktober wird seine Kunstsammlung im Auktionshaus Grisebach verkauft. Am geplanten Auszug des privaten Käthe-Kollwitz-Museums aus dem Grisebach-Ensemble an der Fasanenstraße ändere die Präferenz für einen Neubau nichts, sagte Bernd Schultz der Berliner Morgenpost. Das Museum soll Ende 2019 zum Schloss Charlottenburg umziehen, in eine landeseigene Immobilie am Spandauer Damm 19. Diese Räume seien geeigneter, größer und zudem barrierefrei, sagte Schultz. Auch Eberhard Diepgen, ehemaliger Regierender Bürgermeister und Vorstandsvorsitzender des Käthe-Kollwitz-Museums, befürwortete die Planung. Schultz will die freien Räume nach einem Umbau an eine Kulturinstitution vermieten. Die Einnahmen sollen in das Exilmuseum fließen.