Verkehrssicherheit

Berlins Dekra-Chef: Lkw-Abbiegeassistent muss schnell kommen

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Thomas Fülling
Der Lkw-Abbiegeassistent sollte nicht mehr so lange auf sich warten lassen, findet der Dekra-Experte.

Der Lkw-Abbiegeassistent sollte nicht mehr so lange auf sich warten lassen, findet der Dekra-Experte.

Foto: imago stock / imago/Olaf Selchow

Der Dekra-Experte fordert mehr Einsatz für Verkehrssicherheit. Er ist für eine rasche Einführung eines Abbiegeassistenten für Lkws.

Berlin. Trotz eines Rückgangs bei den Verkehrstoten in der Stadt hat der Leiter der Berliner Dekra-Niederlassung, Mario Schwarz, größere Anstrengungen für mehr Verkehrssicherheit gefordert.

Helfen könnte dabei insbesondere die rasche Einführung eines elektronischen Abbiegeassistenten für Lastwagen. Mit dieser einfachen technischen Lösung könnten Fahrradfahrer besser vor rechtsabbiegenden Lkw geschützt werden, daher müsse jetzt wirklich etwas passieren, sagte Schwarz am Donnerstag bei der Vorstellung des Verkehrssicherheitsreports für 2018.

Das aktuelle Verfahren der Bundesregierung dauere „einfach zu lange“. Erst vor Kurzem hatte der Berliner Senat eine entsprechende Bundesratsinitiative für den Lkw-Abbiegeassistenten gestartet.

Pflicht für Abbiegeassistent lässt weiter auf sich warten

Die Europäische Union (EU) will eine Pflicht für den Assistenten bei neuen Lastkraftwagen erst ab 2022 erlassen. Die Bundesregierung wäre zwar für eine schnellere Einführung, verweist aber auf die dafür nötige EU-Regelung. Auch das Argument der Lkw-Hersteller, der Einbau des Abbiegeassistenten würde erhebliche Mehrkosten verursachen, lässt der Dekra-Experte nicht gelten.

So würden Assistenten, die – wie bei vergleichbaren Pkw-Systemen – nicht auf Kameratechnik, sondern auf Radar- oder Infrarot-Sensoren basieren, höchstens 200 bis 300 Euro kosten. Der Lkw-Hersteller Mercedes hatte vor Kurzem noch angegeben, dass die Einbaukosten für ein solches Assistenzsystem bei rund 2300 Euro pro Fahrzeug liegen würden.

„Ich fahre selber Lkw. Und beim Rechtsabbiegen habe ich immer ein mulmiges Gefühl. Selbst bei den jetzt schon vorgeschriebenen vier Seitenspiegeln gibt es einen toten Winkel, in dem jederzeit ein Radfahrer stehen kann“, sagte Schwarz. Daher seien auch für Lkw-Fahrer Assistenten, die optisch und akustisch vor einem Zusammenstoß warnen, eine große Hilfe.

Hauptursache für Lkw-Unfälle

Fehler beim Abbiegen sind laut Dekra „mit großem Abstand“ die Hauptursache für Lkw-Unfälle, bei denen Radfahrer zu Schaden kommen. Schulz regte deshalb an, nicht nur die neuen Lastwagen mit Abbiegeassistenten auszurüsten, sondern auch die Nachrüstung älterer Lkw zu fördern, weil die Übergangszeit sonst viel zu lange wäre. Ähnliches habe es schließlich auch bei der Nachrüstung mit Abgasfiltern gegeben. „Mit dem Assistenten lassen sich Menschenleben retten, daher ist das gut eingesetztes Geld“, so Schwarz.

Für Berlin macht der Dekra-Report widersprüchliche Tendenzen bei der Verkehrssicherheit aus. Positiv sei demnach der spürbare Rückgang von tödlich Verunglückten. Deren Zahl sank von 56 (2016) auf 36 im vorigen Jahr, ein Rückgang von fast 36 Prozent. „Jeder Verkehrstote ist einer zu viel, aber der überproportionale Rückgang ist überaus erfreulich“, sagte Schwarz.

Demgegenüber stehe jedoch eine Zunahme an Schwerverletzten im Straßenverkehr. Deren Zahl ist von 2086 (2016) auf 2317 im Vorjahr gestiegen, ein Plus von elf Prozent. „Das ist ein ernst zu nehmendes Thema, stehen doch dahinter ganz schwere Einzelschicksale“, so Schwarz.

Zehn Verkehrstote je eine Million Einwohner

Nirgend in Deutschland gibt so wenig Verkehrstote wie in Berlin. Wurden in der Hauptstadt zehn Verkehrstote je eine Million Einwohner registriert, sind es im Bundesdurchschnitt 38. Auch die beiden anderen Stadtstaaten Hamburg (15 Verkehrstote je eine Million Einwohner) und Bremen (19 Verkehrstote), die ein ähnlich engmaschiges Rettungsnetz haben, liegen deutlich hinter Berlin.

Am Ende des Vergleichs liegen – wenig überraschend – die ostdeutschen Bundesländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt (je 59 Verkehrstote pro eine Million Einwohner). Nur das frühere Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern konnte sich etwas verbessern. Doch auch dort sind es immer noch 49 Verkehrstote auf eine Million Einwohner.

Neben der raschen Einführung eines Abbiegesystems für Lkw fordern die Dekra-Experten zudem, dass Assistenzsysteme, die vom Fahrer abgeschaltet werden, sich nach wenigen Sekunden automatisch wieder einschalten. Hintergrund ist die Praxis, dass etwa Notbremssysteme, wie sie bereits seit 2013 für schwere Lkw vorgeschrieben sind, von den Lkw-Fahrern außer Betrieb gesetzt werden, um zum Beispiel auf Autobahnen dichter auf den Vordermann auffahren zu können.

Jeder muss was tun

Gleichzeitig appellierte Schwarz, nicht nur auf die Technik zu setzen. „Wenn das kein Schlachtfeld werden soll, muss jeder was tun“, sagte er über den zunehmenden Verkehr in der Berliner Innenstadt.

Als Beispiel nannte er ein viel diskutiertes Helmkamera-Video, das jüngst zeigte, wie im Bereich einer Baustelle auf der Greifswalder ein Lastwagen zwei Radfahrer gefährlich nahe kam. „Die Radfahrer haben da voll draufgehalten, der Lkw-Fahrer hatte keine Chance, ihnen an dieser Stelle auszuweichen“, sagte Schwarz.

Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gelte auch für Fahrradfahrer. „Die Verbände müssen da auch in den eigenen Reihen mehr Aufklärungsarbeit leisten“, forderte der Dekra-Experte.

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