Prozess

Angriff auf Kippa-Träger: "Ich fühlte mich im Recht"

| Lesedauer: 5 Minuten
Michael Mielke
Das Video zeigt den Übergriff in Prenzlauer Berg. Der Angreifer schlug mehrmals mit einem Gürtel auf einen Kippa tragenden Israeli ein. Das Opfer filmte die Tat (Archivbild)

Das Video zeigt den Übergriff in Prenzlauer Berg. Der Angreifer schlug mehrmals mit einem Gürtel auf einen Kippa tragenden Israeli ein. Das Opfer filmte die Tat (Archivbild)

Foto: Screenshot JDFA

Knaan Ai S. attackierte einen 21-Jährigen Israeli, der eine Kippa trug. Seit Dienstag steht der 19-Jährige in Moabit vor Gericht.

Berlin. Janina L. ist eine couragierte Frau. Die 44-jährige Hamburgerin saß am 17. April dieses Jahres in einem Restaurant unweit der Raumerstraße in Prenzlauer Berg. Zunächst seien ihr die beiden jungen Männer mit der Kippa aufgefallen, sagte sie am Dienstag vor einem Moabiter Jugendschöffengericht. Wenig später habe sie drei mit Koffern und Taschen beladene junge Männer auf der anderen Straßenseite gesehen, die auf Arabisch laut schimpften. „Es war mir sehr schnell klar geworden, in welche Richtung das ging“, sagte sie.

Die Werbefachfrau gilt als wichtige Zeugin in einem Prozess gegen den 19-jährigen Knaan Al S, der an diesem Tag einen 21-Jährigen, der eine Kippa trug, antisemitisch beleidigt und mit einem Gürtel heftig geschlagen haben soll. Die Anklage lautet gefährliche Körperverletzung und Beleidigung. Dabei kann sich die Staatsanwaltschaft auf ein Handyvideo stützen, dass das Opfer Adam A. während des Angriffs aufgenommen hat. Diesen Film hatte er später ins Internet gestellt. Auch vor Gericht wurde er mehrfach betrachtet.

Wie es zu dem antisemitischen Angriff in Prenzlauer Berg kam
Wie es zu dem antisemitischen Angriff in Prenzlauer Berg kam

Knaan Al S. hat die Vorwürfe dann auch gleich zu Prozessauftakt zugegeben. „Ich entschuldige mich, dass ich ihn geschlagen habe“, sagte er, und dass er sich „im Recht gefühlt“ habe, weil er zuvor beleidigt worden sein. Den Vorwurf, dass der Angriff einen antisemitischen Hintergrund habe, wies er zurück. „Für mich sind aller Menschen gleich. Juden, Christen, und alle anderen. Wenn ich was gegen Juden hätte, wäre ich doch nicht nach Deutschland, sondern nach Palästina gegangen.“ Seine Familie lebt in Syrien und hat palästinensische Wurzel. „Meine Eltern haben gesagt, ich soll nach Deutschland flüchten und mich dort in Sicherheit bringen“, sagte er. Das hätten er und ein Bruder 2015 getan.

Am 14. April half Knaan Al S. einem Cousin bei dessen Umzug in eine Wohnung in Prenzlauer Berg. Er, der Cousin und ein Freund des Cousins waren mit Koffern und Taschen beladen. Es sei ein langer Fußmarsch gewesen; für Knaan Al S besonders belastend, weil er nach eigener Aussage vorher heimlich gekifft und Ecstasy genommen. Am Ende habe er dem Cousin Vorwürfe gemacht, dass es so lange dauere. Das war schon in der Raumerstraße. Dabei habe er ihn auch auf Arabisch beschimpft. Sehr drastisch. Unter anderem soll auch der Satz „ich verfluche deine Juden“ gefallen sein. Sein Cousin soll aber gewusst haben, dass er es nicht so meinte, und nur gegrinst haben.

Und dann habe es plötzlich Beschimpfungen von einem der Jungs auf der anderen Straßenseite gegeben, so der Angeklagte. Ebenfalls auf Arabisch, ebenfalls drastisch. Er habe sich umgeschaut und vergewissert, ob vielleicht ein anderer gemeint sein könnte. Aber es war niemand anderes da. Er habe sich vergewissert: „Meinst du mich?“ Und der andere habe erwidert: „Ja, dich, du Hurensohn!“

Die Kippa will Kaan Al S. erst später gesehen haben

Worauf Knaan Al S. wütend über die Straße lief, den Gürtel aus der Hose zog und brüllte: „Warum beschimpfst du mich? Ich habe dir nichts getan!“ Anschließend habe er drei Mal zugeschlagen. Und erst vor dem letzten Schlag will er gesehen haben, dass Adam A. eine Kippa trug. Deswegen habe er auch das Wort „Jude“ gerufen..

Ob „Jude“ für ihn ein Schimpfwort sei, wollte der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts Günter Räcke wissen. Er sehe das nicht als Schimpfwort, antwortete Knaan Al S. Es sei nur so ein Spruch. Und auf skeptische Nachfrage des Richters: Ja, es sei schon ein Schimpfwort, aber eben nur so dahin gesagt, es beziehe sich nur auf eine Person, über die man sich gerade ärgere, nicht auf alle Juden. Das sei üblich , auch sein Vater benutze dieses Wort als Schimpfwort.

Adam A. hat den Fall anders in Erinnerung. Der Student für Tiermedizin sagte vor Gericht, sagte vor Gericht, „Ich würde die Kippa nicht wieder aufsetzen, wenn ich allein bin“. Am 17. April habe er gerade auf seinem Handy etwas gelesen, als er plötzlich das Wort „Schlampe“ auf Arabisch hörte. Wenig später sei Knaan Al S. auf ihn zugerannt, habe ihn beschimpft und ihn mindestens zehn Mal mit dem Gürtel geschlagen. Dass sein Begleiter, ein Deutsch-Marokkaner , Knaan Al S. vorher vielleicht tatsächlich beleidigte, hatte der Israeli nicht gehört. Richtig ist jedoch, dass Knaan Al S. auf dem Video beim Heranstürmen schreit: „Warum beleidigst du uns?“

Janina L.,war damals aus dem Restaurant sofort zu den Männern gerannt und hatte auf Englisch geschrien, dass sie die Polizei rufen werde. Zu dem Angeklagten habe sie gesagt: „Wir sind hier in Deutschland und dulden so etwas nicht!“ Er habe geantwortet: „Ich bin Palästinenser.“ Worauf sie erwiderte: „Das ist mir egal.“ Er sei drohend näher gekommen, sagte sie. „Da habe ich schon Angst bekommen.“ Der Prozess wird am 25. Juni fortgesetzt.

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