Morgenpost-Leserforum

Kriminalität: Wie sicher ist Berlin?

| Lesedauer: 4 Minuten
Andreas Abel; Ulrich Kraetzer
Umfrage: So sicher fühlen sich Berliner in der Hauptstadt

Umfrage: So sicher fühlen sich Berliner in der Hauptstadt

Der Nollendorfplatz ist einer der acht kriminalitätsbelasteten Orte Berlins. Wir haben Passanten gefragt: Wie sicher fühlen Sie sich in Berlin?

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Eine Debatte der Berliner Morgenpost über innere Sicherheit. Es gibt kaum Statistiken zur organisierten Kriminalität.

Berlin. Als Marian S. im Mai vergangenen Jahres festgenommen wurde, freuten sich nicht nur die Ermittler des Landeskriminalamtes – auch Berliner und Touristen konnten aufatmen. Denn der 42-Jährige hatte Passanten über Monate die Portemonnaies aus der Tasche gezogen – und nicht nur er. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass S. mit rund einem Dutzend Komplizen unterwegs war.

Die Bande folgte damit einem Trend, den Kriminalisten seit vielen Jahren beobachten. Selbst bei sogenannten Bagatelldelikten handeln die Täter demnach oft nicht auf eigene Rechnung, sondern als Teil einer häufig hochprofessionell organisierten Bande. So ist es beim Einbruch in Wohnräumen, beim Fahrrad- und Autoklau und eben beim Taschendiebstahl.

Eindeutige Zuordnungen sind nicht mehr möglich

Umso bemerkenswerter erscheint es, dass die Berliner Polizei die organisierte Kriminalität und die Bandenkriminalität in der jährlich erscheinenden Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) seit 2011 nicht mehr gesondert erfasst. Laut der noch unveröffentlichten Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage der FDP werden die Delikte „Bandendiebstahl“ und „Diebstahl mit Waffen“ seit 2011 meist zusammengefasst. Eindeutige Zuordnungen sind somit nicht mehr möglich.

Ein Beispiel: In der Kategorie „Sonstiger Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, schwerer Bandendiebstahl“ gab es 2016 einen Anstieg von 257 auf 472 Fälle. Ob die Zunahme daran lag, dass die Täter häufiger Waffen nutzten, oder ob sie häufiger als Bande agierten, ist aus der Statistik nicht ablesbar. Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe, der die Anfrage gestellt hatte, bezeichnete das als Methode „Vogel Strauß“. „Wenn die Polizei das Problem nicht mehr richtig erfasst, ist sie auch nicht mehr in der Lage, wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Luthe.

Auf die Genauigkeit im Berichtswesen früherer Jahre verzichtet die Polizei offenbar auch beim Thema organisierte Kriminalität. Bis 2013 habe es ein eigenes Lagebild gegeben – also einen detaillierten und regelmäßig erscheinenden Bericht über die wesentlichen Entwicklungen in diesem Bereich der Kriminalität. Aktuell, so liest sich die Antwort der Innenverwaltung, verzichtet die Polizei dagegen offenbar darauf. Ein Unding, findet der FDP-Abgeordnete Luthe. Dass Berlin ein wichtiger Schauplatz der organisierten Kriminalität sei, sei bekannt. „Der Senat und die Polizei verschließen davor offenbar die Augen“, sagt Luthe. Auch zur Bandenkriminalität gibt es aktuell kein Lagebild. Das letzte wurde laut Innenverwaltung im Jahr 2000 erstellt.

Zur Diskussion kommt auch der Innensenator

Welche Straftaten nehmen zu, welche ab? Ist unser Leben gefährlich geworden? Verfolgen der Senat und die Polizei die richtigen Strategien? Brauchen wir mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen? Und: Wie groß ist die abstrakte Terrorgefahr in Berlin? Kriminalität und Sicherheit sind Topthemen, die vielen Fragen, die sich dabei stellen, ein guter Grund, sich mit der Situation und Lösungsvorschlägen in einem öffentlichen Forum zu beschäftigen. Die Berliner Morgenpost bietet ihren Lesern die Möglichkeit, sich am Mittwoch, 20. Juni, aus erster Hand zu informieren und mit unseren Experten zu diskutieren.

Unser nächstes Leserforum „Morgenpost vor Ort“ heißt: „Wie sicher ist Berlin?“. Es beginnt um 19 Uhr im Zoo Palast an der Hardenbergstraße 29 A. Auf dem Podium diskutieren: Innensenator Andreas Geisel (SPD), Berlins neue Polizeipräsidentin Barbara Slowik, der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Justizsenator Thomas Heilmann, Martina Linke, Berliner Vizevorsitzende des Vereins Weißer Ring, sowie der Innen- und Extremismusexperte der Berliner Morgenpost, Ulrich Kraetzer. Moderator ist Hajo Schumacher, Publizist und Kolumnist der Berliner Morgenpost.

Nach der etwa 70 Minuten langen Podiumsdiskussion können die Teilnehmer im Publikum mitdebattieren. Die Teilnahme ist wie immer kostenlos. Sie müssen sich nur anmelden. Wie das geht, lesen Sie im Infokasten in der Mitte dieses Textes. Wir möchten am 20. Juni über die Alltagskriminalität in den Kiezen der Stadt sprechen und über den Personalbedarf der Polizei. Jugendliche Serientäter sollen ebenso ein Thema sein wie kriminelle Clans. Zudem wollen wir den Blick auf die Opfer von Kriminalität lenken sowie auf die Hilfe, die der Verein Weißer Ring leistet. Die Frage, wie der öffentliche Raum geschützt werden kann und wie die Verantwortlichen, aber auch wir alle mit der abstrakten Terrorgefahr umgehen, spielt ebenfalls eine Rolle.

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