Führungskrise

Die Berliner CDU ist "ein zerstrittener Haufen"

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Andreas Abel
CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters und Mario Czaja, der als neuer Fraktionschef gehandelt wird

CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters und Mario Czaja, der als neuer Fraktionschef gehandelt wird

Foto: dpa Picture-Alliance / Klaus-Dietmar Gabbert / picture alliance / Klaus-Dietmar

Die Berliner CDU sucht nach dem Rücktritt von Florian Graf einen neuen Fraktionschef. Nun wird Kritik am Vorgehen daran laut.

Am Tag zwei nach der überraschenden Erklärung von Florian Graf, den Vorsitz der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus abzugeben, schlagen die Wellen in der Berliner Union weiterhin hoch. Am Freitag hatten einflussreiche Zirkel aus mehreren Kreisen eine breite Unterstützung für den ehemaligen Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja organisiert, der nun Grafs Nachfolger werden soll. Wie weit die Mehrheit für Czaja in der 31 Abgeordnete zählenden Fraktion reicht, wurde am Sonnabend allerdings unterschiedlich interpretiert.

Klar scheint indes, dass die CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters alles andere als erfreut darauf reagiert hat, dass Spitzenvertreter etlicher Kreise am Freitag das Heft des Handelns übernahmen. „Sie schäumt“, sagte ein Vertrauter. Grütters war nicht eingebunden, konnte auch gar nicht eingreifen, weil sie am Freitag als Kulturstaatsministerin in Paris war und einen protokollarisch wichtigen Termin nach dem anderen absolvierte.

Kreisvorsitzende habendie Abwesenheit ausgenutzt

Dieses Vorgehen suche seinesgleichen und sei ein Angriff auf die Landesvorsitzende, hieß es aus ihrem Umfeld. Mehr noch, ein Rückfall in „finsterste Zeiten“ einer völlig in diverse Lager zerfallenen Berliner Union, in der Kungelrunden mächtiger Kreisvorsitzender Machtfragen organisierten, gern auch an der Parteispitze vorbei. Dabei gehe es gar nicht um die Frage, ob Mario Czaja der beste Kandidat für den Fraktionsvorsitz ist, sondern darum, wie die Landesvorsitzende „links liegen gelassen“ und auch an der Fraktion als Ganzes vorbeiagiert werde.

Damit würden die Reformversprechen, die die Berliner CDU nach der verheerenden Niederlage bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 abgegeben habe, torpediert. Zumal es nicht nur um den Fraktionsvorsitz selbst geht, sondern letztlich auch darum, wer wohl bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 Spitzenkandidat der Union wird.

Monika Grütters selbst sagt all das nicht. Sie wiederholte am Sonnabend lediglich sinngemäß, was sie bereits am Donnerstag nach Grafs eiligem Rückzug gesagt hatte: „Die Nachfolge klären wir gemeinsam und professionell.“

Der Landesvorsitzende der Jungen Union, Christoph Brzezinski, machte allerdings aus seiner Verärgerung über den Vorstoß kein Hehl. Einige wenige würden sich auf eine Personalentscheidung verständigen, diese über die Medien transportieren und darauf setzen, dass alle anderen ihnen folgen. „Diese brachiale und egoistische Vorgehensweise bringt uns nicht weiter und ist extrem schädlich“, sagte Brzezinski der Berliner Morgenpost. Das zeige die Geschichte der Berliner CDU. Auch Brzezinski betonte, es gehe dabei nicht um den Kandidaten, sondern um das Bild, das die Partei nun wieder einmal nach außen abgebe – das eines zerstrittenen Haufens.

Dregger steht zu Grütters

Neben Mario Czaja wurden in den vergangenen Tagen auch Burkard Dregger, Innenexperte der Fraktion, und Stefan Evers, Fraktionsvize und Generalsekretär der Berliner CDU, als mögliche Fraktionsvorsitzende genannt. Alle drei geben dazu derzeit keine Stellungnahmen ab. Aus Parteikreisen hieß es, Dregger wolle kandidieren, auch eine Kampfabstimmung gegen Mario Czaja sei möglich. Dregger gilt als Wunschkandidat von Monika Grütters.

Beide können gut miteinander, Dregger steht sehr loyal zu Grütters. Zudem verkörpere er eher die konservative Säule der Union, wohingegen Grütters für die liberale Säule stehe. Als Führungsteam würden sie sich gut ergänzen, hieß es. Stefan Evers gehört auch zu den engen Vertrauten der Landesvorsitzenden. Sie setzte ihn, mit einiger Mühe, als Generalsekretär durch. In der Partei verlautete, er würde nie für den Fraktionsvorsitz kandidieren, wenn sich Grütters für einen anderen Kandidaten ausspreche. Zudem zieht es ihn eher ins EU-Parlament als an die Spitze der Fraktion.

Wie geht es nun weiter? Es werden weitere Gespräche geführt. Man suche eine einvernehmliche Lösung und die beste Aufstellung für die Fraktion, hieß es am Sonnabend in der CDU. Der neue Fraktionsvorsitzende soll am 12. Juni gewählt werden. Gut möglich, dass sein Name, auch offiziell, wesentlich früher bekannt gegeben wird. Vielleicht schon am Anfang der kommenden Woche, mutmaßten CDU-Politiker.

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