Medienbericht

Berlins Ausländerbehörde ermöglichte wohl jahrelangen Betrug

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Trotz Warnungen soll die Berliner Ausländerbehörde den Betrug einer nigerianischen Bande jahrelang ermöglicht haben (Archiv)

Trotz Warnungen soll die Berliner Ausländerbehörde den Betrug einer nigerianischen Bande jahrelang ermöglicht haben (Archiv)

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Trotz Warnhinweisen soll die Ausländerbehörde jahrelang Aufenthaltstitel für Nigerianer genehmigt haben. Die Papiere waren gefälscht.

Berlin. Die Berliner Ausländerbehörde soll trotz interner Hinweise ihrer Mitarbeiter Urkundenfälschung und Betrug mit sogenannten EU-Aufenthaltskarten für Nigerianer jahrelang ermöglicht haben. Ein erheblicher Teil der in Berlin gemeldeten nigerianischen Staatsbürger soll sich somit den Aufenthaltsstatus illegal erschlichen haben. Das ergaben Recherchen des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb).

Mithilfe gefälschter Dokumente und fingierter Ehen soll eine sechsköpfige Bande mehr als 200 Nigerianern eine so genannte EU-Aufenthaltskarte besorgt haben. Sie bescheinigt ihnen das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Zurzeit sind über zweieinhalb Tausend Nigerianer offiziell in Berlin gemeldet.

Nigerianische Bande wandte immer gleichen Trick an

Mehrmals sollen Mitarbeiter der Behörde ihre Vorgesetzten auf Unstimmigkeiten bei den Anträgen und der Vergabe von Aufenthaltstiteln hingewiesen haben. Ihre Mahnungen blieben nach rbb-Recherchen aber offenbar ohne Folgen.

Inzwischen hat in vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen fünf Frauen und einen Mann der Bande begonnen. Mit von Nigeria aus agierenden Komplizen sollen die 41- bis 65-jährigen Angeklagten immer wieder den gleichen Trick angewandt haben: Ein angeblich portugiesisch-nigerianisches Ehepaar erscheint in der Berliner Ausländerbehörde und beantragt eine "Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Bürgern der EU", eine so gennannte "EU-Aufenthaltskarte". Sie bescheinigt dem Nigerianer das Recht auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland.

Die Anklage geht davon aus, dass die Gruppierung bis zu 15.000 Euro im Einzelfall kassierte. „Insgesamt ist von Einnahmen in Höhe von mindestens einer Million Euro auszugehen“, heißt es in der Anklage.

Berliner Rechtsanwältin involviert

Doch die für den Antrag nötigen und vorgelegten Unterlagen sind allesamt gefälscht. Die Eheurkunden wurden meistens zuvor in Nigeria gefälscht. Die deutschen Arbeitsverträge und Lohnbescheinigungen der portugiesischen "Ehefrau" wurden von einer ehemaligen Bordellbesitzerin in Berlin angefertigt. Für den Termin in der Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer wird die - in der Regel aus dem Drogenmilieu stammende - Portugiesin nach Berlin eingeflogen. Auch eine Berliner Rechtsanwältin ist involviert. Sie meldet zuvor die Portugiesin beim Bürgeramt an, ohne dass diese selbst anwesend ist. Hinter diesem raffinierten Vorgehen steht eine weltweit agierende, kriminelle Bande.

In der Berliner Ausländer Behörde spielt sich in der Zeit zwischen Januar 2015 und September 2017 dieses Szenario rund 200 Mal ab, oft mehrmals in einer Woche. Die Anträge der vorwiegend portugiesisch-nigerianischen "Eheleute" werden dabei meistens bewilligt. Mitunter war es offenbar sieben Mal ein und dieselbe Portugiesin, die jeweils unter anderem Namen einen Antrag für ihren nigerianischen Ehemann gestellt haben soll.

Mitarbeiter der Ausländerbehörde: Trotz Mahnungen ist nichts passiert

Dabei ist die Häufigkeit dieser Fälle einigen Mitarbeitern der Berliner Ausländerbehörde sehr wohl aufgefallen. Ein Mitarbeiter der beteiligten Behörden sagte dem rbb: "Intern gab es Hinweise. Der Verdacht, dass bei diesen Anträgen etwas nicht stimmen kann, wurde mehrmals geäußert und auch an Vorgesetzte weitergeleitet. Passiert ist aber nichts. Trotz der Mahnungen". Die Zweifel und Bedenken einiger Mitarbeiter blieben in der Berliner Ausländerbehörde also offenbar ohne jegliche Folgen.

Auf rbb-Anfrage erklärt die zuständige Senatsverwaltung für Inneres, die Ausländerbehörde habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorgänge reagiert und Anträge von nigerianischen Staatsbürgern besonders intensiv geprüft. Der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen, wies den Vorwurf auf Anfrage der Deutschen Presseagentur (dpa) am Montagabend zurück. „Der Vorwurf, die Ausländerbehörde habe nicht auf Hinweise von Mitarbeitern reagiert, ist falsch“.

Prozess gegen Bande hat begonnen

Der Ausländerbehörde lagen demnach im Spätsommer 2016 erste belastbare Informationen auf illegale Schleusungen vor, erklärte der Sprecher. Die Behördenleitung habe daraufhin Maßnahmen ergriffen, um diese Verdachtsmomente zu erhärten. So seien zum Beispiel Anträge, die eine bestimmte Rechtsanwaltskanzlei zugunsten von nigerianischen Staatsangehörigen gestellt habe, besonders intensiv geprüft worden, so der Sprecher. „Daraufhin wurden weitere Nachweise gefordert sowie bei Zweifeln an der Echtheit von nigerianischen Unterlagen besondere Anhörungen durchgeführt.“

Unabhängig von den Prüfungen in der Behörde habe die Berliner Staatsanwaltschaft gegen eine international agierende Bande ermittelt. Gegen Mitarbeiter der Ausländerbehörde sei nicht ermittelt worden, sagte der Sprecher.

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( ots/dpa )