Kita-Not

Die Not ist groß: 3000 Kita-Plätze fehlen in Berlin

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Susanne Leinemann

Foto: iStock / FatCamera / Getty Images

Neue Serie: Weil der Personalmangel groß ist, können viele Betreuungsplätze nicht belegt werden.

Berlin.  An kommenden Sonnabend wird demonstriert: Die Initiative „Kita Krise Berlin“ fordert Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und natürlich die Kinder auf, vom Bahnhof Friedrichstraße zum Brandenburger Tor zu ziehen, weil sie auf die katastrophale Kita-Lage aufmerksam machen will. Allen ist klar, es muss sich etwas ändern.

Allerdings treffen hier zwei große Elterngruppen mit ihren Wünschen aufeinander. Die eine, die „drin“ sind, deren Kinder eine Betreuung haben und die nun in Zeiten der Überbelegung Angst um die Qualität der Kitas haben. Und die anderen, die „draußen“ harren und verzweifelt auf der Suche nach einem Platz sind – willig, fast alles zu nehmen, was angeboten wird. Wer heute schwanger ist, darf nicht lange mit der Suche nach einem Kita-Platz warten. Gerade für die ganz Kleinen, die sogenannten Krippenkinder, ist die Platznot groß. Hier ist der Betreuungsaufwand noch mal größer als bei den älteren Kita-Kindern, braucht es mehr Erzieher und Erzieherinnen. Letztes Jahr lag die Betreuungsquote von Kindern zwischen null und zwei Jahren schon bei 44,4 Prozent. Allein in Marzahn-Hellersdorf wurden 72 Prozent der Kinder von ein Jahr bis unter drei Jahren betreut. Die Zeiten haben sich geändert. Dafür, sein Kind mit dem Krabbelalter in eine Kita zu geben, damit man stundenweise wieder arbeiten kann, muss sich heute keiner mehr rechtfertigen.

Doch einen passenden Platz zu finden, kann einen für viele Monate auf Trab halten. Eltern preisen ihre Kinder regelrecht an, damit die Kitas sie erwählen: „Unser Sohn ist ein unglaublich fröhlicher, aufgeschlossener und lieber Junge“, heißt es in einem Forum, an das sich Kita-Platz-Suchende wenden. In vielen Kitas ist ein intransparentes System der Wartelisten entstanden, das es Eltern schwer macht, ihre Chancen auf einen Kita-Platz einzuschätzen. Die Folge: Man bewirbt sich bei sehr vielen Kitas parallel, ruft immer wieder an, schaut vorbei und hofft, dass es klappt. Wenn die Absagen sich häufen, gibt es noch die Warteliste im Jugendamt des jeweiligen Bezirks, wo sich die Härtefälle sammeln. Von dort aus ist der Schritt zur Klage dann nicht mehr weit.

Hauptgrund ist der dramatische Erziehermangel

Rund 3000 Kita-Plätze fehlen aktuell in der Stadt, so eine Schätzung. Aber so ganz genau weiß es niemand. Fest steht nur, dass für 174.276 Kita-Plätze eine Betriebserlaubnis vorliegt, davon aber nur 163.717 zur Belegung angeboten werden. Hauptgrund für diese Differenz, da sind sich alle Fachleute – ob in den Bezirken oder bei den Kita-Trägern in Berlin – einig, ist der dramatische Erziehermangel. Ob Eigenbetriebe oder freie Träger, fast überall könnte man mehr Plätze anbieten, wenn man nur die Fachleute hätte, um die Kinder gut zu versorgen.

Also wird versucht, den Not­zustand so gut es geht zu verwalten. Eine Zwischenlösung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ist eine „temporäre Überbelegung“ von Kita-Gruppen. Das bedeutet, für eine Weile werden die Gruppen um ein Kind vergrößert, auch im Krippenbereich. Aber damit kommt der Zorn der anderen Elterngruppe ins Spiel, die am Sonnabend auch demonstrieren wollen. Eine Forderung der Initiative „Kita Krise“ wird ein „besserer Betreuungsschlüssel“ sein – also weniger Kinder sollen auf einen Erzieher kommen. Dass das Personal vieler Kitas am Rande seiner Kräfte arbeitet, dass man zunehmend auf Helfer aus Zeitarbeitsfirmen zurückgreift, um überhaupt über die Runden zu kommen, ist unbestritten. „Die spielen inzwischen eine sehr große Rolle“, bestätigt Christiane Weißhoff von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die im Vorstandsbereich für Kitas zuständig ist. Viele dieser Helfer seien keine Fachkräfte, geschweige denn Erzieher. Die Qualität der Betreuung leide. Was hilft das Berliner Bildungsprogramm mit seinen hohen Ansprüchen, wenn es nicht umgesetzt werden kann?

Die Kita-Not, sie ist inzwischen so groß in der Stadt, dass erste Bezirke – wie Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte – begonnen haben, sich über ihre Eigenbetriebe vom Rest der Stadt abzuschotten: Kita-Plätze und Tagesmütter nur noch für die Bezirkskinder. Eine Entwicklung, die viele für bedenklich halten. Wie also soll es weitergehen? In der neuen Serie zur Kita-Not in Berlin versuchen wir, Antworten zu geben.

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