Der Aushang am Saal 100 des Landgerichts Berlin am Tegeler Weg war eigentlich deutlich: „Lafone Investments Limited“ gegen „Freunde der Kadterschmiede – Kultur im Kiez e. V.“ Und auch die Vertreter der strittigen Parteien wurden klar benannt: Auf der Klägerseite Anwalt Markus Bernau für die Limited und auf der Seite der Beklagten Anwalt Lukas Theune für die „Kadterschmiede“.
Doch der erste Blick war trügerisch. Es war keineswegs alles klar. Eine Dreiviertelstunde später verkündete Richter Martin Hülsböhmer das Urteil der Zivilkammer 6: Die Klägerin verliert den Rechtsstreit, mit dem sie die Räumung der Rigaer Straße 94 gegen den Verein „Kadterschmiede“ gerichtlich durchsetzen wollte.
Vergleichsangebot des Richters bleibt ohne Erfolg
Die „Lafone Investments Limited“ habe nicht nachweisen können, so Richter Hülsböhmer, dass sie über einen wirksam bestellten gesetzlichen Vertreter verfügt; in der Konsequenz sei Bernau auch nicht bevollmächtigt, die Limited vor Gericht zu vertreten.
Die Zuhörer im Gerichtssaal, zum übergroßen Teil Anhängern der „Kadterschmiede“, lauschten ohne Zwischenrufe. Richter Hülsböhmer musste allerdings mehrfach zum Aufstehen auffordern, als das Urteil verkündet werden sollte. Anschließend gab es zwar keinen lauten Jubel, aber doch sichtlich Triumph und Freude. Nun war klar: Der Verein kann weiterhin auch ohne Mietvertrag in der Rigaer Straße 94 bleiben und muss vorerst keine Räumung fürchten. Am Eingang des streng bewachten Gerichtsgebäudes fanden sich die Besucher noch einmal zusammen. Es blieb jedoch alles friedlich. Vor dem Prozess hatten Linksautonome zu „Diskussions- und Chaostagen“ und unangemeldeten Demonstrationen aufgerufen.
Der Rechtsstreit schwelt schon seit Jahren. Die „Lafone Investments Limited“ wollte erreichen, dass der „Kadterschmiede“-Verein die Räume verlassen muss, die er seit Ende 2013 ohne Vertrag nutzt. Die Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien wiederum meint, dass der Verein in dem früher besetzten Haus nur geduldet wird. Verlangt wird auch eine Nutzungsentschädigung; die allerdings weit unter der ortsüblichen Miete liegen soll, die Rede war von etwa drei Euro.
Ein von Richter Hülsböhmer angeregtes Vergleichsgespräch blieb am Montag ohne Erfolg. Es gebe bei den Hauseigentümern „niemanden, der ansprechbar ist“, sagte Anwalt Theune. „Die haben nicht einmal einen Briefkasten.“ Mit wem solle denn eine Nutzungsvereinbarung geschlossen werden? „Keiner weiß, wer der wahre Eigentümer ist. Er versteckt sich“, so Theune. „Und ich glaube auch nicht, dass sich da etwas ändert.“
Anwalt Bernau zeigte sich kooperativer und verwies auf Angebote, die von der „Lafone Investments Limited“ gemacht, von den Besetzern bislang aber ausgeschlagen worden seien. Der Anwalt wies es als unzutreffend zurück, dass der Eigentümer nicht ansprechbar sei. Die Entscheidung der Zivilkammer 6 sah Bernau kritisch: „Wir sind davon ausgegangen, dass der von uns vorgelegte Nachweis reicht. Das Gericht sieht das anders.“ Es dränge sich der Verdacht auf, dass man keine Sachentscheidung treffen will. Ob er gegen das Urteil Berufung beim Kammergericht einlegen werde, ließ Bernau offen: „Ich warte erst einmal die Urteilsbegründung ab und rede anschließend mit meinen Mandanten.“
Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Canan Bayram, die den Prozessverlauf vor Ort verfolgte, sprach nach der Urteilsverkündung von einer „spannenden Entscheidung“. Das Gericht habe „deutlich gemacht, dass es sich nicht vom Eigentümer vorführen lässt und dass hier deutsches Recht gilt“. Das sei ein wichtiger Schritt, so Bayram. „Die Frage, die sich für mich immer noch stellt, ist: Wer ist dieser Eigentümer der Rigaer Straße 94? Ist das noch Wirtschaft oder ist das schon organisierte Kriminalität?“
Aus Sicht von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) zeigt das Urteil „noch einmal die schwierige Rechtslage“. Es sei kein Urteil in der Sache gewesen. „Wir brauchen einen handlungsfähigen Eigentümer in der Rigaer Straße, um die Situation lösen zu können“, so Geisel. Um Gewalttätigkeiten zu verhindern, seien Bereitschaftspolizisten weiter in der Nähe.
Im Vorfeld hatte Katalin Gennburg (Linke), Mitglied des Abgeordnetenhauses, gefordert, Hausbesetzungen zu entkriminalisieren. „Wenn so viel Wohnraum durch Spekulation enteignet und das Recht zu wohnen angegriffen wird, ist Besetzen ein legitimes Mittel“, sagte sie. Die oppositionelle CDU-Fraktion wertete das als Aufforderung zu einer Straftat.