Afrikanisches Viertel

Straßenumbenennung: „Das kostet doch alles nur Geld“

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Brigitte Schmiemann
Gastronom Nikolai Marinof und Karina Filusch von der Anwohnerinitiative sind gegen die Umbenennung

Gastronom Nikolai Marinof und Karina Filusch von der Anwohnerinitiative sind gegen die Umbenennung

Foto: David Heerde

Anwohner und Händler im Afrikanischen Viertel ärgern sich über geplante Straßenumbenennungen. Manche wollen klagen.

Wedding. Der Ärger bei Gewerbetreibenden und Anwohnern im Afrikanischen Viertel über die von den Bezirksverordneten beschlossenen Straßenumbenennungen ist groß. „Bescheuert“, „einfach Blödsinn“, „völlig überflüssig“ sind noch die harmloseren Beschimpfungen, die Anwohner und Händler aus der Lüderitzstraße, dem Nachtigalplatz und der Peters­allee spontan äußern. Betroffen von den geplanten Umbenennungen sind nach Auskunft des Bezirks rund 3000 Anwohner und Gewerbetreibende.

„Das kostet doch alles nur Geld“, kritisiert Antje Kesinro. Die 49-Jährige wohnt an der Petersallee. „Furchtbar umständlich“ findet auch Nil Olmaz, die mit ihrem Mann Sami eine Bäckerei am Nachtigalplatz betreibt, die Verpflichtungen, die mit der Umbenennung der Straße verbunden sind. Alle Lieferanten müssten informiert, Briefpapier und Stempel neu angeschafft, alle Flyer geändert werden. „Das wird sicherlich sehr zeitaufwendig und kostet auch eine Stange Geld. Dann hätte man dem Nachtigal doch besser ein zweites l geschenkt und die Straße nach dem Vogel benannt“, schlägt die Geschäftsfrau pragmatisch vor.

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Sorgen macht die noch nicht geklärte Rechtsauffassung

Nikolai Marinof, Chef des Grill-Restaurants Zagreb am Nachtigalplatz, fragt sich zudem: „Wir sind doch auch Ausländer. Warum stört der Name nach so vielen Jahren noch jemanden?“ Und er fragt sich außerdem, wann er all die nötigen Änderungen wie die Gewerbeumschreibung, die Meldung beim Finanzamt oder bei der Bank machen soll. „Mir ist der Straßenname egal, aber die Änderung bedeutet viel Stress und kostet Geld, und wir werden bestimmt auch Kundschaft verlieren“, sorgt sich der Gastronom, der sein Lokal seit zehn Jahren führt und nicht ausschließt, dass er gegen die Umbenennung klagt.

Wie berichtet, sollen die Straßen nach dem Willen der BVV (mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und Piraten gegen die CDU und AfD bei Enthaltung der FDP) künftig Cornelius-Frederiks-Straße (jetzt Lüderitzstraße), Bell-Platz (Nachtigalplatz) und Anna-Mungunda-Allee (Petersallee von der Müllerstraße bis zum Nachtigalplatz, dem künftigen Bell-Platz) sowie Maji-Maji-Allee (Petersallee vom Nachtigalplatz bis zur Windhuker Straße) heißen.

Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) begründet die Umbenennungen so: „Straßennamen in Berlin sind Ehrungen. Lüderitz und Nachtigal sind nach unserem heutigen Verständnis keine zu ehrenden Personen. Ob die Petersallee umbenannt werden kann, ist strittig. Will man den Widerstandskämpfer Dr. Hans Peters ehren, dann ist das Afrikanische Viertel der falsche Ort. Im Afrikanischen Viertel wird er immer mit dem Mörder Carl Peters verwechselt werden. Darum hat die BVV beschlossen, einen anderen Platz oder eine andere Straße nach ihm zu benennen.“

Ungeklärte Rechtslage von Umwidmungen

Gustav Nachtigal und Franz Adolf Lüderitz hatten dazu beigetragen, dass Teile des afrikanischen Kontinents für deutsche Interessen ohne Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung gesichert wurden. Mehr als zehn Jahre dauerte der Streit, bis die Bezirksverordneten im vergangenen Monat die Umbenennung mehrheitlich beschlossen. Die FDP hätte gern die Anwohner befragt, sie konnte sich in der BVV aber nicht durchsetzen. Und den Piraten, die hinter der Umbenennung stehen, macht die „noch nicht ganz geklärte Rechtsauffassung“ zur Petersallee weiterhin Sorgen.

1986 hatte der Wedding die Petersallee umgewidmet. Mit ihr wurde nicht mehr Carl Peters (1856–1918), Politiker und Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika, geehrt, sondern Widerstandskämpfer Hans Peters (1896– 1966). Er war Jurist und Politiker, gehörte während des Nationalsozialismus der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis an. 1945 war Peters Mitgründer der CDU in Hamburg, im Februar 1946 Vertreter der CDU für die Nürnberger Prozesse. 1946 wurde Peters Professor an der Berliner Universität (ab 1949: Humboldt-Universität zu Berlin), Peters gehörte zu den Mitautoren der Verfassung von Berlin.

Die CDU-Fraktion der BVV Mitte hat deshalb Beschwerde bei der Bezirksaufsicht, der Senatsverwaltung für Inneres, gegen die Umbenennung der Petersallee eingelegt. Das Argument des Bezirks, die Umbenennung sei 1986 nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden und deshalb ungültig, sei nicht stichhaltig, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der BVV, Sebastian Pieper. Es sei unstrittig, dass die Petersallee seit 1986 den Widerstandskämpfer ehre. „Darauf weisen Erklärungstafeln oberhalb des Straßennamens hin. Und es war auch nicht nötig, die Änderung im Amtsblatt zu veröffentlichen, weil der Name der gleiche geblieben ist. Es war keine Umbenennung, sondern nur eine Umwidmung mit einem anderen Namensgeber“, sagt Pieper, der Jurist ist. Die Umbenennung hält er für „rechtswidrig“. Jetzt einen anderen Widerstandskämpfer ehren zu wollen, aber einem vorhandenen die Ehre nehmen zu wollen, sei zudem „schäbig“.

Initiative schlug mehrere Umwidmungen vor

Das Rechtsamt des Bezirks Mitte sieht das ähnlich. Durch Erläuterungsschilder sei über drei Jahrzehnte klargestellt worden, wer Namensgeber der Petersallee ist. Die Aberkennung dieser Zuschreibung würde zu einer „ungerechtfertigten Herabwürdigung“ der Person des Widerstandskämpfers führen. „Im Falle einer Anwohnerklage gegen eine Umbenennung der Petersallee wäre somit eine Stattgabe durch das Verwaltungsgericht zu befürchten“, erläutert das Rechtsamt in der Stellungnahme.

Die Initiative „Pro Afrikanisches Viertel“ beschäftigt sich seit Jahren kritisch mit den Plänen. „Wir haben als Lösung Umwidmungen etwa nach Theologe Nachtigal oder der Stadt Lüderitz in Namibia vorgeschlagen“, sagt Karina Filusch. Die Initiative unterstützt jetzt Anwohner, die gegen die Umbenennung vorgehen wollen. Das Bezirksamt versicherte auf Anfrage dieser Zeitung, „bis zum Abschluss des Verfahrens keine neuen Straßenschilder anbringen zu lassen“. Kosten: 15.470 Euro.

Berlin-Podcast: Unsere Redakteure Emina und Sebastian haben in der namibischen Stadt Lüderitz angerufen und die Leute gefragt, was sie von den Namensänderungen im Afrikanischen Viertel halten.

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