re:publica 2018

Chelsea Manning: Künstliche Intelligenz ist gefährlich

| Lesedauer: 5 Minuten
Joachim Fahrun
Erste Impressionen von der re:publica 2018

Erste Impressionen von der re:publica 2018

Das war Tag 1 der republica 2018

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Am Mittwoch ist die Whistleblowerin Chelsea Manning auf der re:publica aufgetreten. Dabei warnte sie vor künstlicher Intelligenz.

Berlin. Ein intimes Kamingespräch – vor 2000 Zuschauern. Was Stargast Chelsea Manning auf der re:publica erlebte, kann stellvertretend stehen für das einstige Bloggertreffen, das sich heute als Europas wichtigster realer Treffpunkt der digitalen Welt sieht. Die Dimensionen sind mit 950 Sprechern und 500 Stunden Programm auf 20 Bühnen unglaublich gewachsen bei der zwölften Ausgabe der Veranstaltung. Und die Frage stellt sich, wer denn nun eigentlich dazugehören darf zur „digitalen Community“ in Zeiten, in denen fast jeder ein Smartphone nutzt und digitale Angebote konsumiert.

Während Ex-Soldat Manning, der in einer Whistleblower-Aktion Kriegsverbrechen der US-Armee im Irak öffentlich gemacht hatte, das Publikum zu Applaus hinriss, musste die Bundeswehr draußen bleiben. Über Twitter beklagte sich die Truppe, sprach von einer „Provokation gegen unsere Parlaments­armee“: „Die Konferenz steht für Offenheit und Toleranz. Trotzdem schließt sie Soldaten aus.“ Im vergangenen Jahr habe die Bundeswehr keinen Stand erhalten mit der Begründung, sich zu spät angemeldet zu haben.

Ärger um Auftritt der Bundeswehr

„Die Bundeswehr hat versucht, uns zu hacken“, sagte re:publica-Mitgründer Johnny Haeusler in seinem Eröffnungsstatement. Man wolle nicht, dass die Bundeswehr auf der Veranstaltung „rekrutiert“. Die Macher waren verärgert über eine Marketingaktion der Bundeswehr. Mit einem Lastwagen und uniformierten Soldaten zeigte die Truppe vor der Tür Präsenz. „Zu bunt gehört auch grün“, stand auf dem Fahrzeug zu lesen. „Die Bundeswehr lässt sich nicht ausladen“, kommentierten Nutzer auf Twitter. Und: „Soldaten sind auch Menschen.“

Uniformen wollten sie grundsätzlich nicht auf der Veranstaltung haben, hieß es vonseiten der Macher. Offizielle Aussagen zum Umgang mit der Bundeswehr gab es zunächst nicht. Während draußen die Soldaten versuchten, mit den Besuchern in Kontakt zu kommen, erteilte Chelsea Manning auf der großen Bühne dem Militär eine Absage. Sieben Jahre saß sie wegen Hochverrats im Gefängnis, unterzog sich dort einer Geschlechtsumwandlung. Nun war sie das erste Mal außerhalb der USA zu hören und zu sehen.

Im Gefängnis, fern von allen Statussymbolen, habe sie den Wert von Menschlichkeit noch einmal neu schätzen gelernt. Noch immer habe sie damit zu kämpfen, nach jahrelanger Haft ihr Leben wieder neu zu ordnen, bekannte Manning. Als sie rauskam, habe sie – mit geändertem Namen und ohne Personalausweis – fast keine Chance gehabt, in die Gesellschaft zurückzukehren, an ihr Bankkonto zu kommen oder eine Wohnung zu mieten. Auch ihre digitale Existenz, also ihre Konten in sozialen Medien, war verschwunden. Mithilfe von Freunden und Unterstützern habe sie die höchsten Hürden dann überwunden.

Erfolg der Rechten wichtiges Thema auf der re:publica

Während sie Persönliches kurz hielt, waren Mannings politische Aussagen sehr klar: Sie warnte vor den möglichen Folgen von künstlicher Intelligenz und den riesigen Mengen gesammelter Daten, die man über diese neue Technik wirksam durchforschen könne. Sie mache sich Sorgen wegen der Militarisierung der Polizei, der Überwachung und der Macht der Algorithmen, die die Inhalte im Netz filtern. Sie beobachte eine „systemische Beschleunigung“ Richtung Totalitarismus, sagte die Software-Expertin, die vor ihrer Whistleblower-Aktion als Datenanalystin für die US-Armee tätig war, ehe sie 2010 riesige Datenmengen der Armee an die Enthüllungsplattform Wikileaks weiterleitete.

Einen Saal weiter sprachen Journalisten und Aktivisten fast zeitgleich über das Erbe der 68er-Generation und die Stärke der neuen Rechten. Dabei stellte der Medienjournalist Stefan Niggemeier fest, dass es inzwischen eher rechte Politiker seien, die den Staat vor die Hunde gehen lassen, und linke, die Institutionen verteidigen müssten.

Und so bleiben die Widersprüche: keine Soldaten der Bundeswehr auf der Messe, aber ein Stand des Bundeswirtschaftsministeriums. Kritik an den Auswüchsen der Technologie, aber alle produzieren Datenmassen. Kein gutes Wort über die großen Plattformanbieter, aber alle bespielen munter die Kanäle, die Facebook, Twitter & Co ihnen bieten.

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