In Berlin gibt es jetzt jeden Abend wieder Gratiskonzert de besonderen Art: Die Nachtigallen sind wieder da. Lautstark beginnen sie zu singen, sobald die Dämmerung naht. Man hört sie in Parks und auf Bäumen – aber erstaunlich oft auch an vielbefahrenen Kreuzungen oder in Hinterhöfen. Was man weiß: In Berlin leben mehr von ihnen als irgendwo sonst. Aber was singen sie eigentlich? Und wo nisten sie in der Stadt? Um mehr über Berlins „Meistersänger“ herauszufinden, startet das Museum für Naturkunde jetzt ein Bürgerforschungsprojekt. Mit einer App auf dem Handy können Berliner „ihre“ Nachtigallen aufnehmen, den Gesang hochladen und bei Workshops später selbst zu Forschern werden. Die Leitung des Projekts hat seit Januar die Verhaltensbiologin Silke Voigt-Heucke (35). Uta Keseling sprach mit ihr.
Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?
In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Die Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so viele Nachtigallen gibt. Wir gehen von rund 1500 Paaren aus, die in Berlin brüten. Das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg.
Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?
Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall sie liebt Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken und Brachen gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen.
Was genau soll erforscht werden?
Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen „Dialekten“ singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor.
Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.
Ja, indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Wie kann man mitmachen?
Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Handy aufzeichnen und im Internet hochladen. Dies ist über die Webseite des Projekts möglich (www.forschungsfallnachtigall.de) und mit der App „Naturblick“ des Museums für Naturkunde, die unser Projekt „Forschungsfall Nachtigall“ als Partner unterstützt. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Gesprächsrunden oder Workshops einladen, um herauszufinden, was was wir mit den gesammelten Daten gemeinsam noch erforschen können.
Woher weiß ich, ob es wirklich die Nachtigall ist, die singt?
Über die App kann man zunächst die Vogelstimme identifizieren lassen.
Was passiert mit den Daten?
Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt, außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden.
Warum singen Nachtigallen eigentlich so schön?
Die Berliner Nachtigallen überwintern in Afrika, in der Gegend von Ghana. Zunächst kehren die Männchen zurück und locken dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Dies ist der Zweck des nächtlichen Gesangs.
Und warum singen sie nachts?
Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel, denn sie kehren erst nach den Männchen zurück. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt: Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert.
Loben die Nachtigall-Männchen die angebeteten Weibchen – oder sich selbst?
Letzteres. Die Berliner Verhaltensbiologin Conny Landgraf hat nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers – vergleichbar etwa mit dem prächtigen Pfauenschwanz.
Wobei Nachtigallen eher unscheinbar sind, oder?
Ja. Im Englischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind an sich die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht, weil sie auf der Singwarte meist nicht aufgefächert werden. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten. Manchmal kann man sie beim Nestbau beobachten. Die Männchen sind etwas mutiger, gerade wenn sie auf Ästen sitzen und singen. Aber selbst da sind sie unauffällig.
Sind Nachtigallen nicht schon gut erforscht?
Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch der Nachtigallenforschung. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück, über das Gesangslernen und die komplexen Strukturen des Gesangs und vermutete daher auch schon lange, dass sie möglicherweise in „Dialekten“ singen. Was das aber genau bedeutet, hat sich bisher noch niemand angeschaut. Unter anderem das wollen wir mit unserem Projekt gemeinsam mit allen Berlinern und Berlinerinnen nun beantworten. Es wäre spannend, wenn dabei herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie dort anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.
Wie lange singen die Nachtigallen im Frühling?
Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es dadurch des Nachts selbst in Nachtigallen-Hochburgen stiller. Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen andere Rivalen!
In Berlin gibt es jetzt jeden Abend wieder Gratiskonzert de besonderen Ar6: Die Nachtigallen sind wieder da. Lautstark beginnen sie zu singen, sobald die Dämmerung naht. Man hört sie in Parks und auf Bäumen – aber erstaunlich oft auch an vielbefahrenen Kreuzungen oder in Hinterhöfen. Was man weiß: In Berlin leben mehr von ihnen als irgendwo sonst. Aber was singen sie eigentlich? Und wo nisten sie in der Stadt? Um mehr über Berlins „Meistersänger“ herauszufinden, startet das Museum für Naturkunde jetzt ein Bürgerforschungsprojekt. Mit einer App auf dem Handy können Berliner „ihre“ Nachtigallen aufnehmen, den Gesang hochladen und bei Workshops später selbst zu Forschern werden. Die Leitung des Projekts hat seit Januar die Verhaltensbiologin Silke Voigt-Heucke (35). Uta Keseling sprach mit ihr.
Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?
In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Die Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so viele Nachtigallen gibt. Wir gehen von rund 1500 Paaren aus, die in Berlin brüten. Das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg.
Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?
Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall sie liebt Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken und Brachen gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen.
Was genau soll erforscht werden?
Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen „Dialekten“ singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor.
Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.
Ja, indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Wie kann man mitmachen?
Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Handy aufzeichnen und im Internet hochladen. Dies ist über die Webseite des Projekts möglich (www.forschungsfallnachtigall.de) und mit der App „Naturblick“ des Museums für Naturkunde, die unser Projekt „Forschungsfall Nachtigall“ als Partner unterstützt. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Gesprächsrunden oder Workshops einladen, um herauszufinden, was was wir mit den gesammelten Daten gemeinsam noch erforschen können.
Woher weiß ich, ob es wirklich die Nachtigall ist, die singt?
Über die App kann man zunächst die Vogelstimme identifizieren lassen.
Was passiert mit den Daten?
Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt, außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden.
Warum singen Nachtigallen eigentlich so schön?
Die Berliner Nachtigallen überwintern in Afrika, in der Gegend von Ghana. Zunächst kehren die Männchen zurück und locken dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Dies ist der Zweck des nächtlichen Gesangs.
Und warum singen sie nachts?
Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel, denn sie kehren erst nach den Männchen zurück. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt: Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert.
Loben die Nachtigall-Männchen die angebeteten Weibchen – oder sich selbst?
Letzteres. Die Berliner Verhaltensbiologin Conny Landgraf hat nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers – vergleichbar etwa mit dem prächtigen Pfauenschwanz.
Wobei Nachtigallen eher unscheinbar sind, oder?
Ja. Im Englischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind an sich die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht, weil sie auf der Singwarte meist nicht aufgefächert werden. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten. Manchmal kann man sie beim Nestbau beobachten. Die Männchen sind etwas mutiger, gerade wenn sie auf Ästen sitzen und singen. Aber selbst da sind sie unauffällig.
Sind Nachtigallen nicht schon gut erforscht?
Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch der Nachtigallenforschung. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück, über das Gesangslernen und die komplexen Strukturen des Gesangs und vermutete daher auch schon lange, dass sie möglicherweise in „Dialekten“ singen. Was das aber genau bedeutet, hat sich bisher noch niemand angeschaut. Unter anderem das wollen wir mit unserem Projekt gemeinsam mit allen Berlinern und Berlinerinnen nun beantworten. Es wäre spannend, wenn dabei herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie dort anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.
Wie lange singen die Nachtigallen im Frühling?
Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es dadurch des Nachts selbst in Nachtigallen-Hochburgen stiller. Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen andere Rivalen!
Die Nachtigallen sind wieder da. Sobald die Dämmerung naht, hört man sie ebenso lautstark wie melodisch singen – in Parks und auf Bäumen, an Kreuzungen oder in Hinterhöfen. Aber was singen sie eigentlich? Und wo leben sie in der Stadt? Um mehr über Berlins „Meistersänger“ herauszufinden, starten Verhaltensbiologen und das Museum für Naturkunde ein Bürgerforschungsprojekt. Mit dem Smartphone können Berliner die Nachtigallen aufnehmen, den Gesang hochladen und selbst zu Forschern werden. Leiterin des Projekts „Forschungsfall Nachtigall“ ist die Verhaltensbiologin Silke Voigt-Heucke (35). Uta Keseling sprach mit ihr.
Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?
In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Nachtigallen-Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so viele von ihnen gibt. Wir gehen von rund 1500 Paaren aus, die hier brüten. Das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg.
Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?
Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall mag Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken und Brachen gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen.
Was genau soll erforscht werden?
Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen Dialekten singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor.
Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.
Ja, indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse sind auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Wie kann man mitmachen?
Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Smartphone aufzeichnen und im Internet hochladen. Wenn man unsicher ist, welcher Vogel gerade singt, kann man die Vogelstimme über die App auch zunächst identifizieren lassen.
Wie geht es weiter?
Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Workshops einladen, um herauszufinden, was wir mit den gesammelten Daten noch gemeinsam erforschen können. Das Projekt „Forschungsfall Nachtigall“ ist auf zwei Jahre angelegt und wird vom Museum für Naturkunde unterstützt.
Was passiert mit den Daten?
Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt, außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden.
Warum singen Nachtigallen so schön?
Nachdem die Männchen zurück aus ihrem Winterquartier in Afrika sind, locken sie dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt. Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert. Auch dass sie nachts singen, ist etwas Besonderes. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange.
Loben die Nachtigall-Männchen eigentlich die Weibchen oder sich selbst?
Letzteres. Die Berliner Verhaltensbiologin Conny Landgraf hat nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers.
Wobei die Vögel an sich eher unscheinbar aussehen, oder?
Ja. Im Englischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten.
Was weiß man über Berliner Nachtigallen?
Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch der Nachtigallen-Forschung. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück – und über die komplexen Strukturen des Gesangs.
Es stimmt also, dass unsere Nachtigallen berlinern?
Ja, aber was das genau bedeutet, hat sich bisher niemand angeschaut. Es wäre spannend, wenn in unserem Projekt herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.
Wie lange singen die Nachtigallen diesen Frühling noch?
Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es stiller. Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen Rivalen.
Uta Keseling
Berlin ist die Hauptstadt der Nachtigallen, nirgendwo leben mehr als hier: Das weiß man schon länger. Aber in welchen Bezirken leben die unscheinbaren Vögel eigentlich, die ab Mitte April aus dem Süden zurückkehren? Und was haben sie sich so sanges- und lautstark zu erzählen? Warum gefällt uns das so? Ein Bürgerforschungsprojekt des Museums für Naturkunde will gemeinsam mit den Berlinern den Nachtigallen lauschen. Auch Laien können den Gesang aufnehmen,per App dokumentieren und später selber untersuchen. Ziel ist eine Nachtigallenkarte Berlins – und der Nachweis, dass die kleinen Sänger nicht nur viel singen, sondern sogar „berlinern“. Silke Voigt-Heucke (35) ist Verhaltensbiologin und seit Januar Leiterin des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Bürgerforschungsprojekts „Forschungsfall Nachtigall“ am Museum für Naturkunde.
Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?
In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Die Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so eine hohe Nachtigallen-Population gibt. Wir gehen davon aus, dass in Berlin rund 1500 Paare brüten, das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg. In anderen europäischen Großstädten ist die Nachtigall eher selten anzutreffen.
Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?
Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall braucht keine gepflegten Parks, sie liebt Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur aber ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken, Brachen und verwilderte Grundstücke gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen – ebenso wie übrigens die Spatzen, die es etwa in München oder Köln kaum noch gibt.
Was genau soll mit Ihrem Projekt erforscht werden?
Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen „Dialekten“ singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor. Das aktuelle Team besteht neben mir aus einer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und einer studentischen Mitarbeiterin, die am Nachtigallen-Gesang arbeiten, es wird zudem eine Doktorarbeit geschrieben unddie Kulturwissenschaftlerin Sarah Darwin gehört mit zum Team dazu – übrigens die Ururenkelin von Charles Darwin. Außerdem haben wir einen Web-Entwickler für die Website und die akustische Plattform, die wir für online-Forschungsarbeit der Bürgerinnern und Bürgern an den von ihnen aufgenommenen Gesänge planen.
Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.
Ja, gemeinsam wollen wir besser verstehen, wo Nachtigallen in Berlin tatsächlich vorkommen und wie sie leben. Indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Wie kann man mitmachen?
Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Handy aufzeichnen und im Internet hochladen. Dies wird zu Ende April über eine eigene Webseite des Projekts möglich sein (www.forschungsfallnachtigall.de) und mit der App „Naturblick“ des Museums für Naturkunde, die es schon seit zwei Jahren gibt und mittlerweile rund 50.000 Mal heruntergeladen wurde, und den Forschungsfall Nachtigall als Partner während der Nachtigall-Saison unterstützt. Wenn man unsicher ist, ob eine Nachtigall singt, kann man über die App auch zunächst die Vogelstimme durch eine spezielle Funktion in der App identifizieren lassen. Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt – außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden..
Über welchen Zeitraum werden die Gesänge gesammelt?
Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Gesprächsrunden oder Workshops einladen, um herauszufinden, was sie an der Nachtigall interessiert und was wir gemeinsam mit dem dann gesammelten Datensatz noch erforschen können.
Warum singen Nachtigallen eigentlich so schön? Und ab wann?
Die Berliner Nachtigallen überwintern in Afrika, in der Gegend von Ghana, im Gegensatz etwa zu den Nachtigallen aus England, die in die Gegend des Senegals und Guineafliegen. Die ersten Gesänge werden in Berlin zwischen dem 16. und 19. April erwartet – wenn nicht noch eine Kaltfront dazwischenkommt und die Ankunft verzögert. Zunächst kehren die Männchen zurück und locken dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Dies ist der Zweck des nächtlichen Gesangs.
Weiß man, was so ein Nachtigall-Männchen konkret in den Nachthimmel singt?
Ja. Meine Kollegin, die Verhaltensbiologin Conny Landgraf, hat in ihrer Forschung an der FU zum Beispiel nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers – vergleichbar etwa mit dem prächtigen Pfauenschwanz, mit dem männliche Pfauen Weibchen beeindrucken.
Wobei Nachtigallen eher unscheinbar sind, oder?
Ja,. ImEnglischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind an sich die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht, weil sie auf der Singwarte meist nicht aufgefächert werden. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten. Manchmal kann man sie beim Nestbau beobachten. Die Männchen sind etwas mutiger, gerade wenn sie auf Ästen sitzen und singen. Aber selbst da sind sie unauffällig.
Warum singen sie nachts?
Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel – denn diese kehren erst nach den Männchen zurück. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt: Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert.
Sind Nachtigallen nicht schon gut erforscht?
Einerseits ja, denn Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch die Nachtigallenforschung hat hier eine lange Tradition. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück, über das Gesangslernen und die komplexen Strukturen des Gesangs und vermutete daher auch schon lange, dass sie möglicherweise in „Dialekten“ singen. Was das aber genau bedeutet, hat sich bisher noch niemand angeschaut. Unter anderem das wollen wir mit unserem Projekt gemeinsam mit allen Berlinern und Berlinerinnen nun beantworten! Es wäre spannend, wenn dabei herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie dort anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.
Wie kommt es eigentlich, dass uns die Nachtigall so berührt? Vielleicht, weil ihr Gesang ähnliche Strukturen hat wie der menschliche Gesang? So singt sie zum Beispiel in Strophen – das heißt, es werden bestimmte Tonfolgen wiederholt und zeitlich abgesetzt von anderen. Diese Strophen wiederum bestehen aus unterschiedlichen Elementen, die Themen haben wie in einem Musikstück. Es gibt zum Beispiel Pfeif-Elemente, die aneinandergereiht sind, ich mache Ihnen das jetzt mal vor (sie pfeift einige Male in derselben Tonhöhe). Das wäre ein klassisches Thema. Darauf folgt dann meistens ein Trill-Part, der sogenannte „Schlag“ der Nachtigall. Das hört sich oft etwas krächzend oder atonal an. Deshalb hat die Nachtigall auch so viele Beschreibungen in der Poesie. Von Goethe über Hoffmann von Fallersleben bis zur englischen Literatur, etwa von John Keats‘ „Ode to a Nightingale“ bis zu William Shakespeare – alle haben die Nachtigall beschrieben, weil ihr Gesang selbst sehr poetisch ist.
Es soll ja auch Menschen geben, die nachts das Fenster schließen, wenn die Nachtigall singt.
Ja, auch das wollen wir mit unserem Projekt beleuchten. Was die einen als Gesang empfinden, mögen andere nicht hören. Ich würde sogar sagen, dass der Gesang der Amsel an sich mehr dem Mainstream-Geschmack entspricht, während die Nachtigall durch ihr unglaubliches Repertoire auch verstören kann. Es gibt harsche Triller, Basselemente, Pfeiftöne. Außerdem hat sie viele Rufe, die sehr knarzig klingen. Wer nicht weiß, dass auch das eine Nachtigall ist, die doch eigentlich flöten oder singen soll, wird es kaum vermuten.
Wie lange singen die Nachtigallen im Frühling?
Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es dadurch des Nachts selbst in Nachtigallen-Hochburgen stiller.Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen andere Rivalen!
Links:
App Naturblick im Appstore / google playstore
www.museumfuernaturkunde.berlin/de
Uta Keseling
Berlin ist die Hauptstadt der Nachtigallen, nirgendwo leben mehr als hier: Das weiß man schon länger. Aber in welchen Bezirken leben die unscheinbaren Vögel eigentlich, die ab Mitte April aus dem Süden zurückkehren? Und was haben sie sich so sanges- und lautstark zu erzählen? Warum gefällt uns das so? Ein Bürgerforschungsprojekt des Museums für Naturkunde will gemeinsam mit den Berlinern den Nachtigallen lauschen. Auch Laien können den Gesang aufnehmen,per App dokumentieren und später selber untersuchen. Ziel ist eine Nachtigallenkarte Berlins – und der Nachweis, dass die kleinen Sänger nicht nur viel singen, sondern sogar „berlinern“. Silke Voigt-Heucke (35) ist Verhaltensbiologin und seit Januar Leiterin des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Bürgerforschungsprojekts „Forschungsfall Nachtigall“ am Museum für Naturkunde.
Frau Voigt-Heucke, was macht die Nachtigall so spannend?
In erster Linie natürlich der Gesang der Männchen. Er ist unglaublich komplex und individuell. Die Männchen haben im Durchschnitt rund 190 Strophen, die sie den Weibchen vortragen. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass es in Berlin so eine hohe Nachtigallen-Population gibt. Wir gehen davon aus, dass in Berlin rund 1500 Paare brüten, das ist mehr als in anderen vergleichbaren Großstädten und sogar mehr als in Brandenburg. In anderen europäischen Großstädten ist die Nachtigall eher selten anzutreffen.
Warum liebt die Nachtigall ausgerechnet Berlin?
Weil die Stadt noch nicht so aufgeräumt ist wie andere Städte. Die Nachtigall braucht keine gepflegten Parks, sie liebt Hecken und Gebüsche zum Brüten. Je „aufgeräumter“ unsere Natur aber ist, Agrarlandschaften ebenso wie Städte, desto weniger Hecken, Brachen und verwilderte Grundstücke gibt es. Wir müssen uns bewusst sein, dass Bauprojekte und Parksanierungen die Populationen von Nachtigallen bedrohen – ebenso wie übrigens die Spatzen, die es etwa in München oder Köln kaum noch gibt.
Was genau soll mit Ihrem Projekt erforscht werden?
Die Idee ist, die Nachtigall als Symbolvogel für die Bürger der Hauptstadt sichtbar zu machen. Wo singt sie? Und was genau? Stören sie Lärm oder künstliches Licht? Dass Nachtigallen in regionalen „Dialekten“ singen, hatte vor drei Jahren schon eine Forschungsgruppe der FU untersucht, „Nightingale City Berlin“. Daraus geht nun unser Bürgerforschungsprojekt hervor. Das aktuelle Team besteht neben mir aus einer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und einer studentischen Mitarbeiterin, die am Nachtigallen-Gesang arbeiten, es wird zudem eine Doktorarbeit geschrieben unddie Kulturwissenschaftlerin Sarah Darwin gehört mit zum Team dazu – übrigens die Ururenkelin von Charles Darwin. Außerdem haben wir einen Web-Entwickler für die Website und die akustische Plattform, die wir für online-Forschungsarbeit der Bürgerinnern und Bürgern an den von ihnen aufgenommenen Gesänge planen.
Das Forschungsprojekt bezieht ausdrücklich die Berliner mit ein.
Ja, gemeinsam wollen wir besser verstehen, wo Nachtigallen in Berlin tatsächlich vorkommen und wie sie leben. Indem wir die Bevölkerung mit ihren Beobachtungen und eigenen Ideen mit einbinden, können wir den bisherigen Datensatz und unser Forschungsprojekt bereichern. Und wir denken, diese Ergebnisse auch für die Berliner selbst interessant, da Fragen nach Lärm, Licht und Umwelt die Menschen ja auch sehr bewegen. Später soll das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.
Wie kann man mitmachen?
Interessierte können den Gesang der Nachtigallen zum Beispiel mit dem Handy aufzeichnen und im Internet hochladen. Dies wird zu Ende April über eine eigene Webseite des Projekts möglich sein (www.forschungsfallnachtigall.de) und mit der App „Naturblick“ des Museums für Naturkunde, die es schon seit zwei Jahren gibt und mittlerweile rund 50.000 Mal heruntergeladen wurde, und den Forschungsfall Nachtigall als Partner während der Nachtigall-Saison unterstützt. Wenn man unsicher ist, ob eine Nachtigall singt, kann man über die App auch zunächst die Vogelstimme durch eine spezielle Funktion in der App identifizieren lassen. Die Nachtigall-Daten der Berliner werden anonym abgefragt, weitere Nutzerdaten werden nicht gesammelt – außer, man möchte gerne mit seinem Klarnamen oder auch einem Synonym am Projekt teilnehmen. So entsteht dann unsere Nachtigall-Karte, auf der man als Nutzer auch selbst nachschauen kann, wo und wann Gesänge aufgenommen wurden..
Über welchen Zeitraum werden die Gesänge gesammelt?
Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Im Winter wollen wir die Bürger zu kleinen Gesprächsrunden oder Workshops einladen, um herauszufinden, was sie an der Nachtigall interessiert und was wir gemeinsam mit dem dann gesammelten Datensatz noch erforschen können.
Warum singen Nachtigallen eigentlich so schön? Und ab wann?
Die Berliner Nachtigallen überwintern in Afrika, in der Gegend von Ghana, im Gegensatz etwa zu den Nachtigallen aus England, die in die Gegend des Senegals und Guineafliegen. Die ersten Gesänge werden in Berlin zwischen dem 16. und 19. April erwartet – wenn nicht noch eine Kaltfront dazwischenkommt und die Ankunft verzögert. Zunächst kehren die Männchen zurück und locken dann mit ihrem Gesang die Weibchen an. Dies ist der Zweck des nächtlichen Gesangs.
Weiß man, was so ein Nachtigall-Männchen konkret in den Nachthimmel singt?
Ja. Meine Kollegin, die Verhaltensbiologin Conny Landgraf, hat in ihrer Forschung an der FU zum Beispiel nachgewiesen, dass im Gesang der Männchen codiert ist, wie gut sie sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Männchen, die besondere Strophentypen darbieten und das in einer besonderen Qualität, füttern ihre Jungen besonders häufig und haben einen größeren Anteil an der Aufzucht. Der Gesang informiert also über die guten Qualitäten des Sängers – vergleichbar etwa mit dem prächtigen Pfauenschwanz, mit dem männliche Pfauen Weibchen beeindrucken.
Wobei Nachtigallen eher unscheinbar sind, oder?
Ja,. ImEnglischen gehören sie zu den „little brown birds“, also zu den kleinen braunen Vögeln, die man leicht verwechseln kann. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht. Schön sind an sich die rostbraunen Schwanzfedern, die man aber selten ausgebreitet sieht, weil sie auf der Singwarte meist nicht aufgefächert werden. Die Weibchen huschen am Boden herum, wo sie auch brüten. Manchmal kann man sie beim Nestbau beobachten. Die Männchen sind etwas mutiger, gerade wenn sie auf Ästen sitzen und singen. Aber selbst da sind sie unauffällig.
Warum singen sie nachts?
Das ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie singen im Wortsinn ihre Weibchen vom Himmel – denn diese kehren erst nach den Männchen zurück. Kein anderer Singvogel in Europa singt nachts so laut und lange. Man muss sich das so sinnlich und poetisch vorstellen, wie es klingt: Die Nachtigallen sitzen nachts auf ihrer Bühne, der Singwarte, und geben ihr Konzert.
Sind Nachtigallen nicht schon gut erforscht?
Einerseits ja, denn Berlin ist nicht nur eine Hochburg der Nachtigallen, sondern auch die Nachtigallenforschung hat hier eine lange Tradition. Man weiß deshalb viel über ihre Reviertreue – sie kehren immer wieder in die Brutgebiete zurück, über das Gesangslernen und die komplexen Strukturen des Gesangs und vermutete daher auch schon lange, dass sie möglicherweise in „Dialekten“ singen. Was das aber genau bedeutet, hat sich bisher noch niemand angeschaut. Unter anderem das wollen wir mit unserem Projekt gemeinsam mit allen Berlinern und Berlinerinnen nun beantworten! Es wäre spannend, wenn dabei herauskommen würde, dass beispielsweise Kreuzberger Nachtigallen andere Strophen benutzen oder sie dort anders aneinanderreihen als in anderen Stadtteilen.
Wie kommt es eigentlich, dass uns die Nachtigall so berührt? Vielleicht, weil ihr Gesang ähnliche Strukturen hat wie der menschliche Gesang? So singt sie zum Beispiel in Strophen – das heißt, es werden bestimmte Tonfolgen wiederholt und zeitlich abgesetzt von anderen. Diese Strophen wiederum bestehen aus unterschiedlichen Elementen, die Themen haben wie in einem Musikstück. Es gibt zum Beispiel Pfeif-Elemente, die aneinandergereiht sind, ich mache Ihnen das jetzt mal vor (sie pfeift einige Male in derselben Tonhöhe). Das wäre ein klassisches Thema. Darauf folgt dann meistens ein Trill-Part, der sogenannte „Schlag“ der Nachtigall. Das hört sich oft etwas krächzend oder atonal an. Deshalb hat die Nachtigall auch so viele Beschreibungen in der Poesie. Von Goethe über Hoffmann von Fallersleben bis zur englischen Literatur, etwa von John Keats‘ „Ode to a Nightingale“ bis zu William Shakespeare – alle haben die Nachtigall beschrieben, weil ihr Gesang selbst sehr poetisch ist.
Es soll ja auch Menschen geben, die nachts das Fenster schließen, wenn die Nachtigall singt.
Ja, auch das wollen wir mit unserem Projekt beleuchten. Was die einen als Gesang empfinden, mögen andere nicht hören. Ich würde sogar sagen, dass der Gesang der Amsel an sich mehr dem Mainstream-Geschmack entspricht, während die Nachtigall durch ihr unglaubliches Repertoire auch verstören kann. Es gibt harsche Triller, Basselemente, Pfeiftöne. Außerdem hat sie viele Rufe, die sehr knarzig klingen. Wer nicht weiß, dass auch das eine Nachtigall ist, die doch eigentlich flöten oder singen soll, wird es kaum vermuten.
Wie lange singen die Nachtigallen im Frühling?
Der nächtliche Gesang verstummt, wenn die Paare sich gefunden haben – Ende Mai wird es dadurch des Nachts selbst in Nachtigallen-Hochburgen stiller.Tagsüber verteidigen die Männchen allerdings noch bis Ende Juni lautstark ihr Revier gegen andere Rivalen!
Links:
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www.museumfuernaturkunde.berlin/de