Berlin. In der Hauptstadt wächst ein neuer Wohnungsmarkt heran. Angesichts des anhaltenden Zuzugs und Tausender fehlender Wohnungen nimmt die Nachfrage nach möblierten Wohnungen derzeit merklich zu. Neue, zum Teil sehr hochwertige Appartements für Geschäftskunden und Jobneulinge werden gebaut, für Studenten dagegen ist das bezahlbare Angebot weiterhin rar. Die Preise für bereits eingerichtete Wohnungen sind dabei nicht immer angemessen. Und nicht immer zieht jemand ein, weil er eine möblierte Wohnung sucht, sondern nur weil er nichts anderes findet.
„Wir beobachten, dass zunehmend viele Wohnungsanbieter die Marktlage ausnutzen, indem sie ein paar Möbel in die Wohnung stellen und dann hohe Mieten verlangen“, sagte Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, der Berliner Morgenpost. In Berlin fehlten nach seiner Einschätzung derzeit rund 120.000 Wohnungen. Der Mietexperte schätzt den Anteil der angebotenen möblierten Wohnungen inzwischen auf fünf bis zehn Prozent.
Die fragwürdige Praxis nehme vor allem in den beliebten Innenstadtbereichen zu. Vielfach werde so versucht, die gesetzliche Mietpreisbremse auszuhebeln. „Das kann dann gelingen, wenn der Vermieter den Möblierungszuschlag im Vertrag nicht festlegt und man die Grundmiete nicht erkennen kann“, warnte Wild. Es gebe keinen Mietspiegel für möblierte Wohnungen. Die Mietpreisbremse gilt grundsätzlich auch für möblierte Wohnungen, allerdings nicht, wenn diese nur befristet vermietet werden. Auch dann nicht, wenn der Vermieter einen Teil seiner Wohnung möbliert untervermietet.
Neue Masche vor allem in Berlin-Mitte
In ihrem Wohnungsmarktreport 2017 stellten der Immobilienfinanzierer Berlin Hyp AG und CBRE, ein großes Dienstleistungsunternehmen auf dem gewerblichen Immobiliensektor, fest, dass in Berlin vom ersten bis zum dritten Quartal 2016 rund 27,4 Prozent aller Mietwohnungsangebote zum Bereich des möblierten Wohnens gehörten. Der Anteil dürfte 2017 noch gestiegen sein. Die meisten möblierten Wohnungen werden in Mitte, Wilmersdorf-Charlottenburg und Friedrichshain-Kreuzberg angeboten. Auch Pankow und mit Abstrichen Tempelhof-Schöneberg weisen noch relativ hohe Werte auf. In diesen fünf Bezirken werden rund 75 Prozent aller möblierten Wohnungen offeriert. Allein in Mitte findet sich rund ein Fünftel der angebotenen möblierten Wohnungen.
Die Berliner Mieter-Gemeinschaft, die etwa 30.000 Mieter in Berlin vertritt, wirft dem rot-rot-grünen Senat vor, zu wenig gegen die zunehmende „Abzocke auf dem Wohnungsmarkt“ zu unternehmen. „Es müssen viel mehr kommunale Wohnungen gebaut werden“, forderte der Chefredakteur des achtmal im Jahr erscheinenden „Mieter-Echos“, Joachim Oellerich.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) bestätigt den neuen Trend: „Es liegen keine statistischen Erhebungen zur temporären Vermietung möblierter Wohnungen vor, aber wir beobachten auch, dass sich gefühlt die Zahl der möbliert vermieteten Wohnungen und Zimmer zurzeit erhöht“, sagte sie. „Die Preisdifferenz zur Miete unmöblierter Wohnungen ist oft unangemessen hoch.“
Gegen Mietwucher bei möblierten Wohnungen will der Senat nun über eine Bundesratsinitiative vorgehen. Der Entwurf enthält die Forderung, möblierte Wohnungen in das Regelungssystem einzubeziehen, um den Missbrauch bei (teil-)möblierten Wohnungen zu verhindern. Außerdem soll der Möblierungszuschlag auf einen angemessenen Betrag, höchstens zwei Prozent des Zeitwertes zu Mietbeginn, begrenzt werden.
Durchaus Vorteile beim möblierten Wohnen
Für Berufspendler, Studenten oder zeitlich befristete Angestellte bietet möbliertes Wohnen durchaus Vorteile. Größter Einzelanbieter für das temporäre Wohnen ist das landeseigene Wohnungsunternehmen Berlinovo mit 6500 Wohnungen. Berlinovo-Sprecher Ulrich Kaliner sagt: „Die Nachfrage ist enorm. Wir haben meist eine Auslastung von 90 Prozent.“ Beim Rest handele es sich um Fluktuationsleerstand, wenn etwa die Wohnungen wieder gestrichen werden.
Bei Berlinovo wird Wohnen in drei Preiskategorien angeboten – von einfachen Appartment bis hin zur Luxus-Appartement-Suite. Die komplett ausgestattet Apartments im „Easy Living-Programm“ für Azubis und Studenten beginnen bei 390 Euro für rund 30 Quadratmeter warm inklusive Nebenkosten und Strom, Wlan ist nicht im Preis inbegriffen. Die Berlinovo-Premium-Marke Central Home offeriert in bester Mitte-Lage an der Fischerinsel auf 68 Quadratmeter etwa eine Zwei-Zimmer-Suite für 1450 Euro im Monat mit hochwertiger Ausstattung.
Zusammen mit Berlinovo hat das Immobilienberatungsunternehmen JLL 2016 die Entwicklung in Berlin untersucht. Danach wächst der sogenannte graue Wohnungsmarkt, der gesetzlich schwer kontrolliert werden kann. Er speise sich vor allem aus Wohnungen, die seit Mai 2016 nicht mehr als Ferienwohnungen vermietet werden dürfen, wie Roman Heidrich, Teamleiter Wohnimmobilienverwertung bei JLL, erläutert. Ein Hauptgrund liege in der Umwandlung der inzwischen illegalen Ferienwohnungen in möblierte, kurzfristig vermietete Apartments.
„Temporäres Wohnen, unabhängig vom studentischen Wohnen, boomt in Berlin mittlerweile“, bestätigt Michael Blind, der als Geschäftsführer für die GBI AG den Betrieb der Häuser der SMARTments-Produktlinie organisiert. „Wir haben im vergangenen Jahr drei „SMARTments business-Apartment-Hotels in Berlin eröffnet – an der Fasanenstraße in der City-West, in Prenzlauer Berg und Karlshorst. Die Häuser waren vom ersten Tag voll ausgebucht.“ Weitere Projekte seien geplant.
Die aktuelle Folge des Berlin-Podcasts "Molle und Korn": Diesmal: AfD-Antrag will Berghain verbieten, So kurios reagiert das Berghain auf E-Mails, Paar hat Oralverkehr in Berliner S-Bahn, Das hält man in Lüderitz/Namibia von der Umbenennung der Berliner Lüderitzstraße:
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Abzocke mit möblierten Wohnungen kann nur der Bund stoppen