Abgeordnetenhaus-Debatte

Opposition: Senat hat 12.000 Wohnungen zu wenig gebaut

| Lesedauer: 5 Minuten
Isabell Jürgens
Mieten: Berlin ist für Normalverdiener kaum noch bezahlbar

Mieten: Berlin ist für Normalverdiener kaum noch bezahlbar

In keiner Großstadt Deutschlands sind die Mieten für Normalverdiener so unerschwinglich wie in Berlin. Zwischen 2012 und 2016 sind die Mieten in Berlin um 20% gestiegen - Platz 8 im deutschlandweiten Städteranking.

Beschreibung anzeigen

500 Tage Rot-Rot-Grün: Die Opposition wirft der Koalition vor, dringend benötigten Neubau aus ideologischen Gründen zu verhindern.

Berlin. Ganz schön mutig: Die rot-rot-grüne Regierungskoalition hat selbst dafür gesorgt, dass in der Parlamentsdebatte am Donnerstag die Wohnungsnot zum Hauptthema wurde. Mit drei gleichlautenden Anträgen „Bezahlbares Wohnen für Berlin“ machten Linke, SPD und Grüne den wachsenden Mangel an Wohnraum zum Thema der Aktuellen Stunde. Eine Steilvorlage für die Opposition im Abgeordnetenhaus, die nach 500 Tagen rot-rot-grünen Regierens die Hauptschuld für die Wohnungsmisere bei der linken Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher verortete.

„Die Koalition hat sträflich versagt“, sagte der CDU-Politiker Christian Gräff. Der wohnungspolitische Sprecher seiner Fraktion warf dem Senat eine „Nichtwohnungsbaupolitik“ vor. „Die neue Bauordnung verhindert Bauen, die Förderung von Wohneigentum wird vernachlässigt, ein Hochhausplan ist noch immer nicht in Sicht und der Ausbau von Dachgeschossen wird durch entsprechende neue Anordnungen aus dem Hause Lompscher nahezu unmöglich gemacht. Das ist ein Skandal“, sagte Gräff und forderte den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf: „Entlassen Sie Frau Lompscher und machen Sie so einen Neubeginn in der Wohnungspolitik möglich.“

Opposition listet blockierte Wohnbauprojekte auf

Auch AfD und FDP gingen mit dem Senat und insbesondere mit der Bausenatorin hart ins Gericht. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja rechnete vor, das Rot-Rot-Grün innerhalb von 500 Tagen den Neubau von 11.790 Wohnungen in diversen Stadtgebieten nicht realisiert habe.

Akribisch listete der Liberale sodann auf, wo die Senatorin durch „ideologische Stadtplanung“ Wohnungsbau blockiert habe: „Am Rande des Thälmannparks 600 Wohnungen verhindert, beim Postscheckamt Kreuzberg 750 Wohnungen, davon 58 mietpreisgedämpft, auf der Elisabeth-Aue 5000 Wohnungen verhindert, am SEZ in Friedrichshain 500 Wohnungen, auf dem Buckower Feld 900 Wohnungen, im Turm am Alexanderplatz 377 Wohnungen, an der Rhinstraße 137–139 800 bis 1000 Wohnungen, an der Konrad-Wolf-Straße 392 Wohnungen, am Westkreuz 900 Wohnungen und am Güterbahnhof Köpenick 1700 Wohnungen.“

Lompscher reagiert auf Kritik: Es wird wahnsinnig viel gebaut

Diese Quartiere hätten dazu beitragen können, den Druck auf den Markt zu senken. „Vorderste Aufgabe ist, die Baufelder in dieser Stadt zu identifizieren und sie schnell einer Bebauung zuzuführen“, sagte Czaja, der außerdem bemängelte, dass Berlin es noch immer nicht geschafft habe, ein Baulücken-Kataster aufzubauen, um so einen transparenten Überblick über freie Flächen zu bieten.

Die so gescholtene Senatorin verwies dagegen auf das beachtliche Neubaugeschehen: „Es wird in dieser Stadt wahnsinnig viel gebaut, ich weiß nicht, wo sie leben“, entgegnete sie. Bauplanungen dauerten eben einige Zeit, jedoch seien 2017 knapp 25.000 Baugenehmigungen ausgestellt worden. Damit seien, entgegen dem Bundestrend, die Zahlen nahezu stabil geblieben. „Wir nutzen alle Instrumente, um die Wohnungsnot in dieser Stadt zu bekämpfen“, so Lompscher. Wesentliche Weichenstellungen müssten jedoch auf Bundesebene erfolgen.

Jeder fünfte Berliner lebt in einem Milieuschutzgebiet

Die Senatorin nannte als wichtigen Schritt in Richtung Mieterschutz den am Dienstag im Senat beschlossenen Start einer Bundesratsinitiative, die nun mit anderen Bundesländern abgestimmt werden soll, um Mehrheiten zu organisieren. Wichtigste Eckpunkte der Initiative: Die Mietpreisbremse, deren Gültigkeit der Bund auf fünf Jahre begrenzt hatte und die demnach Ende 2020 ausgelaufen wäre, wird entfristet. Ausnahmeregelungen für umfassend modernisierte Wohnungen und bereits schon vor der Neuvermietung hohe Bestandsmieten werden gestrichen, Verstöße gegen die Mietpreisbremse werden als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Mieterhöhungen in bestehenden Verträgen sollen zudem auf 15 Prozent in fünf Jahren, statt wie bisher in drei Jahren beschränkt werden. Statt bisher elf Prozent sollen maximal sechs Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden. Außerdem soll die Umlage nur so lange gezahlt werden, bis der Vermieter die Ausgaben wieder eingenommen hat.

Senat: 194.000 neue Wohnungen müssen in Berlin gebaut werden

In Berlin müssen nach Einschätzung des Senats bis 2030 mindestens 194.000 neue Wohnungen gebaut werden. Die städtischen Wohnungsgesellschaften sollen allein in dieser Legislatur 30.000 neue Wohnungen bauen – also durchschnittlich 6000 pro Jahr. 2017 meldeten sie 2785 Fertigstellungen sowie den Baubeginn für 5044 Wohnungen. Vor zwei Wochen hatten in Berlin 13.000 Menschen gegen „Mietenwahnsinn“ demonstriert.

Von den Sozialdemokraten und Grünen kam erwartungsgemäß Unterstützung für die Bausenatorin. Mietrecht sei Bundesrecht, da könne die CDU auf Bundesebene ja jetzt beweisen, wie wichtig ihr der Mieterschutz sei, sagte Iris Spranger (SPD). Und die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger (Grüne) benannte Beschlüsse der Koalition zum Schutz von Mietern, darunter die Ausweitung von Milieuschutzgebieten. Inzwischen lebe jeder fünfte Berliner in einem Milieuschutzgebiet und sei damit besser vor Verdrängung durch steigende Mieten geschützt.

Mehr zum Thema:

2000 neue Wohnungen entstehen auf ehemaligem Rangierbahnhof

WBM baut 192 Wohnungen in Friedrichshain

Union will mehr gegen Mietwucher in Ballungsräumen vorgehen

Vielen Berlinern droht Altersarmut wegen hoher Mieten