Antisemitismus

Zentralratspräsident: Besser nicht mit Kippa auf die Straße

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Wie es zu dem antisemitischen Angriff in Prenzlauer Berg kam

Wie es zu dem antisemitischen Angriff in Prenzlauer Berg kam

Der Angreifer schlug mit einem Gürtel auf einen Kippa tragenden Israeli ein. Das Opfer filmte - und erzählt im Video, was passierte.

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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, rät davon ab, in Großstädten eine Kippa zu tragen.

Berlin. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat erneut Juden davor gewarnt, sich in Großstädten öffentlich mit einer Kippa zu ihrer Religion zu bekennen. „Trotzig bekennen wäre im Prinzip der richtige Weg“, sagte Schuster dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). „Trotzdem würde ich Einzelpersonen tatsächlich davon abraten müssen, sich offen mit einer Kippa im großstädtischen Milieu in Deutschland zu zeigen.“

Vor der Solidaritätskundgebung „Berlin trägt Kippa“ an diesem Mittwoch (18 Uhr) sagte Schuster, wenn es nicht gelinge, offenem Antisemitismus entgegenzutreten, sei die Demokratie in Gefahr. „Denn es geht nicht nur um Antisemitismus, damit einher geht auch Rassismus, damit einher geht auch Fremdenfeindlichkeit. Hier bedarf es eines klaren Stoppschildes.“

Auch Michael Müller will sprechen

Nach dem Angriff auf einen Israeli vor einer Woche in Berlin wollen Menschen in mehreren Städten ihre Solidarität zeigen. Die Jüdische Gemeinde in der Hauptstadt hat für Mittwochabend (18.00 Uhr) zu einer Kundgebung aufgerufen. Auch vor dem Kölner Dom, in Potsdam und in Erfurt wollen Menschen gegen Antisemitismus demonstrieren.

Bei der Kundgebung vor dem Haus der Jüdischen Gemeinde in der Fasanenstraße in Charlottenburg werden der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), Zentralratspräsident Schuster und der evangelische Bischof Markus Dröge sprechen. Angekündigt haben sich auch mehrere Berliner Senatoren und Politiker. Wie viele Menschen zu der Kundgebung erwartet werden, stand noch nicht fest. Bei der Polizei waren zuletzt nur wenige Teilnehmer angemeldet. Besondere Sicherheitsmaßnahmen sind nicht geplant, das Gemeindehaus wird aber ohnehin von der Polizei bewacht.

In der vergangenen Woche waren ein 21-jähriger Israeli und sein Freund im Stadtteil Prenzlauer Berg mit Kippa unterwegs, der traditionell jüdischen Kopfbedeckung. Auf der Straße wurden sie von drei arabisch sprechenden Männern antisemitisch beschimpft. Einer der Männer schlug mit einem Gürtel auf den 21-Jährigen ein. Gegen den mutmaßlichen Täter erging Haftbefehl. Es handelt sich um einen Palästinenser aus Syrien, der seit 2015 in Deutschland lebt.

Merkel beklagt neue Formen des Antisemitismus

Seitdem meldeten sich mehrere Menschen gegen Antisemitismus zu Wort. Frankfurts Bürgermeister Uwe Becker (CDU) kündigte an, am 14. Mai, dem Tag der Staatsgründung Israels, eine Kippa tragen zu wollen. Die Anwältin und Gründerin einer liberalen Moschee in Berlin, Seyran Ates, unterstützt online einen Aufruf: Unter dem Schlagwort #WirsindauchJuden posten Menschen Bilder, auf denen sie Kippa tragen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach dem Vorfall neue Formen des Antisemitismus' beklagt. Es gebe neue Phänomene, indem Flüchtlinge oder Menschen arabischen Ursprungs eine andere Form von Antisemitismus ins Land brächten, sagte sie dem israelischen Nachrichtensender „Channel 10 News“. Antisemitismus habe es aber auch schon vor Ankunft vieler Flüchtlinge in Deutschland gegeben.

Angefacht wurde die Debatte auch von einer Auszeichnung der Rapper Kollegah und Farid Bang. Die beiden wurden für ein als judenfeindlich kritisiertes Album mit dem Echo geehrt. Es enthält Zeilen wie „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“. Etliche Künstler kündigten danach an, ihre Trophäen zurückzugeben.

Um den kürzlichen antisemitischen Übergriff auf einen jungen Israeli in Prenzlauer Berg und den Antisemitismus in Deutschland geht es auch in der aktuellen Folge des Berlin-Podcasts "Molle und Korn" - "Wer Juden angreift, gehört nicht in dieses Land!"

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( dpa )