Berlin. Mülltonnen für Bioabfälle sollen im kommenden Jahr flächendeckend in der gesamten Stadt eingeführt werden. Hauseigentümer werden dann verpflichtet, mindestens eine Biotonne aufzustellen. Das sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) der Berliner Morgenpost. Sie ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Bislang liegt der Anschlussgrad der Biotonne laut BSR in der Innenstadt bei rund 80 Prozent, in den Außenbezirken beträgt er nur 20 bis 25 Prozent.
Dabei schreibt das Bundes-Kreislaufwirtschaftsgesetz bereits seit 2015 vor, dass Bioabfälle ebenso wie andere Rohstoffe getrennt gesammelt werden müssen. Lösungen auf freiwilliger Basis oder ein Anschluss lediglich von Teilgebieten einer Kommune sehe das Gesetz nicht vor, betont auch die Senatsumweltverwaltung. Das Gesetz wurde aber bislang in Berlin nicht umgesetzt. Die BSR stellt zwar jedem Hausbesitzer, der das möchte, eine Biotonne zur Verfügung, eine Verpflichtung existiert aber bisher nicht.
In Berlin dürfe nicht immer mehr Müll anfallen, der verbrannt werden muss, sagte Senatorin Pop. Das gelte vor allem angesichts der wachsenden Stadt. Auch der Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung sieht vor, die flächendeckende Biomüllsammlung „schnellstmöglich“ stadtweit einzuführen. Dabei rechneten Beobachter nicht unbedingt mit einem Start bereits im kommenden Jahr. „Wir bringen das jetzt auf den Weg“, sagte Pop. Geplant ist, dass der Aufsichtsrat der BSR in seiner nächsten Sitzung am 2. Mai dazu einen Beschluss fasst und sich auf Einzelheiten verständigt. Dann könnte die flächendeckende Biomüllsammlung im Frühjahr 2019 beginnen.
Die Tonne kostet mindestens 13 Euro pro Quartal
Ein wesentlicher Punkt bei einer solchen Reform sind natürlich die Kosten. Bislang werden für die Biotonne, je nach Größe, zwischen 13 Euro und 15,17 Euro pro Quartal bei 14-tägiger Abholung fällig. Das sei nicht kostendeckend, betont die BSR. Ein Teil werde über den sogenannten Ökotarif für die Müllabfuhr beglichen – eine Grundgebühr, die pro Haushalt und Quartal derzeit 6,39 Euro beträgt. Wie die Kosten künftig umgelegt werden, stehe noch nicht fest, sondern sei Teil der Beratung im Aufsichtsrat, erklärte die Wirtschaftssenatorin.
Die Grünen wünschen sich eine kostenlose Biotonne. Die Wirtschaftssenatorin teilt das und favorisiert eine Erhöhung der Grundgebühr. Diese würde „moderat“ ausfallen, sagte sie. Alternativ könnten auch die Kosten für die Restmüllabfuhr erhöht werden. Unklar ist ebenfalls, ob und in welcher Form den einzelnen Haushalten Mülleimer für die getrennte Sammlung von Bioabfällen zur Verfügung gestellt werden.
In Berlin wurden im vergangenen Jahr mehr als 76.000 Tonnen Bioabfall gesammelt. Die Menge ist in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen, lag sie doch 2007 noch bei knapp 53.000 Tonnen. Für die Verwertung des Biomülls betreibt die BSR in Ruhleben eine Vergärungsanlage. Das darin gewonnene Biogas entspricht 2,5 Millionen Litern Diesel pro Jahr.
Mehr als 76.000 Tonnen Biomüll hat die Stadtreinigung BSR im vergangenen Jahr eingesammelt, rund 4000 Tonnen mehr als im Jahr zuvor. Dabei werden die Bioabfälle stadtweit gar nicht flächendeckend getrennt entsorgt. In der Innenstadt steht in 80 Prozent aller Häuser eine Biomülltonne, in den Außenbezirken beträgt der Deckungsgrad nur 20 bis 25 Prozent. Das soll nach den Plänen der Regierungskoalition nun geändert werden.
Insbesondere die Grünen machen Druck, auf ihrem Parteitag am Sonnabend fordern sie die flächendeckende Aufstellung kostenloser Biotonnen (siehe Text unten). Als Aufsichtsratsvorsitzende der BSR hat sich Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bereits der Thematik angenommen und bereitet mit dem Unternehmen die flächendeckende Biomüllsammlung vom kommenden Jahr an vor. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz ist sie ohnehin bundesweit vorgeschrieben.
„Umwelt, Klima und Geldbeutel werden geschont“
„In die Biotonne gehören alle organischen Abfälle. Das hilft, Umwelt, Klima und Geldbeutel zu schonen“, wirbt die BSR auf ihrer Webseite. Weiter heißt es: „Aus dem Biogut machen wir Biogas. Das gewonnene Biogas entspricht 2,5 Millionen Litern Diesel pro Jahr. Insgesamt sparen wir durch die Aufbereitung des Bioabfalls jährlich mehr als 9000 Tonnen CO2. Selbst die Gär-Reste verwerten wir sinnvoll weiter: Sie dienen in der Landwirtschaft als Dünger.“ Allerdings hat das Unternehmen in der Vergangenheit nicht von sich aus für eine flächendeckende Anschlusspflicht plädiert. Es entstehen Ausgaben. Zum einen decken die Einnahmen aus der Biomüllabfuhr schon heute nicht die Kosten, zum anderen müssen zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden, wenn stadtweit mehr Biomülltonen geleert werden müssen.
Eine Frage ist auch, welche Abfälle überhaupt in der Biotonne landen. Für die Vergärungsanlage sind Küchenabfälle geeignet, nicht aber Laub und Strauchschnitt. In Siedlungsgebieten werden aber viele Gartenabfälle in der Biotonne entsorgt. Das ist ausdrücklich gestattet (siehe Info-Text). Energietechnisch sinnvoll bei der Vergärung ist es nicht. Besser wäre, gärfähige Küchenabfälle und kompostierbare Gartenabfälle zu trennen. Das bisherige Entsorgungssystem mit den braunen Tonnen lässt das indes nicht zu.
Zweite Vergärungsanlage vermutlich notwendig
Nach Angaben der BSR ist die Vergärungsanlage für Biomüll in Ruhleben noch nicht ausgelastet. Möglicherweise wird aber mittelfristig eine zweite Anlage nötig, wenn die Menge des Biomülls nach der stadtweiten Anschlusspflicht steigt. Laut Senatsumweltverwaltung könnten dann bis zu 100.000 Tonnen Bioabfall pro Jahr hinzukommen. Andererseits entlastet eine wirksamere getrennte Entsorgung des Biomülls die grauen Restmülltonnen und damit auch die an ihre Grenzen kommende Müllverbrennungsanlage Ruhleben. Der Anteil der Bioabfälle im Hausmüll beträgt in Berlin wie auch im Bund rund 40 Prozent. Laut Umweltverwaltung könnte der Berliner Restmüll bei getrennter Erfassung der Bioabfälle um 50.000 Tonnen pro Jahr gesenkt werden.
Die Akzeptanz der Biotonne ist sicherlich ausbaufähig. Senatorin Pop will Anreize schaffen, sie zu nutzen, etwa mit Angeboten an Hausbesitzer, die Restmülltonnen seltener zu leeren, was die Kosten senkt. Im Gegenzug könnten die Biotonnen, zumindest in der Innenstadt, wöchentlich abgeholt werden, um die Geruchsbelästigung in Grenzen zu halten.

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