Sanktionen

Mehr Strafen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt

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Darum geht es bei der Hartz-IV-Debatte wirklich

Darum geht es bei der Hartz-IV-Debatte wirklich

Hartz-IV

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In Berlin wurde 2017 in mehr als 140.000 Fällen das Arbeitslosengeld gekürzt. Grund könnte die gute Arbeitsmarktsituation sein.

Berlin.  Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger in Berlin ist im vergangenen Jahr auf 143.601 Fälle gestiegen. Das waren 7810 mehr als im Vorjahr, wie die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch auf Anfrage mitteilte. Die Sanktionsquote – also das Verhältnis von verhängten Strafen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten – lag bei fünf Prozent. Damit liegt Berlin deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 3,1 Prozent.

Eine mögliche Ursache ist die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Hauptstadt mit rund 24.500 offenen Stellen. Arbeitsagentur-Mitarbeiter würden deshalb mehr Einladungen an Hartz-IV-Bezieher verschicken, sagte ein Sprecher. Das Jobcenter kürzt die Bezüge, wenn ein Leistungsempfänger zum Beispiel Termine ohne Grund ausfallen lässt, Arbeitsangebote ablehnt oder zusätzliches Einkommen verschweigt. Ein Alleinstehender bekommt 416 Euro Regelsatz im Monat.

Die meisten Sanktionen, weil Termine nicht wahrgenommen werden

Mit 84,5 Prozent entfiel ein Großteil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse. Dazu zählt, wenn ein Hartz-IV-Empfänger zu einem Beratungstermin ohne Grund nicht gekommen ist. In diesem Fall kann das Arbeitslosengeld II vorübergehend um bis zu zehn Prozent gekürzt werden. „Drei von vier Sanktionen entstehen, weil vereinbarte Termine im Jobcenter gar nicht erst wahrgenommen werden“, sagte der Chef der Bundesarbeitsagentur, Detlef Scheele.

Deshalb böten die Jobcenter einen Termin-Erinnerungsservice per SMS an. Für die Weigerung, eine Arbeit oder Weiterbildung aufzunehmen, oder den Abbruch wurden in Berlin 13.929 Sanktionen ausgesprochen. Pflichtverletzungen gegen die Eingliederungsvereinbarung führten in 6893 Fällen zu einer Leistungskürzung. Darin schreiben die Agentur für Arbeit und ein Erwerbsloser Unterstützungsleistungen und Pflichten des Jobsuchenden fest.

Menschen unter 25 Jahren sind von den Strafmaßnahmen stärker betroffen. Das Gesetz sieht bei Jugendlichen beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine hundertprozentige Sanktion der Regelleistung vor. Komme innerhalb eines Jahres ein weiterer Verstoß hinzu, könnte auch die Miete gekürzt werden. „Drohende Wohnungslosigkeit hilft bei der Vermittlung und auch sonst nicht weiter“, so Scheele. Nach harten Sanktionen brechen einige Jugendliche den Kontakt zum Jobcenter auch ganz ab.

Berlins Arbeitssenatorin will Sanktionen abschaffen

Auch deutschlandweit hatte die Bundesagentur für Arbeit 2017 mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt als im Vorjahr. Mit knapp 953.000 zählten die Statistiker ein Plus von 13.700 Sanktionen. Im Jahresdurchschnitt 2017 gab es 4,36 Millionen Hartz-IV-Empfänger, in Berlin waren es Ende des Jahres 541.507.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte angesichts der Zahlen eine Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen. In den vergangenen Wochen hatte bereits Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Strafen infrage gestellt. „Sanktionen sind eine permanente und unzumutbare Bedrohung für die Menschen. Und deshalb gehören die Sanktionen abgeschafft“, sagte am Mittwoch Berlins Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) der Berliner Morgenpost.

Die Opposition hält das Prinzip hingegen nach wie vor für richtig. „Wenn jemand sich verweigert oder abtaucht, muss die Möglichkeit von Sanktionen als letztes Mittel erhalten bleiben“, erklärte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, Florian Swyter. Auch die AfD will an den Strafen festhalten.

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