Beim ersten Prozessauftakt am 9. Oktober 2017 war es noch überraschend, dass der Angeklagte nicht zum Prozess erschien. Beim zweiten, der am Montag vor einem Erweiterten Schöffengericht begann, nicht mehr. Der 58-Jährige Peter M. (Name geändert) ist angeklagt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Der Polizeibeamte soll am 21. März 2013 als Pilot eines Hubschraubers vom Typ EC 155 B „Super Puma“ auf dem Maifeld am Olympiastadion eine tödliche Karambolage verursacht haben.
Es war eine Übung der Bundespolizei. Trainiert werden sollte - unter Beobachtung der Medien - der Einsatz gegen Hooligans. Dafür mussten Polizeikräfte von drei Hubschraubern in den Tatortbereich gebracht werden. Am Montag wurden im Gerichtssaal Videomitschnitte der polizeilichen Aktion gezeigt. In der Nacht zuvor hatte es geschneit. Die ersten beiden Hubschrauber landeten planmäßig nebeneinander, wirbelten dabei aber derart kräftig Schnee auf, dass die Hubschrauber nicht mehr zu sehen waren. Sekunden später kam der von Peter M. gesteuerte Hubschrauber.
Er wollte - von Piloten aus gesehen - links neben dem mittleren Hubschrauber aufsetzen. Die Videos zeigen, wie der „Super Puma“ plötzlich abdriftete. Die Karambolage selbst war im erneut aufgewirbelten Schnee nicht mehr zu erkennen. Der 40 Jahre alte Pilot des mittig stehenden Hubschraubers wurde vom Bruchstück eines Rotorblattes getroffen und verstarb noch am Unfallort. Weitere neun Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
Pilot wurde von Trümmerteil getroffen und verstarb
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Peter M. den während der Landung seines Hubschraubers herrschenden Schneefall und die dadurch eingeschränkte Sicht unterschätzte. Anstatt das geplante Flugmanöver abzubrechen, habe er pflichtwidrig versucht, seine Position zu ändern - und so die tödliche Karambolage verursacht.
Der Verteidiger von Peter M. erklärte, dass seinem Mandanten das Geschehen furchtbar leid tue. Gleichzeitig weise Peter M. jegliche Schuld zurück. Die Karambolage sei in dieser konkreten Situation „unabwendbar“ gewesen, nachdem es „zum Zeitpunkt des Handelns einen vollständigen, nicht absehbaren Orientierungsverlust“ gegeben habe.
Eine Journalistin, die im mittig stehenden Hubschrauber saß, berichtete als Zeugin vor Gericht, dass sie den bedrohlich näher kommenden „Super Puma“ gesehen habe. Ein Beamter habe noch gesagt, „der kommt ja viel zu nahe“, da habe es schon gekracht. Die 30-Jährige erlitt ein Schädelhirntrauma.
Zweiter Schwerverletzte hatte Hubschrauberteil im Rücken
Ein Bundespolizist, der ebenfalls im mittig stehenden Hubschrauber saß, wurde an der Schulter getroffen. „Ich dachte anfangs, meine Schulter ist ausgekugelt“, sagte der 39-jährige Marek G. am Montag vor Gericht. Dann habe er gehört, dass es einen weiteren Schwerverletzten gebe. Und als er einen Kollegen, fragte, wer damit gemeint sei, hab der geantwortet: „Na du!“ Erst in diesem Moment sei ihm bewusst geworden, dass in seinem Rücken ein Hubschrauber-Teil steckte, erinnerte sich der Zeuge. Nachwirkungen hat die Karambolage immer noch, Marek G. ist körperlich nicht mehr voll belastbar, verrichtet aber weiter seinen Dienst.
Der Leiter der Bundespolizei-Fliegerstaffel Blumberg, Klaus-Jürgen Jess, berichtete sichtlich bewegt, dass er damals der Familie des getöteten Piloten die Todesnachricht überbringen musste. Er habe zu der Familie auch heute noch engen Kontakt, sagte er. Den Angeklagten beschrieb Jess als einen sehr erfahrenen Hubschrauber-Piloten“. Peter M. sei nicht zufällig für den medienträchtigen Einsatz am 21. März 2013 ausgewählt worden. Der 57-Jährige ging vor Gericht davon aus, dass er beim Anflug trotz des wehenden Schnees gute Sicht hatte.
Der eigens eingesetzte Einweiser sei jedoch gestürzt. Vermutlich wegen des Luftdruckes durch den sich näherenden Hubschrauber. So habe Peter M. den für Landungen dringend notwendigen Bezugspunkt - Jess nannte es „Reverenzpunkt“ - verloren. Vermutlich habe er deswegen versucht, den Hubschrauber nach oben zu reißen. Dafür sei es aber zu spät gewesen, weil ein Rad schon den Boden berührte. In der Konsequenz, so Jess, sei der Hubschrauber nach rechts, gegen den mittig stehenden Hubschrauber gedriftet.
Der Angeklagte geht davon aus, frei gesprochen zu werden
Der Leiter der Fliegerstaffel hatte gegen Peter M. nach der Katastrophe auf dem Maifeld kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das wäre für den Beamten nach diesem ohnehin „unfassbaren Einschnitt“ eine zu große psychische Belastung“ gewesen. Peter M. wurde auch nicht suspendiert und steuert weiterhin Hubschrauber; jetzt aber nur noch in Begleitung eines zweiten Piloten.
Am 9. Oktober 2017 war Peter M. in Abwesenheit per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 9000 Euro verurteilt. Dagegen legte er Einspruch ein. Und so kam es dann auch zum aktuellen, in seiner Abwesenheit geführten Strafprozess. Richter Kai-Uwe Herbst, sagte zu Prozessbeginn, dass es von der Staatsanwaltschaft Angebote an den Angeklagten gegeben habe. Die Rede war von einer Verurteilung zu einer „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ und sogar einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage. Peter M. habe jedoch beide Angebote ausgeschlagen. Offenkundig will er einen Freispruch. Der Prozess wird am 11. April fortgesetzt.
Pilot nach tödlichem Hubschrauberabsturz verurteilt
Verletzte Bundespolizistin erhält kein Schmerzensgeld