Politik

Nußbaum wird Staatssekretär beim Studienfreund

| Lesedauer: 6 Minuten
Joachim Fahrun
Ulrich Nußbaum (Archivbild)

Ulrich Nußbaum (Archivbild)

Foto: Reto Klar

Ulrich Nußbaum, bis 2014 für die SPD Finanzsenator in Berlin, steigt bei CDU-Wirtschaftsminister Altmaier ein

Völlig überraschend wird die Hauptstadt in der Regierungsmannschaft der großen Koalition auf einem weiteren Posten vertreten sein. Nach der von der SPD als Familienministerin nominierten Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey und der langjährigen Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (CDU) wird ein alter Bekannter in die zweite Reihe des Wirtschaftsministeriums einrücken. Der designierte Minister Peter Altmaier (CDU) holt den früheren Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum als beamteten Staatssekretär. Die übereinstimmenden Berichte mehrerer Medien zu der Personalie wollte Nußbaum auf Anfrage der Morgenpost nicht kommentieren.

Bemerkenswert daran ist zunächst die politische Flexibilität des parteilosen Unternehmers. Zunächst in Bremen und von 2009 bis 2014 auch in Berlin war Nußbaum als Senator für die Landesfinanzen zuständig, jeweils in einem von der SPD dominierten Senat. Dabei arbeitete der Jurist in Berlin mit Koalitionspartnern von der Linken ebenso zusammen wie später mit Unions-Politikern. Jetzt wechselt er in ein CDU-Ressort. Im Berliner Senat reagierte man „erstaunt“ auf die Personalie, die die Drähte Berlins zur Bundesregierung noch einmal enger knüpft.

Wowereit holte Nußbaum von der Nordsee nach Berlin

Nach Berlin kam der Mann aus Bremerhaven, weil ihn der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in seiner Bremer Zeit kennengelernt hatte und sich bei der Suche nach einem Nachfolger für den zur Bundesbank abgewanderten Thilo Sarrazin 2009 an ihn erinnerte. Als Wowereit fünf Jahre später zurücktrat, schied auch Nußbaum aus.

Der Abschied des heute 60-Jährigen beruhte auf Gegenseitigkeit: Weder hatte Nußbaum Lust, unter Wowereits Nachfolger Michael Müller zu arbeiten, noch wollte Müller den eigenwilligen Unternehmer weiter beschäftigen. Mit dessen Nachfolger Matthias Kollatz-Ahnen begann das finanzpolitische Umsteuern, weg vom Sparen, hin zu mehr Geld ausgeben und mehr Investitionen. Immer wieder meldete Nußbaum seither auch öffentlich Bedenken und Kritik am neuen Kurs des Senats an.

Mit seinem neuen Chef Peter Altmaier teilt Nußbaum eine sehr viel längere gemeinsame Geschichte als einst mit Klaus Wowereit. Beide studierten Anfang der 80er-Jahre gemeinsam Jura an der Universität des Saarlandes. Seitdem hielten sie Kontakt. „Die beiden sind befreundet“, heißt es.

Der heutige Minister Altmaier ist selbst Saarländer. Nußbaum wuchs im nahe gelegenen Rheinland-Pfalz in der Nähe von Trier auf. Von Saarbrücken aus zog der Handwerker-Sohn dann in die Welt, studierte in Genf, Straßburg und London, ehe er dann an der Nordseeküste sesshaft wurde.

Als Fischhändler machte der Unternehmer ein Vermögen

Er stieg in Bremerhaven ins Fischhandelsgeschäft ein. Er leitete mehrere Unternehmen, ehe er 1998 seine eigene Firma übernahm. Mit der SLH Sea Life Harvesting Gruppe machte der Unternehmer dann ein veritables Vermögen, inklusive all der Statussymbole wie der edlen Bentley-Limousine oder den Flügen im Privatjet durch Europa. Nach Engagements in der Handelskammer Bremerhaven holte ihn der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf in die Politik. Der Sozialdemokrat machte den Millionär 2003 zum Finanzsenator des klammen Stadtstaates an der Weser.

Nußbaum steht in vielen Themen der Sozialdemokratie nahe. So ist er ein Gegner der Privatisierung öffentlicher Leistungen. Zu einem seiner größten Erfolge gehört in diesem Zusammenhang der von ihm ausgehandelte Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe. Auch sozialpolitisch steht er eher links. Pseudo-Unternehmer, die im Schutze des öffentlichen Sektors große Gewinne einstreichen, mag er nicht.

Aber vereinnahmen ließ er sich nie von der SPD. Ihn zu bedrängen führte eher zum gegenteiligen Effekt, was auch etwas über Nußbaums bei aller Offenheit bisweilen dickschädeligen Charakter aussagt. 2007 sollte er im neuen Bremer Senat von Jens Böhrnsen Wirtschaftssenator werden. Aber er warf die Brocken hin, als ihn der damalige Bremer SPD-Chef per Brief zum Eintritt in die Partei aufforderte. Auch in Berlin traf man ihn zwar oft auf SPD-Parteitagen, eingetreten ist er in die SPD aber nie. „Leute wie ich sind zu unabhängig“, sagte er 2016 der „Zeit“, „die müssen sich nicht immer an die Parteilinie halten, um weiter einen Job zu haben.“

Nußbaum war schnell Teil der Berliner Gesellschaft

Zu seinem Schaden war das nicht. Als Wowereit nach einem unabhängigen Kopf suchte, um das Sanierungswerk des knorrigen Thilo Sarrazin an den Berliner Finanzen zu vollenden, war Nußbaum zur Stelle. Einher ging damit ein für den durchaus auf Geltung bedachten Millionär ein Wechsel aus der Provinz in die Metropole. Schnell war Nußbaum Teil der Berliner Gesellschaft. Er zog mit Frau und den fast erwachsenen Kindern an den Gendarmenmarkt, tafelte gern im „Borchardt“ und ließ sich bei Empfängen sehen.

In der Berliner Politik atmeten nicht wenige laut auf, als sie es anstelle des eigenbrötlerischen Sarrazin nun mit einem weltgewandten Plauderer zu tun hatten. Viele lobten sein im Vergleich zum Sparfuchs Sarrazin ausgemachtes „unternehmerisches Denken“. Nußbaum war stets zu einem Handel bereit, wenn etwas für Berlin herauskam. Er sei eben ein Fischhändler, da lerne man Geschäfte zu machen, sagte er oft im Scherz. Und natürlich zog er auch in der Hauptstadt die Fäden und besetzte Posten etwa in Aufsichtsräten landeseigener Unternehmen mit Leuten aus seinem gut gepflegten Netzwerk.

Seit Ulrich Nußbaum mit gerade 56 Jahren aus der Politik ausschied, war er auf der Suche nach einer Aktivität, die seinen Ansprüchen genügte. Aufs gepflegte Altenteil hat der Senator a. D. keine Lust. So ging er in Zeitungskolumnen oft und gerne mit der Politik seiner Nachfolger im Senat ins Gericht. Auch das Ehrenamt als Vorsitzender des Lobby-Verbandes Deutsches Verkehrsforum hat Nußbaum nicht ausgelastet. „Dem war langweilig“, sagt einer, der den Ex-Senator schon länger kennt. An Arbeit dürfte es Nußbaum nicht mangeln. Wie es heißt, soll er im Ministerium zentrale Bereiche wie die Wirtschafts-, Industrie- und Außenwirtschaftsabteilungen übernehmen.