Abgeordnetenhauswahl

"Tegel-Retter" FDP will 2021 in Berlin wieder mitregieren

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Lorenz Vossen
Sieht sich und seine Partei zu Höherem berufen: FDP-Generalsekretär und Fraktionschef Sebastian Czaja

Sieht sich und seine Partei zu Höherem berufen: FDP-Generalsekretär und Fraktionschef Sebastian Czaja

Foto: Paul Zinken / dpa

Auf ihrem Landesparteitag gibt sich die Berliner FDP kämpferisch: Ab 2021 will man in der Hauptstadt wieder an der Macht sein.

Als erste Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat die FDP nun eine eigene App. Passend zur digitalen Vorreiterrolle, die man sich auf den Leib geschrieben hat, soll der „Fortschrittsbeschleuniger“ eine Brücke zwischen Bevölkerung und Parlament schlagen. Konkret bedeutet das: Die Bürger können aus ihrem Bezirk Probleme melden. „Auf dem Hermsdorfer Damm zwischen Tegel und der Heinsestraße fehlt ein Fahrradweg in Richtung Hermsdorf“, vermeldet etwa ein Anwohner aus Reinickendorf. Aus Neukölln beschwert sich einer über fehlende Straßenbeleuchtung.

Probleme über Probleme in Berlin, genau so sieht das auch die FDP, wie am Sonnabend auf dem Landesparteitag in Schöneberg deutlich wurde. Am allerdeutlichsten, als der am Freitag als Generalsekretär wiedergewählte Sebastian Czaja ans Mikrofon trat. Es wurde eine Abrechnung mit dem rot-rot-grünen Senat – und eine Kampfansage. Für einen bestimmten Begriff hätte es auf den Versammlungen des politischen Aschermittwochs in der ganzen Repu­blik immer Extra-Applaus gegeben, führte Czaja aus: den der „Berliner Verhältnisse“.

Die FDP strotzt vor Selbstbewusstsein

„Hören wir endlich auf, staatliches Versagen als ,typisch Berlin‘ hinzunehmen“, sagte der gebürtige Berliner, der auch der Fraktionschef seiner Partei im Abgeordnetenhaus ist. Berlin müsse wieder zu einer respektierten Weltmetropole werden, die stolz auf sich selbst sein könne. Doch der Senat wage keinen Aufbruch, verstehe die eigenen Bürger nicht und würde am Ende des Tages nicht mal deren Willen durchsetzen – eine Anspielung auf den erfolgreichen Volksentscheid zur Offenhaltung Tegels, die der Senat aber für unmöglich hält. Für seine Rede, die die Mitglieder dank manch scharfzüngigem Witz auch zum Lachen brachte, bekam der 34-Jährige stehende Ovationen.

Die FDP strotzt vor Selbstbewusstsein. Bei der Wahl 2011 war sie noch mit 1,8 Prozent der Stimmen abgewatscht worden. 2016 reichte es dann mit 6,8 Prozent für die Rückkehr auf die Oppositionsbank – der „Tegelretter“-Kampa­gne sei Dank. Jetzt fühlt man sich zu Höherem berufen: Ab der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2021 will man wieder mitregieren. Das Rezept dafür: Abschaffung des verhassten Mobilitätsgesetzes, das aus Sicht der Liberalen nur den Radfahrern nützt. Ein Baulücken-Kataster, um Flächen für neue Wohnungen zu ermitteln. Mehr Tempo bei der Digitalisierung und beim Schulneubau sowie mehr „reale Sicherheit“ durch mehr Polizisten und mehr Justizbeamte und nicht – wie derzeit durch die CDU im Rahmen eines Volksbegehrens vorangetrieben – mehr Videokameras.

Wie sich die FDP die Zukunft der Stadt vorstellt, wurde auch anhand der Anträge auf dem Parteitag deutlich. So wurde ein Antrag verabschiedet, in dem eine engere Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg gefordert wird. Man müsse die Metropolregion „als Ganzes“ denken, heißt es dort. Bei Wohnungsbau, Verkehr, der Wirtschafts-, Energie- oder Umweltpolitik seien neue Impulse für gemeinsame Konzepte nötig. Die FDP wolle sich auf allen Ebenen enger mit den Liberalen in Brandenburg verzahnen, um gemeinsame Initiativen zu entwickeln und voranzubringen.

Kontroverser Beschluss zur Organspende

Mit breiter Mehrheit abgelehnt wurden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, die wegen der hohen Stickoxidbelastung auch in Berlin drohen. Es könne nicht sein, dass die Menschen gezwungen würden, sich neue Autos zu kaufen. Der FDP-Verkehrsexperte Henner Schmidt merkte an, dass die Grenzwerte für Stickoxide nur an einigen wenigen Hotspots überschritten würden.

Nach kontroverser Debatte beschlossen die Delegierten zudem die Forderung, Regelungen zu Organspenden zu ändern. Nach dem Willen der FDP sollen künftig alle Verstorbenen als Spender zur Verfügung stehen, wenn sie dem als Volljährige zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen haben. So ist das in vielen europäischen Staaten bereits üblich. In Deutschland hingegen werden Toten nur dann Spenderorgane entnommen, wenn sie dem zu Lebzeiten zugestimmt haben, etwa in einem Organspenderausweis. In der Folge spenden nur wenige lebenswichtige Organe, die Wartelisten sind lang.

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