Der Zorn bei den Linken und Grünen über den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist noch nicht verraucht. Im rot-rot-grünen Senat musste er sich am Dienstag Vorwürfe von beiden Koalitionspartnern anhören. Linke wie Grüne forderten ihn nachdrücklich auf, künftig die Interessen der eigenen Koalition vor die Parteiinteressen in einer Koalition im Bund zu stellen. Müller hatte sich am Freitag im Bundesrat nicht dem Antrag Schleswig-Holsteins angeschlossen, den Vermittlungsausschuss wegen der Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge anzurufen. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) kritisierte daraufhin Müllers Enthaltung noch im Plenum der Länderkammer.
Der Regierende Bürgermeister verteidigte sein Vorgehen. Er habe sich wie vorgesehen enthalten, wenn man sich in Bundesratsfragen nicht einig sei, habe Müller im Senat gesagt. Der Antrag habe angesichts der Mehrheiten in der Länderkammer keine Aussicht auf Erfolg gehabt und sei ein unwirksames Instrument gewesen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) soll sich hinter diese Argumentation gestellt haben, hieß es. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Justizsenator Dirk Behrendt (beide Grüne) rügten hingegen Müllers Verhalten. Im Koalitionsvertrag sei festgeschrieben, dass Berlin den Familiennachzug erleichtern und ihn über eine Bundesratsinitiative ausweiten will.
Nächste Woche tagt dazu der Koalitionsausschuss
Grünen-Landeschefin Nina Stahr sagte der Berliner Morgenpost: „Wir bestehen darauf, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird. Wir selbst halten uns auch daran.“ Sie fügte hinzu: „Wäre es im Bund zu einem Jamaika-Bündnis gekommen, dann hätten die Berliner Grünen auch zu den Verabredungen auf Landesebene stehen müssen.“ Linke-Fraktionschefin Carola Bluhm betonte, man enthalte sich im Bundesrat, wenn man sich nicht einig sei. „Wir sind uns aber einig beim Familiennachzug und haben dies auch im Koalitionsvertrag festgelegt.“ Nächste Woche soll das strittige Thema in den Koalitionsausschuss.
Die Grünen-Fraktion fordert inzwischen, dass „Berlin nach der vertanen Chance im Bundesrat jetzt in der Pflicht stehe, alle landesrechtlichen Spielräume auszuschöpfen“. Die Programme für den Familiennachzug von Syrern und Irakern seien die landesrechtliche Möglichkeit, Familienangehörige einreisen zu lassen. Die Bürgschaftsverpflichtung für engagierte Privatpersonen sollte auf zwei Jahre gesenkt werden.
Als Retourkutsche bekam Müller im Senat keine Zustimmung zu zwei Bundesratsinitiativen. „Ein positives Signal an viele Tausend Studierende wäre heute gut gewesen. Wir brauchen diese Verbesserungen beim Bafög“, bedauerte Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung. Da es keine inhaltlichen Differenzen gebe, gehe er von einer Zustimmung in einer der kommenden Sitzungen des Senates aus, sagte Krach auf Anfrage.
Antrag: Berlins SPD soll weiter gegen GroKo vorgehen
Lederer kritisiert Müller bei Bundesratssitzung