Berlin. Am Wochenende schlug Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) der geballte Anwohnerunmut entgegen, als sie bei der Auftaktveranstaltung zur Bürgerbeteiligung „Blankenburger Süden“ die Planungen ihrer Verwaltung für das Baugebiet vorstellte. Denn anders als in den Vorplanungen besprochen, sollen nun statt 6000 rund 10.000 Wohnungen errichtet werden. Das kam bei den rund 700 Besuchern der Veranstaltung gar nicht gut an.
Frau Lompscher, haben Sie die Anwohner ausgetrickst?
Katrin Lompscher: Ganz klar: Nein. Bei der Auftaktveranstaltung am vergangenen Sonnabend wurden die drei Entwicklungsalternativen zum allerersten Mal öffentlich vorgestellt. Wir sind noch ganz am Anfang des Planungsprozesses. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass die Menschen überrascht reagieren, denn bis auf einige wenige hatten die meisten der 700 Bürgerinnen und Bürger von dem Projekt vorher im Detail nichts gehört.
Tatsächlich wollen Sie nun aber 10.000 statt der bislang kommunizierten 5000 bis 6000 Wohnungen bauen. Das ist doch Trickserei?
Auch das ist keine Trickserei. Die Differenz erklärt sich daraus, dass es sich um zwei verschiedene Sachverhalte handelt. Es stimmt, dass eine Größenordnung von 5000 bis 6000 Wohnungen auf einer 70 Hektar großen landeseigenen Fläche, den ehemaligen Rieselfeldern, geplant ist und auch vorab bekannt gegeben war. Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung wurde jedoch nicht nur das Kerngebiet betrachtet, sondern ein deutlich größeres Untersuchungsgebiet mit einer Fläche von rund 420 Hektar. Darunter viele brachliegende oder wenig genutzte Gewerbeflächen, wie etwa die alte Heinersdorfer Gärtnerei. Im Gesamtgebiet befinden sich weitere Potenziale für notwendige Infrastruktur und auch weitere Wohnungspotenziale.
Dann ging es in Wahrheit nie um 5000, sondern um 10.000 Wohnungen?
Im Laufe der vorbereitenden Untersuchung hat sich die Planung weiterentwickelt, das ist richtig. Richtig ist auch, dass diese Weiterentwicklung leider nicht transparent kommuniziert wurde, das bedauere ich sehr.
Die Planungen laufen seit zwei Jahren. Seit wann wissen Sie selbst denn, dass es im Blankenburger Süden nicht um 6000, sondern 10.000 Wohnungen geht?
Die Erarbeitung der Varianten war Anfang Februar 2018 so weit abgeschlossen, dass das gestiegene Wohnungsbaupotenzial erkennbar war. Leider wurden diese Erkenntnisse nicht mit den am Planungsprozess beteiligten Bürgergruppen vorab besprochen.
Bleibt es dabei, dass Anwohner ihre Häuschen und Gärten aufgeben sollen und Grünflächen verschwinden?
Der Nordosten Berlins hat sich seit den 1990er-Jahren zwar baulich weiterentwickelt, jedoch ohne übergeordnetes stadtplanerisches Konzept. Dadurch sind Probleme entstanden, unter denen die Anwohner leiden, etwa das massive Verkehrsproblem oder der Mangel an Schulplätzen. Es ist schon lange klar, dass da einiges im Argen liegt und planerisch angefasst werden muss. Die Erholungsanlage Blankenburg ist übrigens nicht primär durch den Wohnungsneubau betroffen, sondern durch die dringend erforderliche Straßenerschließung der Tangentialverbindung Nord, die sogenannte TVN. Diese Verbindung ist übrigens schon im Flächennutzungsplan von 1994 vorgesehen, also eigentlich lange bekannt. Wir haben jetzt die Chance, die vielen infrastrukturellen Defizite im Blankenburger Süden schrittweise zu beheben. Im weiteren Prozess geht es nun darum, zusammen mit den Anwohnern die Varianten A, B und C zu diskutieren und dann zu einer gemeinsamen Variante D zu kommen. Erst dann wissen wir auch, wie viele tatsächlich betroffen sind.
Und wer ist nun für diesen Kommunikationsfehler in Ihrer Behörde verantwortlich?
Das klären wir gerade auf.
Die Anwohner ärgern sich nicht nur über mangelnde Transparenz, sondern auch die schiere Masse an Wohnungen. Werden Sie da Abstriche vornehmen?
Berlin hat schon jetzt ein Defizit von 77.000 Wohnungen, die seit 2013 zu wenig gebaut wurden, da können wir nicht mal eben auf zusätzliche Wohnungen verzichten. Aber wie viel genau, wo und in welcher Weise gebaut wird, da gibt es noch viel Bewegung. Ich betone auch noch einmal, dass wir von einem mittel- bis langfristigen Vorhaben sprechen. Und: Es werden erst Wohnungen gebaut, wenn die bestehenden Verkehrsprobleme vor Ort gelöst sind.
Welche Konsequenz ziehen Sie aus dem Planungsdesaster auch für andere Entwicklungsvorhaben?
Von einem Planungsdesaster würde ich nicht sprechen, aber das war ganz sicher kein gelungener Auftakt, so viel ist ja klar. Wir müssen deshalb in Zukunft noch stärker darauf achten, dass frühzeitig Transparenz hergestellt wird. Das Thema ist in jedem Bürgerbeteiligungsverfahren enorm wichtig. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass wir weiter auf dem Kurs der verstärkten Bürgerbeteiligung bleiben müssen.

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