Nach Kandts Abgang

Das sind die größten Baustellen für die neue Polizeiführung

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Alexander Dinger
Klaus Kandt ist in den Ruhestand versetzt worden

Klaus Kandt ist in den Ruhestand versetzt worden

Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt ist am Montag von seinen Aufgaben entbunden worden. "Die Polizei muss freigemacht werden von den Debatten der Vergangenheit", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag.

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Vom Image der Polizei, über Ausrüstung bis zur Nachwuchsgewinnung. Auf die Verantwortlichen warten in Berlin viele Herausforderungen.

Berlin. Ihren Arbeitsnachweis liefert die Polizei jedes Jahr mit der Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistik. Wenn Innensenator Andreas Geisel (SPD) diesen März vor die Presse tritt und die Zahlen für 2017 präsentiert, dann ist das auch ein nachträgliches Arbeitszeugnis für den entlassenen Polizeipräsidenten Klaus Kandt.

Nach der leicht positiven Entwicklung 2016 mit weniger Gewaltdelikten, wird Geisel nach Informationen der Berliner Morgenpost auch für 2017 einen insgesamt positiven Trend verkünden. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass die Gründe für die Entlassung Kandts offenbar andere sind. Die Berliner Morgenpost analysiert die größten Baustellen:

Personal: Die Berliner Polizei mit ihren insgesamt knapp 24.000 Mitarbeitern steht vor einem gewaltigen Umbruch. Bis zum Jahr 2022 gehen knapp 40 Prozent der rund 16.000 Vollzugsbeamten in den Ruhestand. Diese Abgänge müssen kompensiert werden. Doch das genügt nicht. Da Berlin rasant wächst, müssen sogar mehr Polizisten eingestellt werden, als in den Ruhestand gehen.

Allein im Doppelhaushalt 2018/2019 sind 800 zusätzliche Stellen vorgesehen. Für die Berliner Polizei wird es aber immer schwieriger, neue Bewerber zu finden. In der Innenverwaltung ist man davon überzeugt, dass man nur geeigneten Polizeinachwuchs findet, wenn das Außenbild stimmt. Mit Kandt als Kopf der Behörde sei ein neues Image nicht möglich, heißt es. Mit einem neuen Polizeipräsidenten schon.

Polizeiakademie: Vieles aus dem Bereich der Nachwuchsgewinnung fällt auch mit den Skandalen um die Polizeiakademie zusammen. Um die Polizeischule in Ruhleben hatte es im Herbst vergangenen Jahres viele Diskussionen gegeben. Anonyme Vorwürfe zu den Zuständen hatten wochenlang für Debatten gesorgt. Die Rede war unter anderem von Disziplinlosigkeit, Lernverweigerung und schlechtem Deutsch in einer Klasse mit vielen Auszubildenden aus Einwanderer­familien.

Dagegen hatten sich die Betroffenen öffentlich gewehrt. Noch schwerer wog der Vorwurf, die Akademie sei durch kriminelle Clans unterwandert. Beweise für eine solche Unterwanderung gibt es bis heute nicht. Der Unmut vieler Auszubildenden und Lehrer kam von einer Strukturreform, die auf mehr Praxis und weniger Theorie setzte. Ein neuer Polizeipräsident muss gemeinsam mit den neuen Akademieleitern die Strukturreform nachbessern. Das heißt konkret: Die Betreuung an der Akademie muss verbessert und der Lehrplan noch einmal nachbearbeitet werden.

Ausstattung: Eigentlich ist die Berliner Polizeiführung in einer komforta­blen Situation. Die Kassen sind voll und nach Jahren des Stillstandes soll wieder investiert werden. Innensenator Geisel, dem nachgesagt wird, dass er Dinge anpackt und schnell lösen will, soll zuletzt immer häufiger verärgert über eine eher behäbig agierende Polizeiführung gewesen sein. Die Polizei soll unter anderem neue Schutzwesten, neue Helme, Dienstpistolen, Videowagen und Fahrzeuge bekommen. Auch in die Infrastruktur der maroden Wachen soll investiert werden. Polizisten bemängeln aber, dass viele Dinge versprochen werden, aber vor Ort nur sehr schleppend ankommen. Ein neuer Polizeipräsident muss für bessere Stimmung bei der Polizei sorgen. In der Innenverwaltung ist man davon überzeugt, dass Erfolge, die man in den vergangenen Monaten erzielt hat, auch behördenintern besser kommuniziert werden müssen.

Schießstände: Noch nicht ausgestanden ist die Affäre um schadstoffbelastete Schießstände bei der Berliner Polizei. Dadurch, dass Polizeipräsident Klaus Kandt in den Ruhestand versetzt wurde und seine Vizechefin Margarete Koppers am 1. März ihren neuen Posten als Generalstaatsanwältin in Berlin antritt, wird die neue Polizeiführung von der Innenverwaltung aus der Schusslinie genommen. Kritiker werfen Kandt und Koppers vor, dass sie sich in früheren Jahren nicht genug um den Gesundheitsschutz von Polizisten gekümmert haben. Gegen beide laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Ein neuer Polizeipräsident muss sich nun vor allem darum kümmern, dass der Bau neuer Schießanlagen zügig vorangetrieben wird und es zu einer spürbaren Verbesserung der Situation der Polizisten kommt.

Ermittlungspannen: In der Kritik stand die Berliner Polizei auch wegen Ermittlungs- und Kommunikationspannen. Am schwerwiegendsten sind die Vorwürfe der Aktenmanipulation im Fall Anis Amri. Der Verdacht: Die Innenverwaltung wurde von der Polizei nach dem Anschlag wissentlich falsch über Hintergründe zur Person Amri informiert. Auch im Skandal um Spitzellisten des Türkischen Geheimdienstes (MIT) ließ die Berliner Polizei ihren Innensenator hängen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) leitete eine Spitzelliste des MIT, auf der auch 25 Berliner Namen stehen, am 7. März 2017 an die Landespolizeibehörden weiter. Die deutschen Sicherheitsbehörden sollten dem Erdogan-Regime helfen. Politisch war das heikel. Innensenator Geisel selbst erfuhr aber erst am 29. März durch Medienberichte von dem Papier. Weitere peinliche Polizei-Pannen in den vergangenen Monaten waren auch mehrere Einbrüche in Polizeiliegenschaften. Darunter ein spektakulärer Einbruch in die polizeihistorische Sammlung des Präsidiums am Platz der Luftbrücke – nur wenige Meter vom Büro von Klaus Kandt entfernt.

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