Anfahrende Autos, Straßenbahnen, Flugzeuge am Himmel: Berlin ist laut, das ist kein Geheimnis. Es gibt jedoch große Unterschiede. Wie laut es in Ihrer Wohnung genau ist, und ob die Lärmbelastung schon gesundheitsschädigend ist, kann jetzt jeder Berliner in der interaktiven Karte der Berliner Morgenpost herausfiltern. Wer in der Online-Grafik seine Adresse im Suchfeld eingibt, erfährt mit einem Klick, wie viel Dezibel dort im Durchschnitt täglich gemessen werden. Die Anwendung verrät aber auch, welche Faktor die größten Lärmverursacher sind. Unterschieden wird zwischen Auto-, Bahn- und Luftverkehr.
Jede Fassade ist eingefärbt: dunkel lila bedeutet, dass die Lärmbelastung sehr hoch ist, ein helles blau dagegen lässt auf ein sehr ruhiges Umfeld schließen. Vor allem für Menschen, die vorhaben, die Wohnung zu wechseln oder eine Immobile zu kaufen, dürfte ein Blick in die interaktive Karte interessant sein. Schließlich gehört Lärm neben der Luftbelastung zu den bedeutendsten Umweltbelastungen in deutschen Städten. Bei Menschen, die dauerhaft Lärm von 60 Dezibel oder mehr ausgesetzt sind, besteht ein erhöhtes Risiko von Herz- oder Kreislauferkrankungen.
Nächtlicher Lärm ist besonders schädlich
Auf der interaktiven Berlinkarte sticht zunächst ein orangeroter breiter Streifen ins Auge, der sich über den gesamten Norden von Blankenfelde über Pankow bis Spandau zieht. Das überrascht nicht: Im Minutentakt fliegen hier die Flugzeuge auf der Einflugschneise Richtung Tegel über die Wohnhäuser. Hinzu kommt der Güterverkehr auf der Trasse der Stettiner Bahn von Pankow in Richtung Karow und Buch.
Daneben sind vor allem Gebiete innerhalb des S-Bahnrings von Lärm betroffen. In den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg beispielsweise wurden an großen Straßen hohe bis sehr hohe Belastungen ermittelt. Der lauteste Punkt befindet sich nach der Lärmkarte am S-Bahnhof Messe Nord, dort, wo die Neue Kantstraße die Autobahn und die Bahntrasse überquert.
Die interaktive Anwendung der Morgenpost stützt sich auf die Daten der jüngsten Lärmkarte, die Ende des vergangenen Jahres von der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt veröffentlicht wurde. Demnach werden 340.000 Berliner nachts von mittleren Lärmpegeln über 55 Dezibel geplagt, verursacht vom Auto- und Lastwagenverkehr. Etwa 30.000 Menschen leiden nachts unter dem Krach von Straßenbahnen und oberirdisch verlaufenden U-Bahnlinien. Nächtliche Lärmbelastung durch Züge müssen nach Angaben des Eisenbahnbundesamtes 36.000 Betroffene ertragen.
Doch das subjektive Empfinden der Anwohner kann von den Daten abweichen. In die Lärmkarte fließen nicht tatsächlich gemessene, sondern errechnete Werte ein. Dabei spielt beispielsweise die Beschaffenheit der Fahrbahn eine Rolle oder der Minutentakt der nahegelegenen Tramlinie.
Aus all den angenommenen Geräuschen wird dann ein Mittelwert gebildet. Dabei werden auch die unterschiedlichen Belastungen zu den verschiedenen Tages- und Nachtzeiten berück-sichtigt. Weil Lärm in der Nacht besonders belastend für die Gesundheit ist, wird in der interaktiven Anwendung der Nachtwert noch einmal speziell ausgewiesen. Zudem gibt es einen Hinweis darauf, wie viele Wohnhäuser es in der Stadt gibt, die stärker von Verkehrslärm betroffen sind. Nicht mit in die Lärmkarte eingeflossen sind Geräusche, die beispielsweise durch Kneipen, Clubs oder andere Gewerbe verursacht werden. So sieht es auf der Karte beispielsweise rings um den Helmholtzplatz extrem ruhig aus, obwohl hier in den Abendstunden viele Anwohner unter den Geräuschen der zahlreichen Straßencafés leiden.
Berliner Senat will neuen Lärmaktionsplan aufstellen
Ein Vergleich zu den Lärmkarten der vergangenen Jahre lässt sich nicht herstellen, weil die Datengrundlage verändert wurde. Im Rahmen des Lärmaktionsplanes sei nach Angaben der Verwaltung seit 2013 eine Menge passiert, so Matthias Tang, Sprecher der Umweltverwaltung. So sei beispielsweise bei Straßensanierungen lärmschluckender Asphalt verwendet worden. Unter anderem auf Abschnitten der Residenzstraße, des Wilhelmsruher Damm, der Rixdorfer Straße oder der Arnulfstraße. In Kürze werde mit der Sanierung der Friesenstraße, begonnen, die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung 2013 am häufigsten als Lärmproblem benannt wurde.
Laut Tang werden zudem gerade Machbarkeitsstudien durchgeführt, etwa für Schöneweide. Dabei gehe es darum, den motorisierten Verkehr in möglichst großem Abstand von der Bebauung zu führen. Seit 2014 gebe es zudem ein Förderprogramm für Schallschutzfenster. Das greift für Eigentümer, vor deren Wohnung tags mehr als 70 Dezibel und nachts mehr als 60 gemessen werden.