Berlin. Sexarbeiterinnen müssen sich im Rathaus Schöneberg registrieren lassen. Aber die Behörde ist noch nicht arbeitsfähig.

Immerhin: Seit Kurzem haben Prostituierte eine Anlaufstelle, wo sie sich, so wie es das Gesetz vorschreibt, anmelden können. Noch ist das Zimmer 122 im Rathaus Schöneberg selbst ein Provisorium, Schränke und Regale sind weitgehend leer. Auch Mitarbeiter Jan Grunow arbeitet dort zunächst nur befristet. Aber immerhin, es hat begonnen: Etwa 20 Prostituierte melden sich dort inzwischen täglich an. Sie erhalten eine „formlose Bescheinigung über den Versuch einer Anmeldung“, die bis Ende Oktober gültig ist. Mehr ist noch nicht möglich, die Voraussetzungen für die im Gesetz vorgeschriebene gesundheitliche Beratung als auch das Beratungsgespräch sind noch im Aufbau.

„Gerissen hat sich niemand um diese Aufgabe“, sagt Angelika Schöttler (SPD), Bezirksbürgermeisterin in Tempelhof-Schöneberg. Aber weil ihr Gesundheitsamt früh signalisiert habe, die gesundheitliche Beratung für Prostituierte anbieten zu wollen, habe sie dann entschieden, dass auch deren Anmeldung im Bezirk erfolgen kann. „Prostitution und Kurfürstenstraße sind schon immer ein Thema in Tempelhof-Schöneberg gewesen“, so Schöttler. Als Anfang Dezember die Finanzfrage für das zusätzliche Personal und die Mietkosten mit der Senatsverwaltung geklärt gewesen sei, habe sie zugesagt. „Ja, es hat ziemlich lange gedauert, die Zuständigkeiten zu klären, aber nicht nur bei den Bezirken, auch bei den Senatsverwaltungen“, so Schöttlers Bilanz.

Noch kontrollieren die Mitarbeiter hier niemanden

Wie berichtet, hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg für alle Berliner Bezirke zentral die Aufgaben übernommen, die mit dem neuen Gesetz zu erfüllen sind. Prostituierte müssen sich anmelden, und Betriebe, in denen sie arbeiten, sind verpflichtet, sich die Regis­trierung zeigen zu lassen. „Das ist momentan der Hauptgrund, weshalb die meisten kommen. Sie arbeiten für jemanden und müssen dem Betreiber die Anmeldung zeigen“, so Jan Grunow. Der 40-Jährige und seine Kollegin Eva Liebsch sind die Ansprechpartner in der Anlaufstelle im Rathaus (geöffnet ist Mo. 9 bis 13 Uhr, Di. 9 bis 15 Uhr, Mi. geschlossen, Do. 12 bis 18 Uhr, Fr. 9 bis 13 Uhr; Tel. 902 77 33 15)

Eine wichtige Frage für die Frauen sei der Datenschutz. „Im Augenblick kontrollieren wir hier niemanden“, versichert Grunow ihnen. Erst später, wenn alle Strukturen aufgebaut seien, werde das Finanzamt wegen der Steuer über die Anmeldung informiert. So werde auch momentan kein Brief nach Hause geschickt. Später allerdings, wenn die Behörde mal Kontakt aufnehmen müsste, müsse klar sein, dass die angegebene Adresse auch richtig ist. Bereits jetzt hat sich gezeigt, dass etliche der Frauen gar keine Meldeadresse in Berlin haben. Weil die Daten „hochsensibel“ sind, sollen die Mitarbeiter von erfahrenen Behördenkollegen aus Hamburg geschult werden.

Noch müssen allerdings die künftigen Mitarbeiter ausgesucht werden. Für den Bereich der Anmeldung und allgemeinen Beratung gab es nach Auskunft des Bezirksamtes 179 Bewerbungen. Beim Gesundheitsamt hatten sich rund 40 Frauen und Männer beworben. Dort wurden für die neue Aufgabe Sozialarbeiter gesucht, aber auch ein Arzt. Jeweils neun bis elf Stellen können für die beiden Bereiche besetzt werden. Aber nicht nur die Personalbesetzung hinkt dem neuen Gesetz hinterher. Auch die Büros für die Anmeldung mit den Beratungsräumen sind noch nicht gefunden. „Wir sind auf Mietobjekte angewiesen. Haben mehrere Objekte im Blick, private und landeseigene, aber es muss auch alles passen“, sagt Schöttler. Ideal wäre es, wenn beide Bereiche zwar getrennt, aber in einem Gebäude untergebracht werden könnten – möglichst zentral in Schöneberg und gut erreichbar.

Die Bedenken der Branche unterdessen gegenüber dem neuen Gesetz sind groß. Die Regelungen würden zu einer weiteren Stigmatisierung führen, Sexarbeit unsicherer machen, lauten einige der Vorwürfe. Die behördliche Überwachung einer gesamten Berufsgruppe stehe in keinem Verhältnis zu dem angeblichen Ziel, Opfer von Menschenhandel schützen zu wollen.

„Die Betroffenen sind die Leidtragenden“

Stephanie Klee, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Sexuelle Dienstleistungen (BSD), macht den Berliner Behörden zudem den Vorwurf, das Gesetz schleppend umzusetzen: „Die Betroffenen sind die Leidtragenden.“ Außerdem kritisiert sie, dass das Gesetz bei den Anforderungen keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Betrieben macht. „Die Senatsverwaltung für Wirtschaft diskutiert jetzt Mindeststandards für Bordelle. Da geht es beispielsweise um ein Notrufsystem oder die Anzahl der Toiletten. Was soll ein kleiner Betrieb mit einem Notrufsystem?“, kritisiert Klee.

Die große Sorge der Prostituierten sei zudem: Sollte Berlin das Baurecht anwenden, so wie es das Gesetz vorsieht, gebe es bald nur noch Großbordelle. 80 bis 90 Prozent der Prostitution in Berlin findet nach Auskunft des BSD in Wohnungsbordellen statt. Und die könnten in Zukunft bei Genehmigungen Probleme bekommen.

Für die Bezirksbürgermeisterin sind das Themen, die sie mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung besprechen will. Dazu soll ein „runder Tisch“ zum Thema Sexarbeit eingerichtet werden. Themen wie Baurecht und Wohnungsbordelle müsse die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung klären.

Razzia in Berliner Großbordell

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