Mieten in Berlin

Polizisten und Busfahrer sollen leichter an Wohnungen kommen

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Gudrun Mallwitz
Hochhäuser im Märkischen Viertel

Hochhäuser im Märkischen Viertel

Foto: Reto Klar

Der Senat ändert die Einkommensgrenzen für Wohnberechtigungsscheine. Aber es gibt es noch ein Problem.

Berlin. Künftig sollen auch Berliner mit mittleren Einkommen eine Sozialwohnung im Neubau beziehen können. Eine entsprechende Verordnung hat der rot-rot-grüne Senat auf Vorlage von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) beschlossen. „Von den subventionierten Mieten profitieren dann auch Busfahrer, Polizisten oder Krankenschwestern“, sagte Baudirektorin Regula Lüscher am Dienstag.

Die Antragsteller auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) aus dieser Einkommensgruppe sind berechtigt, eine geförderte Neubauwohnung für anfänglich acht Euro je Quadratmeter nettokalt zu mieten. Sie dürfen also mehr verdienen als jene, die eine Sozialwohnung für 6,50 Euro pro Quadratmeter beziehen wollen.

Jahresnettoeinkommen bis maximal 21.600 Euro

Für die neu hinzugekommene Einkommensgruppe gilt: In einem Einpersonenhaushalt darf das Jahresnettoeinkommen nicht höher als 21.600 Euro sein, also monatlich maximal 1800 Euro betragen. Für einen Zweipersonenhaushalt liegt die Einkommensgrenze bei 32.400 Euro netto pro Jahr, das entspricht einem Monatseinkommen von 2700 Euro. Für einen Dreipersonenhaushalt mit einem Kind endet die Verdienst-Obergrenze bei etwa 3340 Euro monatlich. Bei weiteren Kindern erhöht sie sich nochmals. Die Zahl der Menschen, die beim Wohnungsamt ihres Bezirkes einen WBS beantragen können, steigt mit dieser Neuregelung deutlich. Nach Angaben von Thomas Brand, Referatsleiter für Wohnungs- und Mietenpolitik, haben damit weitere rund 380.000 Berliner Anspruch auf den speziellen neu eingeführten WBS.

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Die Chance, mit mittlerem Einkommen eine dieser günstigen Wohnungen in den nächsten Jahren zu ergattern, ist allerdings gering: Diese Neubauten gibt es noch gar nicht. Es sei damit zu rechnen, dass nur 350 solche Wohnungen in den nächsten zwei Jahren entstehen, sagte Referatsleiter Brand. Denn nur maximal 20 Prozent der neu entstehenden Sozialwohnungen sollen für anfänglich 8 Euro pro Quadratmeter bereitgestellt werden. Sie sind also nur ein kleiner Teil der 3500 Sozial-Neubauwohnungen, die in Berlin ab Januar genehmigt und gebaut werden sollen. Für die anderen neuen geförderten Wohnungen gelten weiterhin die bisherigen Einkommensgrenzen.

Kommentar: Der Schein trügt

Beim Bezug des bisherigen Wohnberechtigungsscheines für untere Einkommensgruppen ist keine Änderung beschlossen worden. Ihn bekommen weiterhin Berliner, deren Einkommen in einem Einpersonenhaushalt 16.800 Euro jährlich nicht überschreitet, für einen Zweipersonenhaushalt gelten 25.200 Euro als Grenze.

Das Neubauprogramm des rot-rot-grünen Senats kommt nur schleppend in Gang: Allein die städtischen Wohnungsgesellschaften in Berlin sollen bis zum Jahr 2021 rund 30.000 Wohnungen neu bauen, 50 Prozent davon werden später mietpreisgebunden angeboten. Private Investoren müssen bei Bauprojekten einen Anteil von 30 Prozent erfüllen. 2017 wurde nur knapp die Hälfte der für das Jahr geplanten 6000 städtischen Wohnungen geschafft. Das hat auch Auswirkungen auf die Sozialwohnungen: Wie Baudirektorin Lüscher sagte, sind seit 2014 erst 817 Sozialwohnungen fertiggestellt worden, in diesem Jahr kämen voraussichtlich etwa 1500 dazu. In Berlin gibt es derzeit rund 100.000 Sozialwohnungen, die allerdings nach und nach aus der Preisbindung fallen.

Dabei wächst der Bedarf nach günstigen Wohnungen im immer teurer werdenden Berliner Wohnungsmarkt: Im vergangenen Jahr haben die Bürgerämter laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen 46.144 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. Das ist fast ein Drittel mehr als im Jahr davor. „Daran sieht man, dass die Wohnungsnot in Berlin zunimmt“, sagte Baudirektorin Lüscher. Theoretisch könnten demnächst fast zwei Drittel der Berliner über einen Wohnberechtigungsschein eine preisgünstige Wohnung suchen.

CDU, aber auch Grüne befürchten erhöhten Druck

Der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Gräff, warnt davor, dass die Ausweitung der WBS- Berechtigten den Druck auf den Wohnungsmarkt weiter erhöhen wird. Er forderte: „Deshalb muss der rot-rot-grüne Senat alles tun, um den Wohnungsbau endlich anzukurbeln.“ Auch innerhalb der rot-rot-grünen Regierungskoalition ist man skeptisch. „Es gibt in Berlin einen massiven Bedarf an Sozialwohnungen und immer mehr WBS-Berechtigte bei gleichzeitig schrumpfendem Bestand der Sozialwohnungen – das verschärft die Wohnungsnot“, sagte die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katrin Schmidberger. Sie unterstrich: „Wir erwarten, dass der Senat die Neuvermietungs-quote bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erhöht, um die wachsende Konkurrenz betroffener Gruppen zu kompensieren.“ Es sollten auch mehr Wohnungen für dringende Bedarfe vorgehalten werden.

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