Alle Jugendlichen sollen künftig ihre Fähigkeiten auf einem Talente-Parcours testen. Das Vorbild dazu hat sich in Österreich bewährt.

Viel zu viele Jugendliche in Berlin verlassen die Schule, ohne eine konkrete Vorstellung von ihren eigenen Fähigkeiten und dazu passenden Berufen zu haben. Mit einem „Talente-Check“, den jeder Achtklässler der Stadt durchlaufen soll, wollen die Senatsbildungsverwaltung, Industrie- und Handelskammer (IHK) und Arbeitsagentur diese Lücke stopfen. „Das ist der letzte fehlende Baustein unserer Berufsvorbereitung“, lobte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder das Konzept, das er vor zwei Jahren im österreichischen Salzburg kennenlernte und dem Senat empfohlen hatte.

Jetzt wird Berlin die Idee kopieren und alle Achtklässler verpflichten, ihre Fähigkeiten und auch ihre Schwächen in einem Parcours außerhalb der Schule kennenzulernen.

Je nach Ergebnis sollen sich dann spezielle Informationen zu Berufen anschließen, die zu den jeweiligen Talenten passen. Denn trotz aller Bemühungen bricht immer noch jeder dritte Azubi seine Ausbildung ab. An den Hochschulen sieht es nicht viel besser aus. Ziel sei es auch, Werbung für das duale Ausbildungssystem zu machen, sagte Eder. Denn die Bewerberzahlen gehen zurück, auch weil immer mehr Schulabgänger an die Hochschulen drängen. Nur 3000 von 30.000 Abgängern pro Jahr in Berlin beginnen gleich nach der Schule eine Ausbildung.

In Salzburg durchlaufen Schüler seit dem Start 2015 insgesamt 30 Teststationen. In einer Koje wird am Bildschirm eine Stresssituation erzeugt, um Belastbarkeit zu ermitteln. Motorische Geschicklichkeit zählt an einem gewundenen Draht, um den ein Ring geführt werden muss. Handwerkliches gehört dazu, Hämmern oder Draht biegen, es müssen aber auch Fahrsimulatoren bedient oder am Bildschirm virtuelle Lastwagen beladen werden. Ebenfalls zum Programm gehören Tests zur Konzentrationsfähigkeit und zum Umgang mit Menschen. Der gesamte Durchlauf dauert vier bis fünf Stunden.

Anschließend laden die Österreicher die Eltern eines jeden Absolventen gemeinsam mit ihrem Kind zu einem Gespräch mit Psychologen ein, die die Testergebnisse erläutern sowie mögliche Berufe oder weiterführende Schulen empfehlen. 85 Prozent der Teilnehmer, so werben die Salzburger auf ihrer Internetseite, seien auch zu dem freiwilligen Beratungsgespräch erschienen.

In Berlin soll der Test-Campus in Charlottenburg entstehen

In Berlin soll der Test-Parcours im Haus der Arbeitsagentur Nord an der Königin-Elisabeth-Straße in Charlottenburg entstehen. Benötigt werden 1000 Quadratmeter Fläche, die demnächst frei gezogen werden sollen. Dort wollen die Verantwortlichen drei Klassen täglich durchschleusen.

„Der Aufgabe, dort jedes Jahr eine komplette Berliner Klassenstufe mit Tausenden Schülerinnen und Schülern durch den Talente-Check zu führen, werden sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit großem Engagement stellen“, sagte Bernd Becking, Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Man wolle Schülerinnen und Schülern so dabei unterstützen, die eigenen Fähigkeiten und Talente zu entdecken. „An diese Erfahrungen wird in der weiteren Beratung in den Standorten der Jugendberufsagentur angeknüpft“, so Becking.

Aus Sicht der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ergänzt der Test die ebenfalls erst vor kurzem in jedem Bezirk aufgebauten Jugendberufsagenturen. „Manch einer weiß schon sehr früh, was er werden möchte. Die meisten benötigen aber Hilfe von außen, um sich selbst orientieren zu können“, sagte Scheeres.

Besonders begrüßt die Senatorin das Engagement der Berliner Wirtschaft. Tatsächlich stellt die IHK drei Millionen Euro bereit, um den Parcours aufzubauen und auszustatten. Das Geld stammt aus den zu viel erhobenen Beiträgen der Mitgliedsfirmen aus den Jahren 2013 und 2014. Die IHK-Vollversammlung hatte entschieden, damit Bildungsprojekte zu unterstützen. Von ursprünglich einmal 15 Millionen sind jetzt noch drei Millionen übrig, die in den Talente-Check fließen.

Die laufenden Kosten teilen sich je zur Hälfte der Berliner Senat und die Bundesagentur für Arbeit. Man kalkuliert mit insgesamt 30 Millionen Euro über die nächsten zehn Jahre. Im März wollen die Partner den Kooperationsvertrag unterzeichnen. 2019 oder 2020 soll es losgehen.