Die Industrie- und Handelskammer (IHK) lässt nicht locker. Seit Jahren beklagt die wichtigste Organisation der Berliner Wirtschaft die Misere in den städtischen Behörden. Die Kritik ging vor gut zehn Jahren so weit, dass die IHK sogar forderte, die Bezirke komplett abzuschaffen. Inzwischen dämmerte es den Kammer-Herren und -Damen im Ludwig-Erhard-Haus aber, dass man sich mit dem Beharren auf solch einen radikalen Schnitt aus jeder konkreten Reformdebatte herauskatapultieren würde.
Gemeinsam mit der Stiftung Zukunft Berlin hat die Kammer jetzt einen neuen Anlauf gestartet, ihre Vorstellungen in die wiederaufgeflammte Diskussion um die Rolle des Senats, dem Verhältnis zu den Bezirken, der Aufgaben und der Defizite einzuspeisen. Ein „modernes Stadtmanagement“ wünsche sich die Wirtschaft, so IHK-Präsidentin Beatrice Kramm . Mit je 130 Behördenkontakten jedes Jahr seien Unternehmen die Hauptkunden der Ämter, Bürger müssten nur einmal hin.
Der Verwaltungsexperte Hartmut Bäumer, der in der Stiftung engagiert ist, hat gemeinsam mit IHK-Fachleuten und anderen Mitstreitern ein neues Positionspapier verfasst und orientiert sich dabei an einem Konzept von 2016. Bäumer war nicht nur Landtagsabgeordneter der Grünen in Bayern, sondern auch Regierungspräsident in Gießen und an führender Position in baden-württembergischen Ministerien tätig. Er weiß also, wie es in Behörden außerhalb der Stadt zugeht.
Berlin liegt 25 Jahre hinter anderen Regionen zurück
Aber auch Optimisten wie der IHK-Präsidentin Kramm fällt es schwer, Zuversicht zu verbreiten. „Das Vertrauen in die Kraft der Politik zu einer stringenten Reform ist geschwunden“, heißt es in der Einleitung der knapp gehaltenen Broschüre. „Wir haben kein Erkenntnisproblem“, sagte Fachmann Bäumer. Es mangele an politischem Willen. In vielen Themen liege Berlin heute hinter dem zurück, was er vor 25 Jahren in Nordhessen eingeführt habe, so Bäumer und spricht über einheitliche Prozesse etwa bei der Genehmigung eines Antrags. Diese gebe es in Berlin nicht, obwohl sie doch Voraussetzung seien, diese Schritte auch digital abzubilden und nachvollziehbar zu machen.
IHK und Stiftung Zukunft schlagen vor, die Aufgaben der Senats- und Bezirksebene klar zu unterscheiden. Dabei darf die Landesregierung durchaus auch „gesamtstädtische“ Aufgaben den Bezirken übergeben, müsse dies aber mit Steuerungsinstrumenten wie Weisungsrecht und Fachaufsicht verbinden. Den Bezirken sei dafür das nötige Personal und Geld zur Verfügung zu stellen. Für ihre eigenen „bezirklichen“ Aufgaben erhalten die Bezirke Globalbudgets, dafür halte sich der Senat aus diesen Themen komplett raus. Für wichtig halten es die Autoren aber auch, die Ämter und Abteilungen in jedem Bezirksamt gleich zu organisieren. Der Bürgermeister muss seinen Bezirksamtskollegen Fristen setzen und für endgültige Entscheidungen sorgen dürfen. Stadtratsposten sollten nur nach fachlicher Eignung besetzt werden und nicht mehr aus Parteiraison.
Defizite konstatiert das Papier beim Personal. Ein ganzheitliches Personalmanagement sei „nicht erkennbar“ oder befinde sich allenfalls im Anfangsstadium, heißt es. Der Senat brauche einen einheitlichen Personalvorstand. Einstellungen, Mitarbeiterwerbung, Gesundheitsmanagement und Weiterbildungen in Führungskultur sollten berlinweit koordiniert werden. Ziel müsse sein, etwa den nächtlichen Einsatz von Ordnungsamtsmitarbeitern kurzfristig zu gewährleisten. Der Senat müsse vorgeben, wie die zersplitterte IT-Infrastruktur zu ordnen ist. Ein Berliner Unternehmensportal sollte als elektronischer Einstieg zu allen Antrags- und Genehmigungsverfahren dienen.
Experten wollen die Bezirke in Berlin entmachten
Ausweise ausstellen kostet Neukölln 43 Euro, Lichtenberg 55