Berlin. „Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße …“ Mit diesem schöne Zitat aus Goethes „Werther“ beginnen in unserer Zeitung alle Artikel, solange sie noch nicht fertig geschrieben sind. Das Zitat wird als Platzhalter verwendet, um unbeschriebenen Leerraum zu füllen. Aber es hat einen schönen Nebeneffekt: Wenn man sein Schreibwerk mit etwas Goethe-Lektüre beginnt, startet man gleich mit mehr Schwung. Ähnlich ist es mit der guten Laune. Jeder kennt das, gerade im Januar: Lichtlose Tage, widerlicher Schneeregen, überall Menschen mit nassen Jacken und Rotznasen – und kein Ende des Winters in Sicht. Kann man da gar nichts tun? Doch. Die Sonne können wir zwar leider nicht sofort wieder einschalten. Aber hier sind ein paar Vorschläge, um wenigstens die eigene Laune zu verbessern:
Denken wie Menschen aus warmen Ländern. Wer ohne Schnee aufgewachsen ist, für den sind auch zwei Schneeflocken ein Wunder. Auch, wenn sie sofort wieder schmelzen. Was zählt, ist der Schnee: Er war da und man hat ihn erlebt.
Vom Urlaub träumen. Gut, Sie müssen ja nicht gleich buchen, aber: Wohin soll es denn gehen? Und: wie war der letzte Urlaub? Gucken Sie mal auf Ihrem Handy, dort finden Sie bestimmt noch Beweisbilder dafür, dass es die Sonne tatsächlich gibt.
Blumen sind gut für die Seele. Dafür braucht man keinen Garten und muss nicht bis zum Frühling warten – denn der ist schon da. Tulpen zum Beispiel gibt es längst in allen Farben, zehn Stück oft schon ab etwa fünf Euro. Wer sie sich selbst in die Vase stellt, erlebt, wie eilig es der Frühling hat. Die Tulpen wachsen im Wasser weiter.
Sie glauben nicht, dass der Frühling längst in den Startlöchern steht? Bitte, machen Sie einen Spaziergang in den nächsten Park. Oder schauen sich einfach die Vegetation in Rabatten oder auf Verkehrsinseln an. Büsche und Bäume haben dicke Knospen, die Haselnuss trägt Kätzchen. An geschützten Stellen kommen die Winterlinge heraus.
Sie können dem Wetter wirklich nichts abgewinnen? Macht nichts, in Berlin ist der Winter auch drinnen schön. Zum Beispiel bei einer heißen Schokolade im Café. Besonders stilvoll genießt man diese im Restaurant Grosz (Kurfürstendamm 193/194). Zur heißen Milch in der Silberkanne auf dem Stövchen wird die Schokolade als „Ganache“ serviert, eine Creme aus geschmolzener Schokolade und Rahm. Dazu gibt es braunen Zucker. Die Mischung in der Tasse bestimmt der Gast selbst (7,50 Euro). Im feinen „Grosz“ kehrt man nebenbei in die Zeit des Jugendstils und der großen Kaffeehäuser zurück – statt hektischem Handygefummel gibt es Tageszeitungen zum Lesen.
Sie möchten es rustikaler und bestehen trotz Tauwetters auf richtigen Winter? Dann gehen Sie ins Café am Neuen See zum Eisstockschießen (Lichtensteinallee 2, Tiergarten). Dort gibt es vier Eisbahnen mit jeweils zehn Curls (bis 28. Januar, Kosten pro Stunde unter der Woche 150 Euro, Sa./So. 75 Euro). Im rustikalen Restaurant wärmen vier gemütliche Bulleröfen, es gibt Kuchen und dieselbe Schokoladen-Zeremonie wie im „Grosz“, das der Ganache-Lieferant ist.
Was zuverlässig gegen schlechte Laune hilft, ist ja: lachen. Nein? Dann versuchen Sie es einmal mit Mitlachen, das ist einfacher, denn es steckt an. Zum Beispiel mit dem Schauspieler Oliver Mommsen (bekannt „Kommissar Stedefreund“ aus dem Bremer Tatort) in der Komödie am Kurfürstendamm, der dort zurzeit in „Die Tanzstunde“ auf der Bühne steht (Karten: ca. 20 bis 42 Euro).
Ihnen fehlen Zeit oder Geld, um auszugehen? Gut, dann besuchen Sie doch Ihr eigenes Sofa. Von dort aus kann man nicht nur fernsehen oder endlich das Buch lesen, das schon seit vorigen Weihnachten wartet. Sondern zum Beispiel auch telefonieren oder chatten. Oder einen Brief schreiben. Es muss ja nicht gleich eine Schwärmerei wie bei Goethe sein – aber warum sich nicht mal bei jemandem melden, den man schon lange nicht mehr gesehen hat? Dazu muss man sich überwinden? Genau darum geht es ja. Hinterher ist man ein bisschen zufrieden mit sich selbst. Auch das hilft gegen den Winterblues.
Nein, sagen Sie, selbst zum Telefonieren haben Sie gar keine Zeit. Oder einfach keine Lust, hören Sie auf, es hat ja doch alles keinen Sinn!? Dann beginnen Sie, auf die ganz kleinen Dinge zu achten: Jemand hält Ihnen die Tür auf? Wie nett! Jemand grüßt, tut Ihnen oder jemand anderem einen Gefallen? Sie haben es abends nach Hause geschafft, obwohl Sie am Morgen meinten, der Tag endet nie? Immerhin!
Wenn gar nichts hilft: Beklagen Sie sich – aber bei den richtigen Menschen. Auch wenn alle anderen es für absurd halten, was einen, neben dem Wetter, sonst noch deprimiert – Freundinnen verstehen sowas. Bei Männern helfen Verabredungen, die vordergründig mit Sport zu tun haben oder mit Bier. Auch durch handwerkliche Tätigkeiten – in manchen Fällen sogar mit Shopping! – lässt sich der männliche Winter-Weltschmerz kurieren.
Berlin ist eine kalte Stadt, aber es gibt auch viel Wärme. Im Vabali-Spa zum Beispiel (Seydlitzstr. 6, 10557 Berlin-Moabit, ab ca. 21,50 Euro) oder an besonderen Frühlingsorten wie beispielsweise dem Botanischen Garten in Dahlem mit seinen tropischen Welten. Aber es gibt auch andere Wärmequellen. Herzenswärme zum Beispiel: Jemandem zu helfen, kann selbst glücklich machen, ob man nun dem Nachbarn hilft oder einem Obdachlosen eine Wärmflasche bringt. Auch Aufregung kann Wärme erzeugen. Einfach mal an einer unbekannten U-Bahn-Station aussteigen oder eine Buslinie bis zum Ende fahren und wieder zurück – schon sieht die Welt ganz anders aus.