Im Parteivorstand stimmen nur wenige mit Michael Müller für GroKo-Gespräche

Am Montagabend hat sich der Landesvorstand der Berliner SPD gegen eine große Koalition mit der Union im Bund ausgesprochen. 21 von 29 Vorstandsmitgliedern stimmten für einen Antrag der Jusos und damit gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Zu der Minderheit von acht Sozialdemokraten, die trotz aller Skepsis für weitere Verhandlungen votierten, gehörte der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller. Wie problematisch ist es, dass sich ein Parteivorstand mit so deutlicher Mehrheit anders entscheidet als der Parteivorsitzende? Ist Müller nun beschädigt? Diese Fragen beschäftigten die Sozialdemokraten am Dienstag – mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Auch politische Weggefährten folgen dem Vorsitzenden nicht

Das Kopfschütteln über Müllers Votum sei groß gewesen, berichteten Teilnehmer, sogar von „Entsetzen“ war die Rede. Statt die Ergebnisse der Sondierungen als „Grundlage für weitere Gespräche“ zu bezeichnen, hätte er im SPD-Bundesvorstand sofort sein Veto gegen die völlig unzureichenden Beschlüsse zur Wohnungs- und Mietenpolitik einlegen müssen.

Es wurde durchaus registriert, dass auch enge politische Weggefährten wie Gesundheitssenatorin Dilek Kolat und Sport-Staatssekretär Christian Gaebler nicht mit ihrem Landesvorsitzenden stimmten. Damit sei Michael Müller sehr wohl innerparteilich beschädigt, hieß es. Dessen ungeachtet will er im Frühjahr wieder für das Amt des SPD-Landeschefs kandidieren.

Es gab aber auch gegenteilige Ansichten. Müller sei in keiner Weise beschädigt, im Landesvorstand sei fair und sachlich diskutiert worden, sagte etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz aus Spandau. Für beide Positionen habe es gute Argumente gegeben. Andere Teilnehmer der Vorstandssitzung betonten, Müller habe ja selbst erhebliche Kritik an den Ergebnissen der Sondierungsgespräche geübt, etwa bei der Mieten- und Wohnungsbaupolitik, aber auch wegen der Beschlüsse zur Zuwanderung und Integration. Damit gebe es keine entscheidende inhaltliche Differenz zwischen dem Landeschef und der Mehrheit im Vorstand. Das unterschiedliche Abstimmungsverhalten sei zweitrangig, es habe bei der Vorstandssitzung keine Konfrontation gegeben.

Müller sei klar gewesen, dass die Parteispitze mehrheitlich gegen die große Koalition (GroKo) eingestellt ist, deshalb habe er seine Nachbesserungsforderungen so vehement formuliert, sagten andere. Hätte er sich aber mit klarer Haltung für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen, wären möglicherweise mehr als nur acht Stimmen gegen den Juso-Antrag zustande gekommen. Ob ihm sein nun gewählter Weg innerparteilich helfen werde, sei aber längst nicht ausgemacht. Insgesamt hieß es, man solle das unterschiedliche Abstimmungsverhalten nicht überbewerten. Einige Sozialdemokraten mutmaßten indes, etliche Befürworter des Juso-Antrags würden insgeheim hoffen, dass sich der SPD-Bundesparteitag für die GroKo ausspricht. Sie könnten dann gegenüber der Basis auf ihr Nein verweisen und den Schwarzen Peter anderen zuschieben.

Enttäuschung über Ergebnis zur sozialen Mietenpolitik

Gegner von Koalitionsverhandlungen in der SPD begründeten am Dienstag auf Anfrage der Morgenpost ihre Position. Vor allem das Fehlen einer sozialen Mietenpolitik führte Swen Schulz ins Feld. Ähnlich äußerte sich die Abgeordnete und Vize-Landesvorsitzende, Iris Spranger. Das 28-seitige Papier mit den Ergebnissen der Sondierung sei insgesamt enttäuschend, vor allem in sozialer Hinsicht, sagte Treptow-Köpenicks Bezirksbürgermeister Oliver Igel. Für die Bürgerversicherung gebe es keinerlei Ansatz. Sein Spandauer Amtskollege Helmut Kleebank erklärte, auf wesentlichen Politikfeldern, die breite Schichten betreffen, seien keine Fortschritte erzielt worden. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte im RBB: „Es war mit der CDU/CSU nicht mehr zu holen, das Ergebnis der Sondierungsgespräche ist sehr dünn.“