Berlin. Die Eröffnungsrede von Engelbert Lütke Daldrup wird um 9.04 Uhr abrupt unterbrochen. Eine Durchsage schallt durch die Lautsprecher und stört die Worte des Flughafenchefs. Ein Auto ist falsch geparkt. „Ich hoffe, dass niemand von Ihnen gemeint ist“, sagt Lütke Daldrup süffisant zu seinen Zuhörern in der Abflughalle des Terminals C. Danach geht bei der Zeremonie am Freitagmorgen rund um den Erstflug des britischen Billigfliegers Easyjet vom Airport Tegel aber alles glatt: Um 10.38 Uhr hebt der Airbus mit 156 Passagieren an Bord in Richtung München ab.
Lütke Daldrup vergisst zuvor nicht, die Bedeutung von Easyjet für Tegel zu betonen. Da ist das Ideele: Ausgerechnet vor dem Gate, an dem der Airport-Boss seine Rede hält, landete vor 70 Tagen der letzte Flieger der insolventen Air Berlin. „In nur 70 Tagen“, sagt Lütke Daldrup und hält kurz inne, „waren wir in der Lage, eine neue Zukunft für Tegel mit Easyjet aufzubauen.“ Statt rot-weißer Deko hängen im Terminal C nun überall orangefarbene Wimpel und Luftballons. „Nah endlich“, hatte die Airline auf Plakate geschrieben, die seit Wochen in der Stadt zu sehen sind.
Easyjet peilt 15 Millionen Passagiere im Jahr in Berlin an
Easyjet, sagt Lütke Daldrup weiter und redet nun über die wirtschaftliche Bedeutung des neuen Hauptnutzers, baue mit dem Engagement in Tegel seine starke Stellung in Berlin aus. Bereits seit 14 Jahren fliegen die Briten ab Schönefeld, zählten seitdem rund 50 Millionen Passagiere. Zwölf Maschinen hatte die Airline zuletzt in Berlin stationiert. In Tegel beginnt sie mit 15 Flugzeugen, bis zum Herbst soll die Flotte auf 25 anwachsen. Easyjet rechnet in den ersten drei Monaten mit rund einer Million neuen Passagieren. Im gesamten Jahr 2018 will die Airline rund 15 Millionen Fluggäste über die beiden Berliner Flughäfen transportieren. „Wir werden erleben, dass Easyjet zur führenden Fluggesellschaft in Berlin wird“, sagt Lütke Daldrup.
Dafür soll in den kommenden Monaten auch die Anzahl der Strecken steigen, die ab Tegel angeboten werden. Zunächst heben die Easyjet-Flieger zu 19 Zielen ab, im Sommerflugplan sollen es bereits mehr als 40 sein. Erstmals bietet die Airline mit Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart auch innerdeutsche Verbindungen an. Nach der Air-Berlin-Pleite war die Lufthansa mit ihrer Billigtochter Eurowings auf vielen Routen ein Alleinunterhalter.
Luftfahrtexperten rechnen nach dem Easyjet-Start in Tegel jetzt wieder mit mehr Wettbewerb und sinkenden Ticketpreisen. Für die deutschen Städtetrips ab Tegel rufen die Briten zunächst einen Mindestpreis von 49,43 Euro auf. Konkurrent Eurowings ist leicht günstiger, bietet im Winterflugplan ab Tegel aber nur Inlandsverbindungen nach Düsseldorf (ab 34,99 Euro) und Stuttgart (29,99 Euro) an. Frankfurt und München sind noch der Lufthansa vorbehalten. Dafür müssen die Kunden aber tiefer in die Tasche greifen.
„Die neuen Strecken ergänzen unser Programm und richten sich vor allem an Geschäftsreisende“, sagt der Europa-Chef von Easyjet, Thomas Haagensen. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines dänischen Vaters spricht ausgezeichnet deutsch. „Endlich bekommen wir wieder Leben in Terminal C“, ruft er in sein Mikrofon.
1000 Mitarbeiter braucht Easyjet in Tegel, hat aber erst 100
Bei aller Euphorie hat Haagensen an diesem Morgen auch Wünsche: Zunächst muss die Airline noch einen langen Atem beweisen was die Rekrutierung von Flugkapitänen, Co-Piloten und Kabinenpersonal angeht. 1000 neue Mitarbeiter will Easyjet einstellen, viele davon waren früher bei Air Berlin. Doch erst 100 hat die Airline unter Vertrag, 30 Piloten und 40 Crewmitglieder stehen kurz vor der Schulung. 500 befinden sich noch im Auswahlprozess.
Hinzu kommt die Sache mit der Infrastruktur in Tegel. Haagensen wünscht sich schnellere Ein- und Ausstiegszeiten sowie mehr Automatisierung im Umgang mit dem Gepäck. Vor den Kameras und Flughafenchef Lütke Daldrup beschwichtigt er dann aber doch: „Natürlich kann alles immer verbessert werden. Wir müssen jetzt schauen, wie es läuft.“ Weil der BER in Bau ist, dürfte in Tegel ohnehin nur mit angezogener Handbremse investiert werden. Lütke Daldrup hat zehn Millionen Euro veranschlagt, vor allem aber, um Tegel in dem jetzigen Zustand zu erhalten.
Thomas Haagensen lässt trotzdem um 9.39 Uhr die Korken knallen. Der Sekt spritzt. Kurz vor dem Boarding steht auch die sechsköpfige Crew des ersten Easyjet-Fliegers ab Tegel bereit. Pilot Robert Krahe (35) winkt. Dann sagt er: „Das ist ein besonderer Moment für uns.“ Wenig später rollt der Flieger los. Zwei Einsatzwagen der Flughafenfeuerwehr wünschen mit einem Wasserspalier guten Flug. Um 10.38 Uhr hebt der Jet ab. Tegel ist nun orange.

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