Nach Gefängnisausbruch

Gefängnispersonal aus Tegel soll in JVA Plötzensee helfen

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Andreas Abel, Alexander Dinger, Lorenz Vossen
Justizsenator Dirk Behrendt (Die Grünen) zu Besuch in der JVA-Plötzensee

Justizsenator Dirk Behrendt (Die Grünen) zu Besuch in der JVA-Plötzensee

Foto: Reto Klar

Nach der Flucht-Serie will Justizsenator Dirk Behrendt nicht zurücktreten. Jetzt soll Gefängnispersonal aus Tegel in Plötzensee helfen.

Berlin. Nach der Flucht von neun Inhaftierten aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee innerhalb weniger Tage hat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) Rücktrittsforderungen der Opposition zurückgewiesen. Jetzt stehe Aufklärung im Vordergrund, sagte der Senator am Mittwoch im Gefängnis Plötzensee vor Journalisten.

Aus dem geschlossenen und dem offenen Vollzug waren in den vergangenen Tagen insgesamt neun Insassen geflohen. Sechs Gefangene sind zwischenzeitlich wieder zurückgekehrt. Die Häufung der Fälle hat eine heftige Diskussion über die Sicherheit der Anstalt in Plötzensee und der Berliner Gefängnisse insgesamt ausgelöst. Behrendt sagte, dass eine Kommission eingesetzt werde, welche die Pannenserie aufklären soll. Zudem beginne eine Schwachstellenanalyse durch ein Sicherheitsbüro noch im Januar.

Geprüft werden soll zum Beispiel ob die Kameras mit intelligenter Software bestückt werden sollen oder die Zäune Alarmmelder brauchen. Der erste Ausbruch am 28. Dezember aus einer Kfz-Werkstatt war zwar aufgezeichnet, aber vom Personal nicht bemerkt worden. Auch der Zaun vor der JVA ist nicht besonders gesichert. Die vier Häftlinge krochen darunter durch.

Behrendt: Im Justizvollzug fehlen 200 Bedienstete

Noch immer ist unklar, wie die vier Gefangenen in den eigentlich abgeschlossenen Heizungsraum gelangen konnten, wo sie ein Loch in die Wand hackten. Derzeit ist dieser Teil der Werkstatt gesperrt. Zudem wurde zusätzliches Personal nach Plötzensee beordert. Zum Teil wurden dafür extra Leute aus der JVA in Tegel abgezogen.

Der Justizsenator verwies auf das Sparprogramm der rot-schwarzen Vorgänger-Regierung. Es fehlten im Justizvollzug 200 Bedienstete. Jetzt werde wieder stärker ausgebildet, doch erst Ende 2019 könnten die Lücken geschlossen und die Sollstärke erreicht werden.

Grüne werfen SPD-Kritikern „Schäbigkeit“ vor

Die Ausbruchsserie hat auch zu einem Konflikt zwischen SPD und Grünen geführt. Mehrere SPD-Abgeordnete kritisierten Behrendt deutlich, der Parlamentarier Joschka Langenbrinck forderte sogar seinen Rücktritt. Für die Grünen war das „schäbig“ und „schlechter Stil“. Es war das erste Mal, dass unter Rot-Rot-Grün Rücktrittsforderungen innerhalb der Koalition laut wurden.

Spektakuläre Ausbrüche aus Berliner Gefängnissen

In der SPD werden Langenbrincks Äußerungen als freie Meinung eines Abgeordneten verteidigt. Die Sozialdemokraten bedauern, dass die Koalition mit derart schlechten Schlagzeilen ins neue Jahr gestartet ist. Trotzdem haben sich die Fraktionen mittlerweile offenbar darauf verständigt, dass so etwas wie Rücktrittsforderungen nicht geäußert werden sollen. Die SPD bleibt aber bei der Linie, Behrendt habe nicht konsequent genug gehandelt und müsse für ausreichend Personal in Haftanstalten sorgen.

In Plötzensee fehlt Personal für Kontrollgänge

Thomas Goiny, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbeamten (BSBD), kritisierte den Justizsenator ebenfalls, forderte aber nicht dessen Rücktritt. Die Justizverwaltung müsse die bekannten Sicherheitslücken in Strafanstalten schließen, vom Justizsenator erwarte er, dass er das Geld dafür einfordert und sich auch durchsetzt.

Es entstehe der Eindruck, dass sich Behrendt nicht genügend um den Justizvollzug kümmere, sagte Goiny der Morgenpost. Es sei klar, dass die Probleme, insbesondere der Personalmangel, nicht von heute auf morgen zu lösen seien. Er vermisse aber deutliche Signale, die Probleme zügig anzugehen. So sei eine effiziente Werbekampagne notwendig, um geeignete neue Bedienstete zu finden, erklärte der Gewerkschafter.

In Plötzensee fehle Personal für Kontrollgänge im Außenbereich, so Goiny. In der Kfz-Werkstatt seien wegen der Urlaubszeit zwischen Weihnachten und Neujahr weniger Vollzugsbeamte eingesetzt gewesen als üblich. In der Alarmzentrale seien pro Schicht nur zwei Mitarbeiter eingesetzt. Diese müssten nicht nur permanent 30 Bildschirme beobachten, sondern auch noch weitere Aufgaben erledigen.

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