Berlin. Erneuter Ausbruch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee: Am Montagvormittag konnten abermals Häftlinge aus dem Gefängnis in Charlottenburg ausbrechen. Zwei Männer hatten in der Zelle eines anderen Mitgefangenen die Gitterstäbe manipuliert und entkamen, wie Sebastian Brux, Sprecher von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der Berliner Morgenpost am Abend bestätigte. Einer der beiden habe sich noch am selben Tag wieder in die Anstalt begeben. Der andere ist weiter auf der Flucht.
Beide Männer hätten eine Freiheitsstrafe im offenen Vollzug verbüßt, so der Sprecher weiter. Sie saßen wegen Diebstahls, einer für zwei, der andere für vier Monate. Der Häftling mit der zweimonatigen Strafe kehrte am Abend zurück. Bei dem anderen Entkommenen prüft die Polizei, ob er sich bei Familie oder Freunden aufhält. Laut „Bild“-Zeitung handelt es sich um einen 44- und einen 21-Jährigen.
Brux sprach gegenüber der Berliner Morgenpost von einer „eigenartigen Aktion“, da sich die Männer nicht im geschlossenen, sondern im offenen Vollzug befunden hätten. Dabei ist es den Häftlingen gestattet, das Gefängnis für bestimmte Anlässe wie Arztbesuche, eine Familienfeier oder auch eine geregelte Arbeit zu verlassen. Dabei würde es immer wieder dazu kommen, dass die Häftlinge nicht wieder in die JVA zurückkehrten. Dass sich Gefangene im offenen Vollzug aber aktiv den Weg in die Freiheit bahnen, ist ungewöhnlich. Wie genau es zu dem Ausbruch kommen konnte, wird laut Brux derzeit noch ermittelt. Der zurückgekehrte Häftling müsse nun wegen des Verstoßes gegen die Auflagen in den geschlossenen Vollzug, sagte ein Sprecher der Justizverwaltung.
Der Vorfall bringt die Gefängnisleitung und Senator Behrendt weiter in Bedrängnis, da es bereits in der vergangenen Woche zu einem spektakulären Ausbruch kam. Vier Häftlingen im Alter zwischen 27 und 38 Jahren war am Donnerstag mittels Trennschleifer und eines schweren Hammers die Flucht gelungen. Sie arbeiteten in einer Autowerkstatt auf dem JVA-Gelände, gelangten von dort in einen Heizungsraum und schließlich durch eine mit den Werkzeugen bearbeitete Lüftungsöffnung ins Freie. Dann krochen sie unter dem Außenzaun des Gefängnisses hindurch. Am Freitag wurde bekannt, dass sich ein fünfter Gefangener am Vortag nicht aus dem offenen Vollzug zurückgemeldet hatte. Der 30-Jährige verbüßte eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen des Erschleichens von Leistungen und Ordnungswidrigkeiten.
Behrendt kündigt Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen an
Nach den 27 bis 38 Jahre alten Männern, die seit vergangenem Jahr in der JVA wegen Straftaten wie Diebstahl, räuberischer Erpressung oder schwerer Körperverletzung einsaßen, hat die Polizei eine Großfahndung ausgelöst. Von einer Suche mit Fotos sieht die Behörde bislang noch ab. Eine solche dürfen Staatsanwälte und Richter laut Gesetz nur anordnen, wenn alle anderen Methoden zur Ermittlung des Aufenthaltes deutlich weniger Erfolg versprechend sind. Bislang fehlt von den Männern jede Spur, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Auch nach dem 30 Jahre alten Gefangenen, der sich nicht aus dem offenen Vollzug zurückgemeldet hatte, wird laut Polizei noch immer gesucht. Justizsenator Behrendt kündigte eine Überprüfung aller Sicherheitsmaßnahmen in der Vollzugsanstalt an. „Zudem werden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, bis alles aufgeklärt ist.“
Unterdessen gibt es Rücktrittsforderungen. So erklärte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Marcel Luthe, am Abend: Der Justizsenator habe die Verantwortung dafür zu übernehmen, „dass Plötzensee nun das Haus der offenen Tür“ sei. Wenn der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) ihn im Amt belasse, sei das ein klares Signal, „was Recht und Gesetz dieser Koalition wert sind: nichts“, so Luthe. Die CDU hatte bereits zuvor dem rot-rot-grünen Senat die Schuld für den Ausbruch der vier Häftlinge gegeben. „Dieser Fall offenbart die Unfähigkeit des Linksbündnisses im Senat, die Menschen in unserer Stadt angemessen vor verurteilten Straftätern zu schützen“, hieß es in einem Statement der Fraktion. Behrendt sagte dazu, er sei bereit, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.
Auf Twitter äußerte auch der SPD-Politiker Joschka Langenbrinck Rücktrittsforderungen.
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