Potsdam. Ermittler gehen 220 Hinweisen nach und werten Videoaufnahmen in ganz Deutschland aus. Bislang aber noch keine heiße Spur darunter
Die mehr als 50 Ermittler der Sonderkommission „Quer“ zur Aufklärung der DHL-Erpressung gehen offenbar von mehreren Tätern aus. An den Sprengsätzen haben sich demnach Spuren mehrerer Personen gefunden, hieß es am Freitag nach einem Bericht der „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ aus Ermittlerkreisen. Bislang haben die Behörden von nur einem Erpresser gesprochen.
Polizei und Innenministerium wollten die Angaben am Freitag nicht offiziell bestätigen. „Vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen geben wir keinen Sachstand ab“, sagte der Sprecher der Polizei Brandenburg, Torsten Herbst. „Wir wollen die Täter inhaftieren und nicht informieren.“ Auch das Innenministerium wollte sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern. „Die Beamten arbeiten am Wochenende und an Feiertagen und werden auch Silvester und Neujahr arbeiten“, sagte der Sprecher des Ministeriums, Ingo Decker, am Freitag lediglich.
Beide Sprengsätze waren mit Polenböllern ausgestattet
Die Erpresser hatten Anfang November einen Sprengsatz an einen Händler in Frankfurt (Oder) verschickt und am 1. Dezember an eine Apotheke in der Potsdamer Innenstadt. Sie fordern vom Paketlieferdienst DHL eine Millionensumme und drohen andernfalls mit weiteren Sprengsätzen. Beide Pakete waren mit sogenannten Polenböllern ausgestattet, die sich von Schrauben umgeben in einer Dose befanden und sprengfähig waren. Der Sprengsatz in Frankfurt (Oder) entzündete sich beim Öffnen, explodierte jedoch nicht. Verletzt wurde in beiden Fällen niemand.
Bislang sind nach Polizeiangaben 220 Hinweise zu beiden Fällen eingegangen, 40 davon betrafen weitere verdächtige Pakete, die sich allesamt als harmlos herausgestellt haben. 180 Hinweise betreffen demnach die Tathintergründe. Vor allem durch Hinweise zur Potsdamer Paketstation an der Kantstraße, wo die zweite Bombe aufgegeben wurde, erhofft sich die Polizei konkrete Anhaltspunkte über die Täter. Dazu wertet sie die Aufnahmen von Videokameras in Potsdam aus. Auch Aufzeichnungen aus anderen Bundesländern werden abgeglichen, hieß es. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hatte sich unmittelbar nach dem Fund der Potsdamer Bombe zuversichtlich gezeigt, die Täter überführen zu können. „In dem Wissen, dass wir ihn kriegen werden, sollte er aufhören, bevor es Verletzte gibt“, sagte Schröter. „Wir sind optimistischer geworden.“ Seitdem schweigen die Ermittler. Es ist nicht bekannt, ob es Kontakt zu den Erpressern gibt oder nicht.
Unmittelbar nach der Potsdamer Bombe hatte die Polizei die Sonderkommission eingerichtet. Der Name „Quer“ erfolgte in Anlehnung an sogenannte QR-Codes. Dabei handelt es sich um Schwarz-Weiß-Bilder, die in ihrem Muster verschlüsselte Informationen enthalten, die mit einem Scanner oder auch Handy ausgelesen werden können. In der Potsdamer Paketbombe war ein Zettel mit einem entsprechenden Code entdeckt worden. Die Täter fordern dem Code zufolge eine Millionensumme in nicht genannter Höhe in der hochspekulativen Internetwährung Bitcoin.
Vor allem der Potsdamer Sprengsatz hatte am 1. Dezember erhebliches Aufsehen erregt, weil sich die betroffene Apotheke in unmittelbarer Nähe des Potsdamer Weihnachtsmarktes befindet. Der Weihnachtsmarkt war daraufhin weiträumig abgesperrt worden. Zunächst waren Parallelen zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gezogen worden, der fast genau ein Jahr zuvor am 19. Dezember verübt worden war. Das schließen die Ermittler inzwischen aus.
Der erpresste Paketlieferdienst DHL will sich ebenfalls nicht zum Stand der Ermittlungen äußern. Dem Umsatz habe der Erpressungsversuch nicht geschadet, so das Unternehmen. Mitte Dezember habe DHL mit zehn Millionen Sendungen innerhalb von 24 Stunden sogar einen neuen Rekord verbucht. Durchschnittlich liefert der Dienst laut Firmenangaben 4,3 Millionen Sendungen täglich aus.
Nach Bekanntwerden des Erpressungsversuches hatte es in ganz Deutschland zahlreiche Fehlalarme gegeben. Zuletzt wurde ein Einkaufszentrum in Schwedt (Landkreis Uckermark) Mitte Dezember wegen eines verdächtigen Gegenstandes für mehrere Stunden geräumt. Das Paket enthielt jedoch lediglich Bettwäsche. Am 20. Dezember wurde die Polizei wegen eines verdächtigen Gegenstandes in ein Geschäftshaus im Zentrum Potsdams gerufen. Das Paket entpuppte sich schnell als Werbesendung, aus der ein Kugelschreiber herausragte. Über die Weihnachtsfeiertage ist es nach Angaben der Polizei in Brandenburg zu keinen weiteren Verdachtsfällen gekommen – vermutlich, weil in dieser Zeit keine Pakete zugestellt wurden.