Berlin

Viele Flüchtlinge geben sich in Berlin als minderjährig aus

| Lesedauer: 3 Minuten
Julius Betschka
Viele Flüchtlinge geben sich in Berlin als minderjährig aus (Archiv)

Viele Flüchtlinge geben sich in Berlin als minderjährig aus (Archiv)

Foto: Lino Mirgeler / dpa

Minderjährige werden in Deutschland nicht abgeschoben, deshalb geben sich viele Flüchtlinge als jünger aus, als sie sind, zeigen Tests.

Berlin. Im Jahr 2017 sind mehr als 700 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Berlin eingereist. Doch in vielen Fällen ist unklar, ob die Angaben stimmen und sie tatsächlich noch nicht volljährig sind. Denn Minderjährige werden in Deutschland nicht abgeschoben, auch dann nicht, wenn sie die Bedingungen des Flüchtlingsstatus, nämlich individuelle Verfolgung, gar nicht erfüllen.

Bestehen Zweifel an der Minderjährigkeit und existieren keine Ausweispapiere, wird in Berlin eine sogenannte qualifizierte Inaugenscheinnahme durchgeführt. In wie vielen Fällen keine Ausweispapiere vorliegen, wird laut der Antwort der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf eine parlamentarische Anfrage der grünen Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz nicht erfasst.

43 Prozent der Untersuchten fallen bei Alterstest durch

Allerdings wurde die qualifizierte Inaugenscheinnahme allein im ersten Halbjahr 2017 bei 358 Personen durchgeführt. Dabei fielen 43 Prozent durch den Test – waren also nach Ansicht der Experten bereits volljährig. Falls auch das Expertengespräch zu keinem eindeutigen Ergebnis kam, wurde eine medizinische Altersschätzung angeordnet. Das passierte bis Juli 2017 bei neun Flüchtlingen, von denen vier mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ volljährig waren.

Aufgrund unterschiedlicher Regelungen in den Ländern, durch die sie flohen, komme es auch vor, so die Bildungsverwaltung, dass Jugendliche sich im Verlauf ihrer Flucht teils als volljährig ausgeben und im Verlauf des Erstgesprächs als minderjährig. Flüchtlinge, die offensichtlich nicht minderjährig sind, werden aus der Obhut der Bildungsverwaltung entlassen und müssen sich beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten melden. Sanktionen für jene, die sich als Minderjährige ausgegeben haben, existieren laut einer Sprecherin der Behörde nicht.

Derzeit rund 1500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Insgesamt leben in Berlin derzeit rund 1500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Von ihnen werden 148 durch das Landesjugendamt betreut. Sie befinden sich in der sogenannten Clearingphase. In dieser Zeit wird geklärt, ob sie tatsächlich noch nicht volljährig sind und zur Schule gehen können.

Der Großteil der allein eingereisten minderjährigen Flüchtlinge wird in Berlin aber von den Bezirken betreut: Um 1375 von ihnen kümmern sich die zwölf Bezirke im Rahmen von Hilfen zur Erziehung. Sie leben also beispielsweise in Jugendwohnheimen. In den Bezirken werden die jungen Menschen dabei unterstützt, in Berlin Fuß zu fassen: Zur Hilfe gehört, dass sie beim Deutschlernen unterstützt werden, bei ihrer Schulausbildung, der beruflichen Orientierung und schließlich auch die Förderung der Selbstständigkeit. Viele von ihnen sind nur für kurze Zeit in den Einrichtungen, weil sie bereits kurz vor der Volljährigkeit stehen, ausreisen oder mit ihren Familien zusammengebracht werden können.

Mehr zum Thema:

Wer kümmert sich um junge, unbegleitete Flüchtlinge?

Keine Hetze, nur Aufklärung hilft im Fall von Kandel weiter

Zahl der Asylanträge in der EU um 50 Prozent zurückgegangen