Berlin. Anonyme Vorwürfe, Ermittlungspannen, Sicherheitsprobleme: der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt steht seit Wochen in der Kritik.
Es sollte eigentlich ein schöner PR-Termin für Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) werden. Die Polizei startete am Dienstag in Mitte eine Anti-Gewalt-Kampagne mit dem Namen „Zeit, einfach mal Danke zu sagen“. Doch Geisel musste unangenehme Fragen beantworten. Wieder einmal. Unbekannte Einbrecher hatten versucht, auf einem Gelände der Polizei, in einem Tatfahrzeug Spuren zu verwischen. Nachdem der Innensenator anfangs allgemein über die Probleme der zusammengesparten Polizei referiert hatte, fiel dann der Satz: „Dass es da Verbesserungsmöglichkeiten gibt, bestreite ich nicht – auch an der Spitze der Polizei. Aber alle haben die Chance verdient, bessere Arbeit zu leisten.“ Noch steht Geisel zu Polizeipräsident Klaus Kandt. Doch das Verhältnis ist angespannt.
Kandt steht mit seiner Vizepräsidentin Margarete Koppers an der Spitze einer Behörde mit 24.000 Beschäftigten. Einer Behörde, die seit Wochen nicht aus den Negativ-Meldungen herauskommt. Viele Polizisten sind enttäuscht von der Führung. Sie vermissen eine offene Fehlerkultur, in der man auch Probleme ansprechen darf.
Die Frage ist: Wie lange steht der Innensenator noch zu seinem Polizeipräsidenten, den er vom CDU-Vorgänger, Frank Henkel, übernommen hatte. Aber Geisel steckt in einem Dilemma. Zum einen muss er eine Brandmauer ziehen, weil die Polizei-Skandale der vergangenen Monate auch zum politischen Ballast für ihn werden. Zum anderen droht bei einer schnellen Beurlaubung eine Führungslosigkeit in der Polizei. Denn Vizepräsidentin Koppers wird Generalstaatsanwältin. Geisel bräuchte bei der Entlassung von Kandt gleich einen geeigneten Nachfolger. Dabei ist die Pannen-Liste der Polizei lang:
Der Fall Amri
Am schwerwiegendsten sind die Vorwürfe der Aktenmanipulation. In einer Führungsinformation wurde Amri etwa als kleiner Dealer beschrieben, obwohl die Aktenlage anders war. Der Verdacht: Die Innenverwaltung wurde von der Polizei wissentlich falsch informiert. Zudem kam heraus, dass der Tunesier nur in der Woche, aber nicht an Wochenenden beschattet wurde und die Polizei die Observation eigenmächtig beendete.
Türkische Spitzelliste
Auch im Skandal um eine Spitzelliste des Türkischen Geheimdienstes (MIT) ließ die Berliner Polizei ihren Innensenator hängen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) leitete eine Spitzelliste des MIT, auf der auch 25 Berliner Namen stehen, am 7. März dieses Jahres an die Landespolizeibehörden weiter. Die deutschen Sicherheitsbehörden sollten dem Erdogan-Regime helfen. Politisch war das heikel. Innensenator Geisel selbst erfuhr aber erst am 29. März durch Medienberichte von dem Papier.
Party-Polizei
Es war der Fall, der bundesweit für die meisten Schlagzeilen sorgte. Berliner Polizisten hatten sich am Rande des G20-Gipfels in Hamburg noch vor Einsatzbeginn so daneben benommen, dass sie von den Hamburgern nach Hause geschickt wurden. Der Grund war eine lautstarke Party in einem Container-Dorf in Bad Segeberg, in dem die Berliner untergebracht waren. Bilder dokumentieren das Trinkgelage im Hof und die Verwüstung am Morgen danach.
Einbrüche
Bei der Polizei wurde in diesem Jahr gleich mehrfach eingebrochen. Besonders brisant war ein Einbruch ins polizeihistorische Museum im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke. Obwohl der private Sicherheitsdienst, der das Polizeipräsidium bewacht, nur wenige Meter weiter weg sitzt und das Büro des Polizeipräsidenten nur eine Etage höher liegt, wurde der Einbruch nicht registriert. Entwendet wurden mehrere Sammlungsstücke. Genauso brisant waren mehrere Einbrüche auf dem Sicherstellungsgelände der Polizei. Mehrfach stiegen Einbrecher auf dem Gelände an der Cecilienstraße ein. Unbekannten gelang es sogar, zwei sichergestellte Fahrzeuge zu entwenden. Im Juli konnten Unbekannte auch in das Gelände an der Belziger Straße (Schöneberg) einbrechen. Das Ziel war ein Auto, das im Zusammenhang mit dem Einbruch ins Bode-Museum sichergestellt worden war. In dem Wagen entleerten sie einen Feuerlöscher. So sollten offenbar Spuren vernichtet werden, was laut Staatsanwaltschaft allerdings misslang (siehe unten).
Polizeiakademie
Gleich mehrfach geriet die Polizeiakademie in die Schlagzeilen. Von einem Polizeianwärter, der Hehlerware aus dem Kofferraum verkaufte, über einen Polizeischüler, der Pornos drehte, bis zu Brüdern, die mit Drogen handelten, gab es dieses Jahr an der Akademie schon mehrere Fälle. Seit einem Jahr schwelt zudem ein Konflikt um die Ausbildung an der Akademie, die im Zuge einer Reform umstrukturiert worden war.
Vor wenigen Tagen sorgten eine anonyme Audiobotschaft und ein anonymer Wutbrief, die mehreren Medien zugespielt worden waren, für eine bis heute andauernde Debatte über Migranten bei der Polizei. Der Vorwurf: Die Polizei werde von kriminellen Clans unterwandert. Beweise lieferten beide allerdings nicht, die Polizeiführung weist die Vorwürfe entschieden zurück. Aktuell würden gegen 33 der 3000 Polizeischüler Disziplinarverfahren laufen.
Spionierende Polizisten
Immer wieder kommt es bei den 24.000 Mitarbeitern auch zu Amtsmissbrauch. Vor wenigen Wochen akzeptierte eine Kommissarin einen Strafbefehl, weil sie im Polizeicomputer ihre Nachbarschaft ausspioniert hatte. Vor wenigen Tagen war ein Berliner Polizeibeamter wegen Korruption zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 50-Jährige in 173 Fällen personenbezogene Daten aus dem Polizeicomputer unbefugt weitergegeben und in acht Fällen ein Entgelt erhalten habe. In einem anderen Fall fotografierte eine Studentin der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Fahndungsbilder von Mitgliedern einer arabischen Großfamilie ab und versendete sie per Whatsapp.