Die Schließung der 130 Jahre alten Blindenwerkstatt an der Steglitzer Rothenburgstraße kann möglicherweise doch noch abgewendet werden. Thomas Seerig, Sprecher für Sozial- und Behindertenpolitik der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hatte jüngst überraschende Nachrichten in den Sozialausschuss des Bezirks mitgebracht: „Es liegt ein Angebot der Senatsverwaltung für Soziales vor, bis zu 80 Prozent der Lohnkosten zu übernehmen“, sagte Seerig. Damit könnte ein Großteil dieser Kosten abgefedert werden.
Weitere Unterstützung soll von der Kriegsblindenstiftung Berlin-Brandenburg kommen. Die Stiftung will noch in diesem Jahr 100.000 Euro zur Verfügung stellen und die Werkstatt auch in den kommenden Jahren finanziell fördern. Die Mitglieder des Sozialausschusses haben die Geschäftsführung des Blindenhilfswerks aufgefordert, Gespräche mit dem Staatssekretär für Soziales Alexander Fischer (Linke) und mit der Kriegsblindenstiftung aufzunehmen.
„Es gibt jetzt wieder Hoffnung auf ein kleines Weihnachtswunder“, sagte Ausschussvorsitzende Juliana Kölsch (SPD). Es sei sehr wichtig, dass die Werkstatt und die Arbeitsplätze erhalten blieben. Betreiber der Werkstatt ist das Blindenhilfswerk, ein gemeinnütziger Verein, der mit Projekten die Selbstständigkeit von Blinden und Sehbehinderten fördert. Die Geschäftsführung wollte nach Bekanntwerden der finanziellen Unterstützung im Sozialausschuss aber noch keine Zusage machen, dass die Werkstatt nun gerettet sei.
Im Juli 2017 hatte der Vorstand beschlossen, die Werkstatt zu schließen, weil die jährlichen Verluste von bis zu 400.000 Euro nicht mehr ausgeglichen werden können. 13 Korb- und Stuhlflechter sowie Bürstenmacher haben bereits ihre Kündigung erhalten, die Verhandlungen über einen Sozialplan sollen schon laufen. Der Vorstandsvorsitzende Reinhard Schulz-Ewert betonte, dass eine solche Werkstatt auf dem ersten Arbeitsmarkt niemals kostendeckend arbeiten könnte. Er wolle aber prüfen, ob das schon fortgeschrittene Verfahren der Schließung und Abwicklung noch rückgängig gemacht werden könnte.
Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen beschlossen
Die Bezirksverordneten der FDP-Fraktion hatten zuerst den Erhalt der Blindenwerkstatt in der Bezirksverordnetenversammlung gefordert. Jetzt haben alle Fraktionen einen gemeinsamen Antrag verabschiedet, in dem sie eine neue Trägerstruktur und den Weiterbetrieb fordern. „Ich freue ich mich, dass das Blindenhilfswerk sich nicht weiter einem Dialog verweigert, sondern erkannt hat, konstruktiv nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Blindenwerkstatt gerettet werden kann“, sagt der FDP-Fraktionschef Kay Erhardt. Tatsächlich hatten mehrere Politiker auf Bezirks- und Senatsebene, die Hilfe anbieten wollten, beklagt, dass die Geschäftsführung für Gespräche über den Erhalt der Werkstatt nicht zu erreichen war.