Sonderermittler Bruno Jost kritisiert die Behörden. Observation und Überwachung seien nicht aufeinander abgestimmt gewesen.

Bei der Überwachung des Attentäters vom Breitscheidplatz, Anis Amri, wusste bei der Berliner Polizei die rechte Hand offenbar nicht immer, was die linke macht. Der Sonderermittler des Senats, Bruno Jost, kritisierte am Freitag im Untersuchungssausschuss, dass Observation und Telefonüberwachung des Terroristen im Jahr 2016 nicht aufeinander abgestimmt gewesen seien.

Die Observation und die Überwachung der Telekommunikation des als Gefährder eingestuften Tunesiers wurde im Frühjahr 2016 eingeleitet. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte zuvor ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verabredung zum Mord eingeleitet. Hinweise, die diesen Verdacht bestätigten, fanden sich jedoch nicht. Dafür bemerkten die Ermittler, dass Amri offenbar mit Drogen handelte. Der zuständige Staatsanwalt forderte die Polizei daraufhin auf, sich auf Amris Drogengeschäfte zu konzentrieren.

Laut Sonderermittler Jost wurden die Observationskräfte darüber aber nicht ausreichend informiert. Mitunter habe die Überwachung der Telekommunikation Hinweise auf ein bevorstehendes Drogengeschäft ergeben. Hätte die Polizei die Observationskräfte darüber informiert, hätten sie Amri womöglich auf frischer Tat ertappen können. Er hätte damit wegen gewerbsmäßigen Drogenhandel in Untersuchungshaft gebracht werden können. Am 19. Dezember 2016 raste Amri mit einem Lkw auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche und tötete zwölf Menschen.

Die Beamten seien „am Ende ihrer Möglichkeiten“ gewesen

Jost bekräftigte auch seine Kritik, dass die Polizei die Observation bereits am 15. Juni beendete, ohne darüber die Generalstaatsanwaltschaft zu informieren. „Warum diese Einstellung erfolgt ist, ist mir bis heute nicht ganz klar geworden“, sagte Jost. Die Staatsanwaltschaft habe beim Gericht auf Bitte der Polizei sogar zweimal die Erlaubnis erwirkt, die Observation zu verlängern – obwohl die Maßnahme zu diesem Zeitpunkt längst eingestellt worden sei.

Der Generalstaatsanwaltschaft warf Jost vor, nicht überprüft zu haben, ob die vom Gericht genehmigte Observation tatsächlich umgesetzt wurde. Ein „etwas wacheres Auge“ sei womöglich angebracht gewesen, sagte Jost.

Der am Freitag ebenfalls als Zeuge geladene frühere Staatssekretär der Innenverwaltung, Bernd Krömer, sagte, mit dem Fall Anis Amri bis zum Tag des Anschlags am 19. Dezember nicht befasst gewesen zu sein. Namen islamistischer Gefährder seien ihm von den zuständigen Sicherheitsbehörden nur im Einzelfall genannt worden, etwa bei Islamisten, die in Kampfgebiete des „Islamischen Staates“ ausgereist seien. An Sitzungen des Staatsschutzes der Polizei oder der Generalstaatsanwaltschaft sei er nicht beteiligt gewesen.

Auf Anfrage gab Krömer auch Auskunft zu Kapazitätsengpässen der Polizei. Das Personal sei zwar aufgestockt worden. Die Zahl der Salafisten und der als Gefährder eingestuften Islamisten sei vor allem 2014 und 2015 stark angestiegen. „Dann ist natürlich klar, dass die Polizei relativ schnell am Ende ihrer Möglichkeiten ist“, sagte Krömer. Die Polizei habe „immer an der Oberkante der Belastungsgrenze“ gestanden.